Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

„Spott ist's sicher, denn Herr Re¬ gilon ist nicht anders geartet,“ meinte die Gräfin Huneburg, eine junge leb¬ hafte Frau, lachend, „wenn er zwei Frauen im Gespräch beisammen sieht behauptet er gewiß, sie hätten zu Hause den Spinnrocken seit Wochen nicht ab¬ gestaubt. „Da seht ihr's, mein lieber Herr von Stubenberg, was ich für schlechten Leumund hab'“ sagte Herr Regilon in drolliger Verzweiflung, das Barett nack rückwärts schiebend, „und doch bin ich der Schlimmste nicht.“ „Ei, ihr wollt doch nicht behaup¬ ten, daß hinter euren Worten nicht sicherlich eine Schelmerei verborgen ist?“ fragte die Gräfin Huneburg. „Sankt Georg, doch ist es so, Frau Gräfin,“ sagte Herr Regilon, „und ihr wüßtet schon kange, wie ich meine Worte gedeutet haben will, ginge den Damen das Zünglein nicht gar so flink — seht, wir wettergewohnten Männer stellten uns sicherlich nicht an diesem feuchten Abend hieher, um unsere Meinungen —77 auszutauschen, sondern Suchten die gute Stube vom „Gol¬ denen Löwen“ auf,“ warf die Gräfin von Huneburg spöttisch ein. „Ja, doch,“ gab Herr Regilon das zu, „dort ist es hübsch warm, und die wir erkälten uns nicht gern edeln Damen haben derlei allerdinge nicht zu besorgen, denn die halten mehr Kälte aus wie die Männer, und des¬ halb sagte ich, daß sie das starke Ge¬ es ist schlecht wären und nicht wir — das gewiß nicht Spott meinerseits ge¬ wesen, geradeso wie ich annehme, daß es nur sehr wichtige Dinge sein kön¬ nen, die von den Damen hier in Red gebracht werden? He?“ „Ei, gewiß mein Herr Gemahl,“ war da Frau Gertrude ein, „wenn anders ihr ein Gespräch über Prinzeß Agnes zu solchen Wichtigkeiten rechnet.“ Herr Regilon und der Ritter von Stubenberg nickten lebhaft ihre Zustim¬ mung und der letztere sagte: 23 „Ist's unbescheiden, edle Frau, wenn ich zu hören verlange, wes Meinung ihr euch von Steyrs künftiger Herrin gebildet habt?“ „Gewiß die beste, Herr Ritter von Stubenberg,“ gab Frau Gertrude gleich zur Antwort, „wie anders auch? Prin¬ zeß Agnes ist ebenso schön, als ver¬ ständig und von gutem Herzen.“ „Auch von gar keinem Stolz er¬ füllt,“ ergänzte die Gräfin von Hune¬ burg, „und ich glaub' unser aller Mei¬ nung hier auszusprechen, wenn ich's euch gleich ohne Ziererei heraussag: Wir sind recht froh, daß die Babenbergerin hier schalten wird, schlicht und einfach und dabei doch so vornehm — das Volk zu Steyr wird ihr gewiß Dank wissen und ganz besonders wir Frauen, die nach langer Zeit wieder in unsere Rechte bei Hof treten werden!" „Seht doch, liebe Agnes, wie unsere Gäste da drunten im Schloßhofe gar lebhaft scharmuzieren,“ sagte Herzog Ottokar, der zur Zeit mit seiner Braut in der Nische eines Fensters stand, das in den Schloßhof hinabzusehen gestat¬ tete, „das Bild habe ich schon lange nicht gesehen an meinem Hofe.“ „Und es wohl auch nicht vermißt?“ fragte Prinzessin Agnes schelmisch und sah die bunte Schar der Damen und Herren aufmerksam an, die sich im Schloßhofe eben von einander verab¬ schiedeten. „Oh, und wie hab ich dieses ritter¬ liche Treiben vermißt, liebe Agnes, entgegnete Herzog Ottokar rasch und ergriff lebhaft die Hand seiner Braut, „liebe Agnes, ihr hält mich doch nich für menschenscheu, daß ich der Gäste froh Geplauder und munteren Scherzen abhold wäre?“ „Nicht doch, Ottokar,“ sagte Prin¬ zessin Agnes, ihren Verlobten innig an sehend. „Ich sagte das gewiß ohne weitere Absicht, denn ein so ritter¬ licher Fürst, wie ihr es seid, lebt nicht einsam auf seinem Sitze. Auch ich liebe Scherz und Fröhlichkeit, und deshalb,

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