Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

* 20 ist der Landesfürst, der in eurer Pflege sich befindet.“ Gut, edler Herr,“ sagte der alte Abraham, „wann soll ich kommen?“ „Geh' zuerst nach Garsten, zum Pa¬ ter Erasmus — dort wirst du alles Nö¬ tige erfahren,“ entgegnete Herr Ge¬ rung und erhob sich, denn beim Stadttor herein =kamen der Abt von Gleink und der Herr von Stubenberg, denen Herr Gerung grüßend ein Zeichen gab, daß er sich ihnen anschließen wolle. „Wir alle vertrauen des Paters und deiner Kunst.“ „Des Menschen Wissen ist Stück¬ 77 werk, gab der Alte zur Antwort und nahm das Käppchen ab, um sich grü¬ ßend zu verabschieden, „der einzige Arzt, der unfehlbar ist, wohnt da droben!“ Und er deutete zum blauen Him¬ mel hinauf. Herr Gerung nickte und eilte mit kurzem Gruß den beiden Bekannten entgegen. VIII. Auf dem Estrich des Erkertürmchens im Steyrer Schlosse, das gegen den Tabor sah, standen, von der un¬ tergehenden Sonne beleuchtet, zwei Personen. Fräulein Mechthildens Antlitz zeigte einen harten, stolzen Zug und sie schien gelangweilt, als sie so in die Täler der Steyr und der Enns blickte, welche die untergehende Sonne mit ihren röt¬ lichen Strahlen vergoldete und erhaben in herbstlicher Schöne ihren Augen zeigte. Drunten kehrten die Leibeigenen und Bauern unter munterem Geplauder von der Arbeit heim, und gar mancher grüßte demütig zum Erker herauf, wenn er Meginhalm und das Edel¬ fräulein daselbst gewahrte. „Wie schön ist doch unser Steyr,“ brach Meginhalm mit leisem Seufzer endlich das Schweigen, das bislang geherrscht hatte. „Wie herrlich ist ein solcher Abend in so reizender Gegend.“ „Ei, ihr schwärmt schon wieder, Herr von Schachen,“ entgegnete Fräu¬ lein Mechthild mit einem spöttischen Blick auf ihren Gesellschafter. „Ich hätte nicht geglaubt, daß ein im Waf¬ fenhandwerk so geübter und erfahre¬ ner Mann, wie ihr es nun einmal seid — ihr seht, ich anerkenne auch bei euch ritterliche Tugenden,“ und sie machte einen etwas hochmütigen Knir bei diesen Worten — „an so alltäglichem Bild Gefallen finden möchte. Geht, Herr von Schachen, wenn ihr mir nichts Unterhaltlicheres am Hofe zu Steyr zu erzählen wißt, dann ist es wohl besser, ich erwarte meine gnädigste Herrin hier allein, ich liebe derlei Alfanzereien nicht gar sehr.“ Erstaunt und mit Bestürzung zugleich hatte Meginhalm diese Worte seiner Angebeteten vernommen, denn er war gerade in der Stimmung, endlich vor Fräulein Mechthild fein Herz auszu¬ chütten und ihre Worte klangen hiezu nicht wie eine Ermunterung. „Wie, edles Fräulein, ihr findet, daß meine Bewunderung Gottes schöner Natur eine Alfanzerei ist?“ fragte er deshalb betreten. „Wie irrt ihr doch ein Rittersmann. Um Gotteswillen haltet ein, un¬ terbrach ihn hier Fräulein Mechthild lachend. „Wollt ihr mir eine Abhand¬ lung über Schönheit der Natur halten, so wie ihr zu Wien, als mein Tisch¬ nachbar, vor nicht allzu langer Zeit, mir eine Predigt darüber gehalten habt, daß Frauen mehr in ihr eigen Heim hineingehörten, als auswärts Ihr seid doch ein sonderbarer Schwärmen Herr von Schachen, und wüßte ich nicht, daß ihr Schwert und Lanze zu führen und ein Roß zu tummeln ver¬ steht — ich könnte glauben, ihr paßtet besser nach Garsten, als hieher an des Herzogs Hof. Wollt ihr, daß ich euch wohlgeneigt bleibe, sprecht mir von al¬ lem anderen, nur nicht von etwas All¬ täglichem — 's ist ohnehin nicht allzu

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