Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

8 den Schlafwunsch seiner Leute, und sah dann, seine Fäuste in den Taschen der „Bockledernen“ versenkt, starr in das flackernde Licht des ihm gegenüber in der Wand befestigten knisternden Kienspans. Als aber nun als letzte die „Nannel=Bas“. die alte Hauserin, gehen wollte, drehte sie sich noch an der Tür um und meinte: „Du, Bauer! Der Sultl (Sultan) draußen is no alleweil ledig; moanst nöt, er sollt bei dem bösen „Wahen (Sturm) in die warme Kuchl' 'nein?!“ „Na!“ brummte Martl kurz und ver¬ sank wieder in sein tiefes Sinnen, wäh¬ rend das betagte Weiberl aus der Stube schlürfte und: „Nacha halt nöt!“ mur¬ melte mit dem unhörbaren Beisatz: „Grantlhauer!“ (nicht zugänglicher Mensch). Die mitleidige alte Frau be¬ dauerte den armen vierfüßigen Haus= und Hofwächter, der in dieser Kälte die Nacht im Freien zubringen müsse, weil es der stierschädlige Bauer so wollte; drum hatte auch ihr „quat Nacht!“ einen recht ärger¬ lichen Klang gehabt! Etwas später, als die Lichtschleuße bis auf den im Eisenring steckenden glim¬ menden Stumpfen herabgebrannt,alles ruhig und still im Hause geworden, und nur mehr das leise Winseln des Hundes vor der Türe hörbar war, drückte Martl vorsichtig das Spanende aus und löschte zur größeren Sicherheit das letzteFünk¬ chen noch mit einem Fußtritt. Dann zog er unter der Ofenbank, wo er gesessen seine mächtigen Wasserstiefel hervor, die er nun ganz geräuschlos anlegte, warf ich noch die „Kotze" (dicke Wolldecke) über und stand nun fertig gerüstet zu einem heimlichen Ausgang da! Noch be¬ trat er leise seine der Gesindestube zu¬ nächstliegende Schlafkammer, wo der im Repsöl schwimmende Docht eines Nacht¬ lichtes trüben Schein verbreitete. Aus einem in die Wand eingelassenen Schrank nahm er eine kurze Doppelflinte hervor, lud sie sorgfältig mit gehacktem Blei und verbarg dann die gefährliche, vom Ge¬ richt verbotene Waffe unter seiner Kotze ... Nun verließ er geräuschlos Haus und Hof, nachdem er zuvor dem wedeln¬ den großen Zottelhund leise gepfiffen, der sich ohne Gebell, als wüßte er, daß ein solches den geheimen Gang verraten würde, seinem Herrn anschloß. So chritten denn beide durch das Schnee¬ gestöber am mit Weidengebüsch bewach¬ senen Ufer der Schwarzach dahin, Sultan immer dicht hinter dem Gebieter, so daß seine Doppelnase die Kniekehle desselben fast berührte! ..... ** In dieser stürmischen Novembernacht lagerte im Unterholz am linken Ufer des Flüßchens, das aber bereits ziemlich an¬ geschwollen, mit schauerlichem Brausen durch die rabenschwarze Finsternis dahin¬ schoß, ein großer Trieb Ochsen, von wettergehärteten Treibern beaufsichtigt. Die immer heftiger werdende Kälte er¬ zwang von den frierenden Tieren, die sich nach einem warmen Stalle sehnten, ein tets häufigeres kurzes Gebrüll, was dann die Knechte jedesmal zu Verwünschungen veranlaßte. „Wo nur der Hirschhofer bleibt,“ raunte einer dem anderen zu und der dritte murrte: „'s ist höchste Zeit, daß wir fortkommen — denn die „Grünspechte“ (die Grenzer) müßten doch auf ihren Ohren liegen, wenn sie das Gebrüll des Viehes nicht bis in ihre Station hinein hörten! ... Wir dürfen zuwarten, sonst ist der nimmer länger und wir ganze wertvolle Trieb hin — damit! Plötzlich tönte der krächzende Schrei einer Steineule in dem Erlenbusch. So¬ fort beantwortete einer der Schmuggler dieses Zeichen mit dem gleichen Ruf; jetzt wußte der Ankömmling, so niemand an¬ derer war als Martl, daß alles gut tand, und trat gleich darauf mit seinem Hunde mitten unter die Pascher, und seine erste Frage lautete: „Alles in Ordnung?!“ „Wohl, wohl! „Der Seppl, ist er schon zurück von der „Paß“ (Obachtgeben)?!“ „Der muß glei' kemma!“ „Ja, paßt mir heut' nur b'sonders auf! Und hört's jetzt, Mannen! Die mit den Päcken gehen zuerst über die Schwarzach. Wie die drüben sind, nach¬

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