Gemeinderatsprotokoll vom 29. Dezember 1920

2 und wenn irgend wilche Fälle vorhanden sind, welche zu solchen Auslassungen berechtigten, so bin ich bereit, von diesem Platz abzutreten. Ich kann Ihnen aber sagen, daß ich mir einbilde, daß meine Handlungsweise jederzeit so war, das ich Niemanden u scheuen brauche und auch mit ruhigem Gewissen sagen kann, daß so demokratisch wie hier verhandelt wird, kaum in einer Gemeinde verhandelt wird und dies wird so lange bleiben, so lange ich noch die Ehre habe, diesen Platz einzunehmen, von wo aus ich mich der Mitarbeit des Gemeinderates versihern werde; denn wenn es gelungen ist, die gewaltige Menge von Geschäftsstücken zu bewältigen, so ist dies nur durch die Mit¬ arbeit meiner Gemeinderatskollegen möglich gewesen. Ich möcht auch hervorheben, daß gerade auch die Mitarbeit der Minorität uns über viele Klippen hinweggeholfen hat. Bezüglich des finanziellen Ergebnisses bezüglich der Ennsleite muß ich sagen, daß ich selbst überrascht war, daß solch ein kolossales Defizit besteht und daß wir erst enige Tage vor der vollständig leeren Kassa Kenntnis davon erhielten. Dies hat mich selbst gekränkt und verstimmt, weil man früher hätte vorsorgen können, dami wir nicht von Tag zu Tag um Geld betteln gehen müssen dies habe ich auch offen ausgesprochen und gerade diese meine Offenheit in dem, was ich für recht und unrecht halte, führt zu einer gedeihlichen Wirtschaft. Ich bedanke mich bestens für die Ausdrücke, die hier gefallen sind Herr GR. Vogl wendet sich gegen die Ausführungen des Herrn GR. Dr. Peyrer und hält vor, daß nicht gerade das Studium immer maßgebend sei, um eine Sache richtig aufzu¬ assen; auch unter den nichtstudierten Arbeitern finden sich intelligente Personen Er wolle niemand nahetreten, aber es gibt Leute, denen das Studium nur mit Trichtern ermöglich wurde. Dem gegenüber müsse er auch hervorh ben, daß den Waffenfabriksarbeitern immer ihr hoher Verdienst vorgeworfen werde; es stehe Herrn Dr. Peyrer nicht an, den Scharfmacher zu spielen, wie er es bei den Lohnverhandlungen getan habe. Die im Gemeinderate vertretenen Arbeiter verdienen dies durch¬ aus nicht und müsse es gesagt werden, daß sie durch die Sitzungen manchen Verdienstentgang haben, weil sie für die aufgewendete Zeit nicht mehr honoriert werden; dessenungeachte bringen sie gerne das Opfer aus Idealismus zur Sache. Sie sind auch in den Sitzungen öfter anwesend, als die Mitglieder der Minderheit. Bevor man eine Partei angreift, soll man selbst schauen, ob man reinen Tisch hat. Herr GR. Schickl bemerkt, daß es arme und reiche Hausbesitzer und arme und reiche Gewerbetreibende gebe und daß sich doch noch ein Modus finden lassen müsse, damit den armen Hausbesitzern und Gewerbetreibenden, das, was sie durch Fleiß ein ganzes Leben lang sich errungen haben, verbleibe Es gibt schon heute viele Personen, die schon im Ruhestande waren und nun wieder zur Arbeit greifen müssen, weil sie aus hren Besitz oder ihren Renten kein solches Einkommen mehr beziehen, um leben zu können. Vielleicht tritt man doch noch inmal an die Waffenfabrik heran, um eine Abstufung in der Steuerleistung zu erreichen; solche Umlagen können die kleinen Hausbesitzer und kleinen Gewerbetreibenden unmöglich leisten, sie würden der Verpfändung ihres letztes Besitzes verfallen müssen. Mir kann gewiß niemand vorwerfen, daß ich nicht zu den Sitzungen komme. Auch ich habe durch dieselben Geschäfts verluste. Ein Mittel um die Umlage zu verringern wäre ein Ersparnis durch die Verstaatlichung der Polizei; vielleicht könnte es auch eine Automobilsteuer geben err GR. Dr. Peyrer erwidert auf die Ausführungen des Herrn Bürgermeisters, daß es eine natürliche Sache sei, daß bei Budgetdebatten Verschiedenes zur Sprache kommt, es gehe aber nicht an, hinterher wie es Herr GR. Witzany machte, mit Pauschalverdächtigungen zu kommen. Wenn Herr Bürger¬ meister sich verletzt fühlt, so weiß er ganz genau, daß es mir vollkommen ferne liegt, seiner persönlichen Tätigkeit irgendwie nahe zu treten Tatsache ist, daß man zu den Sitzungen meist erst in den allerletzten Minuten verständigt wird; man möcht sich aber einige Tage vorher informieren, was aber rein unmög¬ lich ist. Es liegen im Gemeinderatspräsidium Akten, die das Präsendatum vor sechs Monaten tragen, dann erst kommen sie in den Gemeinderat. Das ist der Grund alles Uebels. Wir find nicht in der Lage, alles so zu verfolgen, wie es sein soll. Die Tagespost“ ist kein politisches nationales Blatt, sie geht ihre eigenen Wege und schickt Artikel mit dem Bemerken zurück, daß sie dies nicht bringen könne, weil es einen Teil ihres Leser¬ kreises mißfallen könnte. Hingegen braucht man nur „Steyrei Tagblatt“ zu lesen, in welcher Weise man darin hergestellt wird, als offensichtlich unfähige Leute, als Gauner usw. Herrn GG. Witzany muß ich es schon sagen, daß ich mich oft wundere, aß er keinen Einfluß auf diese Schreibweise ausübt und auf ol jektivere Schreibweise einwirkt. Das was ich gesagt habe, ist kaum eine Zeile von dem, was das „Steyrer Tagblatt“ in der letzten Wochen alles geschrieben hat und werden meine Aus¬ führungen weit in den Schatten gestellt ch selbst muß mich dagegen verwahren, daß ich bei den Lohnverhandlungen als Scharfmacher aufgetreten bin. Herr GR. Vogl muß wissen, daß ich stets im objektiven Sinne bemüht war, und einen schweren Kampf durchzumachen hatte Wenn ich mich dagegen aufgehalten habe, daß Beamte des Magistrates zu selbständig vorgehen, so kommt dieses Ereignis überall vor Ich möchte bitten, daß die Kritik hier etwas objektiver behandelt wird Der Herr Bürgermeister hat moralische Prügel angekündigt nun es sitzt links und rechts ein Herr von mir, die unverschuldet Prügel erhalten haben. Herr GR. Witzany erwidert, daß es richtig sei, daß Hunderte von Leuten wieder zur Arbeit greifen müssen, was aber nicht Schuld der sozialist schen Partei, sondern die des Staates sei. Es ging auch den Arbeitern nicht besser, auch viele derselben sind unter den Folgen des Krieges zusammengebrochen: ie früheren Machthaber haben sich nicht dafür eingesetzt, daß den alten Arbeitern ein sonnigerer Lebensabend beschieden werde Auch wir bedauern es oft sehr, daß alte Leute aus den Arbeiter¬ reisen wieder die Last der Arbeit auf sich nehmen mußten, elbst Leuten, die schon ihren Altenteil genossen haben. Was err GR. Schickl wegen Verstaatlichung der Polizei ausführt wissen wir, daß dieser Standpunkt der christlichsozialen Partei ehr am Herzen liegt und damit ein gewisser überwachenden Einfluß nicht nur bei den Bauern, sondern selbst in der Stad erreicht werden soll. Wenn es sich um die Aufstellung einer Armee von Gendarmen handeln würde, würde um die Kosten gar nicht gefragt, wenn damit der monarchistische Militärismus vieder zu heben wäre. Es wird ja gewiß insgeheim ange¬ nommen, daß wir als erledigt zu betrachten sind und wir es seinerzeit mit der bewaffneten Macht zu tun bekommen werden Es würde aber auf der anderen Seite die hiezu erforderlich Blutsteuer auch wieder seine Opfer fordern. Was die Aeuße¬ rungen des Herrn GR. Dr. Peyrer betrifft, so haben die von demselben angeführten Prügel mit dem Gemeinderate hier gar nichts zu tun und schien es merkwürdig, daß sich diese Herren ns Schmollwinkerl stellen, sie sind von selbst wieder gekommen und haben sich zur Mitarbeit angetragen und wir haben keinen blehnenden Standpunkt eingenommen. Wenn sich Herr GR Doktor eyrer kränkt, so vertragen auch wir nicht alles und am venigsten, wenn Herr Dr. Peyrer immer von Spitzeln redet; wir sind einmal keine Freunde der Kapitalisten und haben stetts denen gegenüber in einem energischen Tone gesprochen Wenn Sie glauben, daß Ihnen die „Tages=Post“ nicht genehm ist, so können wir nichts dafür; die Koalition scheint aber schon solche Wirkungen zu haben, daß sich Ihre Partei mit Haut und Haaren der christlichen Partei verschrieben hat; wir wußten gar nicht, daß die Liebe schon so groß ist und sind wir gewiß nicht leidig, umarmt euch nur; die „Tages=Post“ hat tatsächlich in das Horn geblasen, wie irgend eine klerikale Zeitung. Endlich! n den Armen liegen sich beide. Hiezu hat die heutige Tages¬ ordnung einen gewissen Auftakt gegeben Wir haben schon in der letzten Sitzung erklärt, daß wir die Verantwortung für die Finanzgebahrung übernehmen. Wir müssen daher die Mitte aufbringen; daß das Mittel ein etwas schroffes ist, sehen wir in, aber Mittel müssen herbeigeschafft werden. Es werden sich ja bei den einzelnen Posten Ersparungen machen lassen. Sie würden aber aus diesen Chaos ebensowenig herauskommen als wie wir. Wir wollen aber deswegen den Mut nicht sinken lassen ind wollen vorwärts arbeiten, und ein Gemeinwesen schaffen, nit dem alle Bewohner auch schließlich zufrieden sein können. Herr GR. Prof. Brand erklärt die Auffassung des Herrn BR. Witzany zurückweisen zu müssen, als ob unsere Partei den Herrn Bürgermeister oder das Präsidium gebeten hätte, seid so ut und laßt uns wieder mittun. Es liegt uns gewiß daran m beiderseitigen Einvernehmen Mitteilungen gemacht, nicht daß wir betteln gekommen sind, wir können es auch bleiben lassen Was die von Herrn Schickl aufgeworfene Frage der Verstaat lichung der Polizei anbelangt, so möchte ich darauf hinweisen, aß seinerzeit in der Sektionssitzung der Herr Bürgermeister elbst dafür gestimmt und sich sehr dafür erwärmt hat und auch Ihre Partei den Beschluß gefaßt hat, die Verstaatlichung der Polizei durchzuführen. Auf einmal ist ein anderer Wind ge¬ kommen und ein Umschwung in der Gesinnung eingetreten. Im ibrigen beantrage ich Schluß der Debatte. Herr Vorsitzender Vizebürgermeister Mayrhofer läßt ber den Antrag auf Schluß der Debatte abstimmen, welcher vom Gemeinderate angenommen wird err Bürgermeister Wokral konstatiert ausdrücklich, daß das neuerliche Zusammenarbeiten, wie es in der letzten Erklärung vereinbart wurde, ohne gegenseitigen Druck erfolgte und sich die Gegensätze durch Zusammenreden ausgeglichen haben; die christlichsozialen Parteivertreter erklärten auch weiterhin ihre Pflicht zu erfüllen. Es muß auch festgestellt werden, daß auch ie Majorität nicht bitten gegangen ist; es hat, wie es einer olchen Körperschaft zukommt, ein loyaler Ausgleich der Gegen¬ sätze vollzogen. Bezüglich der Ausführungen des Herrn Schickl iber die armen Hausbesitzer und Gewerbetreibenden, muß ich erwidern, daß die Arbeiterschaft noch immer mehr unter den Verhältnissen zu leiden hat, weil sie außer ihren Lohn nichts besitzt und auch keine Mittel hat, um Mehrausgaben auf andere bwälzen zu können. Es sind alle, seien sie Hausbesitzer, Gewerbe¬ reibende oder Arbeiter, Opfer der Verhältnisse. Die Hauszins¬ teuererhöhung ist wohl für den drückend, der sie nicht auf die Parteien abzuwälzen vermag und gerade diese Umlage auf die Hauszinssteuer bietet uns Gelegenheit, von der Waffenfabrik als rößten Hausbesitzer eine entsprechende Steuerleistung zu er angen. Schließlich wird auch die Waffenfabrik zur Einsicht ommen, wenn sie auch heute auf einem starden Standpunkt st ht. Bezüglich der Automobilsteuer läßt sich nichts machen, weil sich diese Steuergattung ausschließlich der Staat vorbehalten at; auch hinsichtlich der Erzeugung besteht zur Versteuerung ein Staatsvertrag Zu den Ausführungen des Herr GR. Doktor Peyrer muß ich bemerken, daß derselbe wohl lange genug im im politischen Leben steht, um ihm nicht besonders sagen zu müssen, warum ich mich damals im Landtag gegen Dinge ge¬ wendet habe, die die Tages=Post aber schon gar nichts angehen

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