Gemeinderatsprotokoll vom 14. November 1919

Die Arbeiterjugend besitzt keine entsprechende Kleidung, nicht die Festigkeit des Körpers, infolge der Unterernährung, um sich diesem Sport hingeben zu können Die Kinder werden gerne wieder heimgehen, weil sie den Aufenthalt am Platze wegen der Unterernährung und der mangelhaften Kleidung nicht aushalten werden. Es wird daher der Eislaufplatz nur für einige Macher und leidenschaftliche Schlittschuhläufer errichtet werden, unsere Jugend, für die der Eislaufplatz bestimmt ist, besonders aber ie Arbeiterjugend wird nichts davon haben. Warum soll die Gemeinde für eine so unsichere Sache jetzt auf einma das Risiko übernehmen; wenn wir etwas schaffen, soll es die Gemeinde selbst machen und dann nicht nur einen einseitiger Eislausplatz, sondern einen allgemeinen Sportplatz. Wir leben heute in einem Zeitpunkt, wo wir viel größere Sorgen haben, als die Errichtung eines solchen Eislaufplatzes. Wenn der Ge neinderat mit einer Forderung an uns herantritt, 200.000 K für Beteilung armer notleidender Kinder mit Schuhen und Kleider oder für Lebensmittel zu bewilligen, so stimme ich mit beiden Händen dafür; aber solche Auslagen, die nicht einmal voll ihren Zweck erfüllen, kann nicht zugestimmt werden. Ein Sportplatz muß großzügig angelegt werden. Und wenn jemand agt, daß dadurch die Arbeitslosigkeit behoben werden wird so möge man dann dafür trachten, daß der Ausbau der elektrischen Bahn St. Florian—Steyr endlich einmal durchgeführt werde; da werden genug Arbeiter ihr Brot finden. Auch beim Kranken¬ hause könnten für die kommenden Bauten Vorarbeiten begonnen verden. So sehr ich für die Errichtung eines Sportplatzes bin, ach den vorliegenden Plänen kann man nicht dafür sein. Herr G.=R. Witzany erwidert, daß die Angelegenheit geradezu oft genug durchgedroschen wurde; das ganze gehe nur auf eine Verschleppung hinaus. Ich bin ganz gewiß kein Freund der jetzigen Vorlage, es werde sich aber ein Ausweg inden lassen, um doch den beabsichtigten Zweck zu erreichen. Vorderhand ist die Frage soweit gelöst, daß mit bedeutend ge¬ ringeren Mitteln ein Eislaufplatz errichtet werden kann. Was Herr G.=R. Prof Brand wegen Bewilligung von außerordent ichen Unterstützungen für die notleidenden Kinder spricht, muß ahin beantwortet werden, daß der Gemeinderat und Herr Prof. Brand ohnehin nicht sicher sind, ob nicht ein ähnlicher Antrag noch eingebracht werden wird. Was die Lebensmitte betrifft, so hätten die Vertreter der Bauernschaft gar keine Ur¬ ache, die Frage heute anzuschneiden, denn die Sabotage der Bauern in punkto Lebensmittel ist geradezu so weit, daß die Kinder sicher keine Freude haben können. Die Liebe zu den Kindern scheint gar nicht so weit her zu sein. In Steyr werden wir nie einen ordentlichen Sportplatz herausbringen und müssen uns mit dem Möglichen begnügen. Der Eislaufplatz ist für die gesamte Bevölkerung gedacht und wird Sorge getragen werden, daß er allen zugute kommt. Der Sektionsantrag kann daher ganz gut angenommen werden err G.=R. Eisterlehner bemerkt zu den Aus¬ führungen, daß der Jugend durch die Anlage des Eislaufplatzes am geplanten Orte kein Nutzen, sondern eher eine Schädigung erwachse, als dieser Platz vor dem Wäldchen wegen seiner Wind ille ein gern besuchter Spielplatz war. Was die Brennholz¬ frage betrifft, so wird mit dem dünnen Stangenholz nicht viel rreicht sein; es ist schade um die Stämme, weil sie erst in Entwicklung waren und in 15 bis 20 Jahren eine viel bessere Verwendung hätten finden können. Herr G.=R. Prof. Brand erklärt, die Ausführungen des Herrn G=R. Witzany ganz energisch zurückweisen zu müssen jegen das Hereinziehen einer politischen Debatte wegen der Bauern müsse er sich verwahren; ich kann Ihnen nur ver¬ raten, daß unsere Bauern aus eigenem Antrieb beschlossen haben, en Kindern zu Weihnachten in ausgiebigster Weise zu Hilfe zu kommen. Es steht Ihnen nicht gut an, daß Sie unsere Bauern, von denen der allergrößte Teil gut und willig ist, an¬ treifen; damit tun Sie nichts gutes und großes. Ferner weise ich es zurück, was Herr G.=R. Witzany über die Liebe zur Jugend gesprochen hat; es muß jeder, der ein Auge offen hat vissen, was ich bisher für die Jugend getan habe. Weiters muß esagt werden, daß der größte Teil der Bevölkerung selbst, ja sogar Mitglieder Ihrer Partei gegen die Errichtung eines Eis¬ laufplatzes am beabsichtigten Platze sind. Herr Bürgermeister Wokral bemerkt Herrn G.=R Eisterlehner gegenüber, daß von einer Schädigung der Kinder nicht gesprochen werden könne, weil diese im Schloßparke einen viel besseren Ersatz gefunden haben. Im übrigen wär zine Durchholzung des Wäldchens sowieso zur Notwendigkeit eworden, da sich infolge der Dichte des Bestandes die anderen stehenden Bäume nicht entwickeln können. noch derr Referent G.=R. Krottenau spricht sich im Schlußworte für die Annahme des Sektionsantrages aus, dem ioch der Zusatz wegen Beibehaltung der Oeffentlichkeit des Weges anzufügen ist. Der Sektionsantrag wird hierauf vom Gemeinderate mit dem Zusatze, daß durch die Errichtung des Eislausplatzes der ort bestehende öffentliche Weg nicht abgesperrt werden dürfe mit Mehrheit angenommen IV. Sektion. Die Punkte 18, 19, 20 und 21 werden zusammengezogen. 18. Ernennung eines Armeniates für den IV. Bezirk. 19. Ernennung eines Armenvaters für das X. Viertel. 5 20. Ernennung eines Armenhausvaters für das Bürger¬ spital. 3224 1. Bestellung eines provisorischen Obmannes für das Bürgerspital. Referentin Frau G.=R. Zachhuber Zu diesen Punkten lautet der Sektionsantrag: Der Ge neinderat beschließe 1. die definitive Bestellung des Kaufmannes Herrn Leopold Schagerl zum Armenvater für den IV. Bezirk, zum Armenrate für das X Viertel und die Bestellung des Ge lannten zum Armenhausvater für das Bürgerspital an Stelle des von der Ausübung dieser Funktionen zurückgetretenen Herrn udwig Möstl 2. die prov. Enthebung des Hermann Baumberger von der Stelle eines Obmannes für das Bürgerspital und die pro¬ visorische Bestellung des Unterständlers Karl Etmayr im Bürger pitale zum Obmanne für dieses Unterstandshaus unter den bis¬ herigen Bedingungen und unter Zuerkennung einer Bestallung von monatlich 20 K vorzunehmen Der Sektionsantrag wird vom Gemeinderate angenommen. 22. Materielle Besserstellung der Unterstandler Der Sektionsantrag lautet: Der Gemeinderat beschließe: sämtliche im Herrenhause, im Bürgerspitale, im Josef¬ Lazareth und im Bruderhause definitiv untergebrachten Unter standler und Unterstandlerinnen, soweit sie erwerbsunfähig oder nindererwerbsunfähig sind, erhalten künftighin ein Armengeld im Betrage von monatlich 10 K, soweit sie ein solches nicht eziehen, wird dasselbe auf monatlich 10 K ergänzt 2. sämtlichen Unterstandlern wird unter den sub 1 er¬ wähnten Voraussetzungen künftighin der wöchentliche Brotbezug in natura ausgefolgt und werden die hiefür erlaufenden Kosten aus dem hierstädtischen Armenfond übernommen; 3. die bereits ausnahmsweise am 12. November 1919 für den Monat November vorgenommene Beteilung wird zur kenntnis genommen Hiezu wird folgendes bemerkt: Die Belastung des hierstädtischen Armenfondes beträg bei derzeit 61 in Betracht kommenden Unterstandlern zusammen nonatlich zirka 130 K oder jährlich 1560 K; 2. unter Zugrundelegung der heute bestehenden Brotpreise (2 K 80 k per Laib) bei einem derzeitigen Stande von 61 zu eteilenden Unterstandlern beträgt die Belastung des hierstädtischen Armenfondes wöchentlich 170 K 80 h, oder monatlich 683 K 20 k oder jährlich 8196 K 40 k. Die jährliche Gesamtbeteilung Brotbezug in natura) und Bargeldbeteilung beträgt daher 1560 K + 8196 K 40 h = 9756 K 40 h jährlich Der Sektionsantrag wird vom Gemeinderate angenommen. 3. Antrag des G.=R. Dr. Furrer auf Errichtung einer Tuberkulosenfürsorgestelle Referentin Frau G.=R. Zachhuber. Zur Durchführung des Antrages mangelt es leider heute noch an geeigneten Lokalen, weshalb der Antrag bis zur Be¬ schaffung von solchen zurückzustellen ist. Es wird ersucht, die Sektion in der Auffindung von geeigneten Lokalen unterstützen zu wollen. Die Zurückstellung wird vom Gemeinderate zur Kenntnis genommen. 4 Ansuchen um Erhöhung der Remuneration für die Erteilung des Haushaltungsunterrichtes. Referentin Frau G.=R. Zachhuber. Der Sektionsantrag lautet: Der Gemeinderat beschließe, ür die Erteilung des Haushaltungsunterrichtes an der Mädchen bürgerschule durch Frl. Anna Kröger wird derselben die Jahres¬ remuneration von 400 K auf jährlich 640 K erhöht. Der Sektionsantrag wird vom Gemeinderate angenommen 25. Ansuchen um eine Unterstützung aus der Gremial¬ krankenkassa. Referentin Frau G.=R. Zachhuber. der Gemeinderat beschließe, der Gesuchstellerin Marie No¬ wodworsky wird eine Unterstützung von 200 K aus den Zinsen der bestandenen Gremialkrankenkasse bewilligt. Der Sektionsantrag wird vom Gemeinderate angenommen. 26. Ansuchen um Ueberlassung von Schulräumen. Referentin Frau G.=R. Zachhuber. Hier liegen vier Ansuchen vor und beantragt die Sektion 1) Der Gemeinderat beschließe, das Ansuchen des Arbetter urnvereines „Vorwärts“ um Ueberlassung des Turnsaales in der Wehrgrabenschule an zwei Tagen der Woche wird unter den bisher üblichen Bedingungen bewilligt der Sektionsantrag wird angenommen. Der Gemeinderat beschließe, es werde dem Ansucher des Athletenklubs „Herkules“ unter der Bedingung an zwei Tagen in der Woche um Ueberlassung des Turnsaales in der Wehrgrabenschule Folge gegeben, daß durch das schwere Hantel¬ 129 37 1237 15150

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