Gemeinderatsprotokoll vom 7. Februar 1919

lebhaft begrüßen, wenn nun auch ein Vertreter der Gast= und Schankgewerbe Sitz und Stimme im städt. Wirtschaftsrate erhalten wird. Daß von den Gastwirten gegen die Bauern wegen der Höchstpreisüberschreitung keine Anzeige erstattet wird, ist begreiflich, denn mit dem Moment würde der betreffende Anzeiger von keinem Bauern überhaupt mehr einen Most zu kaufen bekommen Die Wirte müssen erst sehen, wie es im heurigen Herbste mit dem Bier aussehen wird. Heute wissen wir nock nicht, wieviel Bier zugewiesen werden kann. Die Gast¬ wirte haben während des Krieges außerordentlich viel gelitten, da die flüssigen Lebensmittel, aus welchen sie ihren Haupterwerb ziehen, schon so lange eingeschränk sind. Wie erwähnt, hat die Genossenschaft schon am 18. Oktober beim Landtage wegen Verbotes der Most¬ ausfuhr eine Eingabe eingebracht; es ist aber bis heute auf die Ausfuhr noch keine Sperre gelegt worden. Für uns handelt es sich, daß so rasch als möglich Getränke rodukte beschafft werden, was mit Strenge von dem Arbeiter= und Soldatenrate auch zu erreichen sein wird. Wenn nicht, so kann ich sie nochmals versichern, daß ein großer Teil der Gastwirte ihre Betriebe einstellen müssen Ich möchte daher bitten, auch die Gast= und Schankgewerbe, als eines der steuerkräftigsten Stände nicht zu vergessen und die Gastwirtschaften in jeder Weise zu untenstützen. Geradeso wie der Herr Bürger¬ meister das Beispiel von den Kartoffeln angeführt hat, wo es in den Gemeinden immer hieß, es sei nichts vorhanden, so kann ich darauf verweisen, daß ein ge¬ visser Doleschal in Grünburg 3400 Hektoliter Most lagern hatte, die ihm nun abgenommen wurden. Es ind tatsächlich genug Mostlager zu finden, nur gehört dazu entsprechende Energie, um die Bestände herauszu¬ bringen. Es handelt sich um die große Masse des Volkes und um einen großen Kreis von Gewerbetreibenden, die unter den Verhältnissen schwer zu leiden haben Herr Bürgermeister: „Ich habe persönlich das Be¬ gehren auf Sperrung der Grenzen für Most bei der Landesregierung überreicht und auch im Landtage ver¬ treten. Leider Gottes stehen uns als Städter gerade in der Mostfrage gar keine Mittel zu, um gegen diesen Uebelstand einzuschreiten; dies könnte nur die Bezirks¬ hauptmannschaft machen. Ich werde übrigens die Sache in der Landesregierung betreiben“ Herr GR. Langoth: Heute ist der Most schon weg Der meiste Most ist nach Wien gegangen, wo er mit 120 bis 150 K per Hektoliter gekauft wurde. Es muß aber rasche Abhilfe getroffen werden, bevor die Sperre der Gasthäuser erfolgt Herr GR. Prof. Erb: „Ich würde das Wort nicht ergreifen, wenn gegen meine Ausführungen nicht ein Widerspruch eingesetzt hätte. Vorerst will ich Herrn Kollegen GR. Prof. Brand antworten, welcher meint, daß im Nationalrate die beste Gelegenheit gewesen wäre, gegen das Treiben der Referenten der Linzer Landes¬ regierung einzuschreiten. Das wäre wohl der ganz ver¬ kehrte Weg gewesen. Es dreht sich bei den Herren der Nationalregierung darum, die Sachen nach Wien zu bringen und wenn diese noch soviel kosten. In Wien wväre man tauben Ohren begegnet, weil ihnen selbst an der Ausfuhr aus Oberösterreich etwas daran liegt Was die Ausführungen des Herrn GR. Mayr be¬ trifft, welcher den Referenten für die Versorgung der Waffenfabrik ein volles Lob gespendet hat, muß bestätigt werden, daß sich die Referenten sehr warm um die Waffenfabrik angenommen haben, wenn auch manchmal unter dem Drucke der Arbeiterschaft. Das mag die Waffenfabrik aber mit sich selbst ausmachen. Tatsache aber ist, daß in vielen Belangen die Waffenfabriks angestellten und Arbeiter gegenüber den anderen Stadt bewohnern weit günstiger gestellt waren; nicht nur die Schwerarbeiter sind hierunter zu verstehen, sondern auch alle anderen haben mehr Sachen bekommen, von denen wir überhaupt nichts zu sehen bekamen. Es ist darüber oft eitens des Herrn Vizebürgermeisters Wokral und auch von 9 anderer Seite geklagt worden, ja es ist sogar deswegen zu einer verbitterten Stimmung gekommen. Ich mache tiemanden einen Vorwurf; aber aufreizend war die Behandlung der Stadt Steyr gegenüber anderen Städten gewiß. Besonders arg ist es mit der Fettversorgung. Die Butter aus unseren Umgebungsgemeinden muß zuerst nach Wels gehen, bis sie in ranzigem Zustande wieder nach Steyr kommt. Ebenso schlecht sind wir mit Käse daran. Sogar in Sierning konnte man Käse bekommen tur in Steyr war kein Käse zu finden. Und wie schlecht ieht es mit unserer Mehlversorgung aus. Nach Steyr hickt man stets das schlechteste Mehl; wir sind nicht mstande daraus ein genießbares Brot zu erzeugen. Die Stadt Steyr muß in der Linzer Landesregierung einen erbitterten Feind haben, der die Steyrer so schlecht be¬ andelt. Wir haben ja gehört, drei Millionen Kilogramm Fleisch sind unter Duldung der Referenten nach Wien jegangen. Es wird doch Grund genug vorhanden sein, nit den Referenten unzufrieden zu sein“ Herr Bürgermeister: „Angesprochen wurden von Wien 1,470.000 Kilogramm und geliefert wurden aber drei Millionen Kilogramm“ herr GR. Prof. Erb: „Diese Menge auf unseren Verbrauch von Oberösterreich mit 800.000 Köpfen umgerechnet, ergibt für uns eine wöchentliche Kürzung on ½ Kilogramm. Dabei sind in den 800.000 Ein¬ wohnern Kinder und Selbstversorger inbegriffen, so daß die eigentliche Kopfquote, die wir hätten erhalten können, noch höher zu stellen ist. Das sind Daten, aus denen vohl ersehen werden kann, daß manche Referenten der Landesregierung nichts wert sind und ein Beweis, wie Es Oberösterreich ausgepumpt und mißhandelt wird. darf einem daher nicht Wunder nehmen, wenn die Bevölkerung empört ist, wenn sie hört, daß ihr un¬ berechtigter Weise durch ungesetzliche und preistreiberische Willkür soviel entzogen wurde. Dazu ist unser Bezirk mmer noch mehr ausgeleert worden. Ein Unikum ist ferner, daß man sich in Linz trotz aller Eingaben und Vorstellungen nicht bekehren ließ, daß Steyr 30.000 Einwohner hat. Nein, der Referent bleibt bei seinem bürokratischen Zopf und weil die Volkszählung vom Jahre 1910 16.000 Einwohner in Steyr ausweist, sind in Steyr immer noch 16.000 Ein¬ wohner Herr Bürgermeister: „Allwöchentlich gehen die Be¬ richte über den Stand der Einwohner von Steyr nach Linz und tatsächlich, nach 4 ½ Jahren findet man in Linz noch immer, daß Steyr 16.000 Einwohner hat“ Herr GR. Prof. Erb: „Das ist der Typus eines alt echtösterreichischen bürokratischen Zopfes. Unzählige¬ male hat man sich gegen die bornierte Anschauung ge¬ vendet und jedesmal war es umsonst, die Herren wvaren nicht zu bekehren. Auf dieses Einwohnerverhältnis hat sich auch seinerzeit die Verteilung der Kälber wischen Linz und Steyr aufgebaut Herr Bürgermeister: „Das Verhältnis wurde wie 544:31 genommen“ Herr GR. Prof. Erb: „Nur durch Zufall ist man damals auf diese Kälbergeschichte gekommen, bis sich iner verschnappte. Früher war es unmöglich, die Sache erauszubekommen, wieviel Linz Kälber bekommen hatte Es war ein Geheimnis; so ist es auch mit allen an¬ deren Artikeln. Es ist daher gar nicht verwunderlich, venn man ein tiefes Mißtrauen hegt. Es muß ein ernster Angriff gemacht werden, damit die Sache endlich bereinigt wird Herr Bürgermeister: „Wird zum Dringlichkeits¬ antrage und zu den Zusatzanträgen noch das Wort ge¬ vünscht? Es ist nicht der Fall. Ich erteile Herrn Vize¬ ürgermeister Fendt das Schlußwort“ Herr Vizebürgermeister Fendt: Sehr geehrte Herren! „Ich will mich nur kurz fassen. Herr Vizebürgermeister Wokral hat in seinen Ausführungen gemeint, daß wir mit unserem Antrage eigentlich zu spät kommen und die Anträge bereits überholt sind. Dies verschlägt meines Frachtens durchaus nichts, denn wie die Sache liegt,

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