Gemeinderatsprotokoll vom 7. Februar 1919

3. Sitzung. Rats=Protokoll über die außerordentliche Sitzung des Gemeinderates der l.=f. Stadt Steyr am 7. Februar 1919 um 3 Uhr nachmittags. Tagesordnung: Stellungnahme des Gemeinderates zu den bestehenden Ernährungsschwierigkeiten. Gegenwärtige: Vorsitzender: Herr Bürgermeister Julius Gschaider, die Herren Vizebürgermeister Paul Fendt und Josef Wokral und die Herren Gemeinderäte: Prof. W. Brand, Anton Chalupka, Karl Dediz, Prof. Leopold Erb, Karl Fischer, Ferdinand Gründler, Josef Haidenthaller, Ludwig Karl, Franz Kattner, Franz Kirchberger, Hermann Kletz¬ mayr, Fritz Krottenau, Rudolf Landa, Ignaz Langoth, Karl Mayr, August Mitter, Ludwig Moser, Franz Müller, Franz Nothaft, Hugo Olbrich, Viktor Ortler, Markus Ruckerbauer, Franz Schwertfelner Franz Tri¬ brunner, Adalbert Vogl, Hans Witzany, Karl Wöhrer. Seitens des Stadtamtes: Herr Amtstierarzt Alfred Schopper, Herr Baukommissär Ing. Heinz Treml, Herr Offizial Franz Eder und Herr Wirtschaftsbeamter Karl Wenger. Als Schriftführer: städtischer Protokollführer Karl Ridler. Entschuldigt abwesend die Herren Gemeinderäte: Franz Aigner, Heinrich Bachmayr, Prof. Gregor Gold¬ dacher, Ing. Josef Huber und Ing. Alois Zwicker. Der Herr Vorsitzende begrüßt die erschienenen Herren Gemeinderäte, stellt die Beschlußfähigkeit des Gemeinderates fest und erklärt die Sitzung um 3 Uhr 5 Minuten für eröffnet. Als Beglaubiger dieses Protokolles werden die Herren Gemeinderäte Ludwig Karl und Franz Kirch¬ berger gewählt. Herr Bürgermeister: Meine sehr geehrten Herren! „Ich habe Sie heute zu einer außerordentlichen Sitzung zusammenberufen und zwar über Ersuchen einiger Herren Gemeinderäte. Die Frage der Lebensmittelbeschaffung und ins¬ besondere die Ereignisse, die sich bedauerlicherweise in den letzten Tagen in Linz abgespielt haben, erheischen eine Besprechung unserer Lage, über die Verhältnisse in Stehr und über Maßnahmen, wie diese zu bessern sind. Ich bin daher gerne dem Ersuchen der Herren nach¬ gekommen. Seitens des Herrn Vizebürgermeisters Fendt ist mir folgender Dringlichkeitsantrag zugekommen: Dringlichkeitsantrag des Herrn Vizebürgermeisters Paul Fendt und mehrerer Herren Gemeinderäte zur Ge¬ meinderatssitzung am 7. Februar 1919. Das Land Oberösterreich leidet schon eine ganze Reihe von Jahren an einer Lebensmittelnot, insbesondere sind es die Städte, die am meisten darunter entbehren müssen. War schon während des Krieges das Land Ober¬ österreich eines der besten Beuteobjekte für die gesamte Approvisionierung, so ist es nach dem Kriege nicht viel besser geworden. Zu allen Anlieferungen wird immer das Land Oberösterreich herangezogen und ganz besonders sind die Viehlieferungen so große, daß einzelne Bezirke schon vollkommen entleert sind. Seit Anfang November 1918 ist die prov. Re¬ gierung am Ruder; auch dieser ist es bis jetzt nicht ge¬ lungen, Abhilfe in Oberösterreich zu schaffen. Es wäre aber möglich, bei Aufbringung der not¬ wendigen Energie abzuhelfen. Der Schleichhandel blüht und gedeiht immer mehr nach allen Richtungen hin. Vieh wird nach Salzburg und Bayern über die Grenzen Oberösterreichs und nach Wien ausgeführt. Schweine gehen waggonweise nach Wien; Most wird überall hin verhandelt; insbesonders nach Triest 2c. Milch geht ebenfalls nach Wien; mit Kartoffeln und Butter wird Schleichhandel betrieben. Unter solchen Umständen ist es natürlich, daß wir zu wenig haben und die Preise niemals heruntergehen können. Es darf kein Loch offen gelassen werden, keine Gelegenheit gegeben werden, daß man so ungeniert aus Oberösterreich exportieren kann. Es dürfen die Zen¬ tralen, Viehverwertungsgesellschaften 2c. nichts fort¬ schaffen. Niemand darf aus Oberösterreich etwas hinausbringen, bis nicht das Land selbst genügend ver¬ ehen ist. Erst dann kann die oberösterreichische Landes¬ regierung eventuell eine Ausfuhr bewilligen. Auf diese Art wäre erstens ein Abbau der horrenden Preise möglich und zweitens könnte das Land Oberösterreich genügend mit allen versehen werden.

2 Die Gefertigten stellen daher an den löblichen Gemeinderat die Bitte, der Gemeinderat wolle an die Landesregierung mit dem dringenden Ersuchen heran¬ treten, die gesamten Grenzen Oberösterreichs betreffs Ausfuhr von jedweden Lebensmitteln zu sperren und diesbezüglich die strengste Kontrolle ausüben zu lassen. Gleichzeitig wäre auch an die Städte Linz, Wels, Ur¬ ahr, Ried i. J. und Braunau heranzutreten mit der Bitte, sich diesem Antrage anschließen zu wollen. Desgleichen wäre auch die kommende gesamte Frühjahrsernte nur für das Land Oberösterreich zu verwenden und erst dann, wenn der Bedarf vollkommen jedeckt ist, die überflüssigen Mengen der Ausfuhr zu¬ zuführen Paul Fendt m. p. Ferdinand Gründler m. p. Heinrich Bachmayr m. p. August Mitter m. p. W. Brand m. p. Ing. Josef Huber m. p. Josef Haidenthaller m. p. Franz Kattner m. p. Leopold Erb m. p Der Dringlichkeitsantrag ist durch Unterschriften genügend gestützt und erteile ich Herrn Vizebürgermeister Fendt zur Dringlichkeit das Wort: Herr Vizebürgermeister Fendt: „Ich glaube zur Begründung der Dringlichkeit des Antrages nicht viel Worte verlieren zu dürfen; wir alle wissen, wie es in Oberösterreich und besonders in Steyr mit der Appro¬ visionierung steht und sind uns die Verhältnisse wohl ge¬ nügend bekannt. Die letzten Ereignisse in Linz haben wieder gezeigt, wie es uns ergehen wird, wenn nicht Abhilfe ge¬ chaffen wird. Ueber die Sache selbst zu sprechen, werde ich ja später noch Gelegenheit haben, was aber die Dringlichkeit anbelangt, so glaube ich, daß gewiß alle Herren dieselbe anerkennen werden und bitte ich den Herrn Bürgermeister über die Dringlichkeit des Antrages abstimmen zu lassen“ Her Vorstzender: „Wird zur Dringlichkeit das Wort gewünscht? Wenn nicht, bitte abzustimmen“ Die Dringlichkeit des Antrages wird vom Ge¬ meinderate angenommen Herr Vorsitzender: „Ich erteile Herrn Vize¬ bürgermeister Fendt zum Antrage selbst das Wort Herr Vizebürgermeistrr Fendt: „Zum Antrage elbst kann ich sagen, daß es so, wie es bis jetzt war, nicht mehr weiter gehen kann. Die Zustände, wie sie in Oberösterreich herrschen, sind geradezu entsetzlich. Das Land Oberösterreich war immer und immer eines der besten der Länder in Bezug auf Produktion in Lebens artikeln gewesen, aber das Land Oberösterreich wurde chon während des Krieges ausgesaugt und zu allen Lieferungen besonders für Wien so hergenommen, daß es fast verarmte. Aber auch seit Eintritt der Katastrophe am 1. November 1918, als die Armee in Auflösung begriffen war, die Lieferungen für die Armee eingestellt wurden, erging oder ergeht es dem Lande Oberösterreich nicht besser. Das Land Oberösterreich wurde auch nach dem 1. November 1918 nach allen Richtungen hin zu allen möglichen Lieferungen herangezogen; insbesondere ist es natürlich die Stadt Wien, die kolossal viel ver¬ chlingt von Oberösterreich, andererseits ist es das Land Salzburg, das von Oberösterreich zieht und ist es die Grenze Bayerns über die sehr viel im Schmuggelwege aus Oberösterreich hinausgeht. Nun frägt man sich, wie ist es möglich, daß so vieles aus Oberösterreich hinaus¬ geht? Der größte Fehler liegt in der Landesregierung elbst, da wäre der Hebel anzusetzen. Selbst unsere neue Landesregierung konnte den Zuständen bis heute nicht Herr werden. Der Schleichhandel blüht nach allen Richtungen. Laut authentischen Berichten werden Schweine waggonweise nach Wien befördert, sehr viel Vieh geht nach Salzburg und über die Grenze nach Bayern inaus. Wer diese Ausfuhrbewilligungen erteilt, weiß ch nicht genau; es ist zwar heute in der vormittägigen Wirtschaftsratssitzung gesprochen worden, daß es ein Herr bei der Landesregierung ist, der ganz glatt weg ese Ausfuhrbewilligungen erteilt. (Zwischenruf des Herrn GR. Prof. Erb: So ist es!) Nachdem dieser Herr bei der Landesregierung so viel Macht besitzt, ganz willkürlich Ausfuhrbewilligungen zu erteilen und die Ausfuhrbewilligungen dann zu preistreiberischen Zwecken ausgenützt werden, kann natürlich ein Preisrückgang er Lebensmittel nie stattfinden. Das ist ganz klar; denn sobald sich noch irgend eine Quelle findet, die zu illen möglichen Preisen einkauft, kann der Preis der Artikel nicht heruntergehen. Die Agrarier werden nicht ergehen und den Preis freiwillig heruntersetzen; dies st selbstverständlich. Ich werde ein kleines Beispiel an¬ ühren und greife zurück auf den Monat September. Ein gewisser Dürmaier ist Mühlenbesitzer, Bauer und Einkäufer hauptsächlich für die Viehverwertungsgesell¬ schaft Urfahr. Dieser Mann hat in den Monaten Sep¬ tember und Oktober Preise angeboten, die über den normalen Preis weit hinausgegangen sind. Zu dieser Zeit hat man noch Schweine bekommen um 12, 14 und 5 K per Kilogramm Lebendgewicht; er hat aber damals chon den Leuten 20 K und darüber geboten, so daß mit Hilfe seiner ihm unterstellten weiteren Einkäufer schon n den genannten Monaten des Jahres 1918 der Preis um 5 bis 6 K unter einigen Tagen hinaufgeschraubt wurde. Dieser Dürmaier ist heute noch Einkäufer dieser Viehverwertungsgesellschaft, die waggonweise Schweine nach Wien bringt und außerdem Pöckelfleisch und anderes iach auswärts verführt. Man sagt auch, daß dieser zieferant damals die Quelle der Zufuhr für den Hof var. Der Hofstaat hat natürlich viel gebraucht und amals wurden von Oberösterreich ganz ungeheure Mengen Schweinefleisch nach Wien befördert. Dazu hat ich die Viehverwertungsgesellschaft hergegeben und heute ist es noch genau so, daß die Viehverwertungsgesellschaft Urfahr Schweine in Masse nach Wien exportiert. Wir aben aber auch sichere Nachrichten, daß vom Braunauer Bezirk gleichfalls Schweine in großen Massen nach Wien gehen und ein hiesiger vor kurzem in diesen Bezirk mit Kaufaufträgen abgesandter Einkäufer dagegen nichts ekommen hat, während derselbe die Beobachtung machen konnte, daß in Ried i. J. aus dem Braunauerbezirke waggonweise Schweine nach Wien verfrachtet wurden. Der hiesige Einkäufer hätte nur zu horrenden, den fest¬ gesetzten Höchstpreis weiter übersteigenden Preisen ein¬ aufen können, was aber nicht möglich ist, als die hiesigen Fleischhauer das Schweinefleisch im Detailhandel nicht höher als mit 20 K ausgeben dürfen. Ein sehr großer Teil geht vom Braunauer Bezirk auch nach Salzburg, vo ebenfalls weit den Höchstpreis überragende Preise ezahlt werden. Aus dieser Sachlage wird es klar, daß uins hier die Lebensmittel zu wenig werden. Es ist auch eute vormittags darauf verwiesen worden, welcher Unterschied in den Viehbeständen heute zwischen anderen Bezirken des Landes und den uns zugewiesenen Bezirken besteht. Im Braunauer Bezirke sind die Ställe voll mit Bieh. Unsere Einkäufer bekommen nichts, weil die Be¬ irkshauptmannschaft Braunau nichts herausläßt und unser ohnedies viel viehärmerer Bezirk ist vollständig ausgeräumt und wir bekommen nichts mehr. Warum Weil das Vieh über die Grenze nach Bayern verhandelt und nach Salzburg verschleppt wird. Vielleicht hat Herr Tierarzt Schopper heute hier Gelegenheit, noch darüber zu sprechen, welcher heute vormittags klar und deutlich ausgeführt hat, wie es in der nächsten Nähe und zwar n Großraming, Reichraming und Gaflenz zugeht. Sein Bericht wird sie geradezu in Staunen versetzen. Auf iese von ihm geschilderte Art ist es gleichfalls nicht möglich, daß die Preise heruntergehen. Von Großraming wandern die Ochsen über die Lausa nach Waidhofen und kommen von dort als niederösterreichisches Vieh zu inem bedeutend erhöhten Preise wieder herein. In diesem Ringelspiel liegt aber ein großer Schwindel und eine krasse Preistreiberei. Die Preise gehen statt herunter immer hinauf und andererseits ist die Ausfuhr derartig, daß hier alles zu wenig wird. Dasselbe ist es mit dem Most. Most ist fast nir¬ jends mehr zu bekommen. Die Wirte in der Stadt

haben für Most einen Höchstpreis vorgeschrieben. Ganz recht. Andererseits ist es aber für den Stadtwirt furchtbar chwer, denn wenn der Wirt hinausgeht um Most zu kaufen, bekommt er keinen so billigen Most, um ihn im Rahmen des vorgeschriebenen Höchstpreises in der Stadt verkaufen zu können. Er muß den Most teurer bezahlen als um den Preis, um den er den Most ausschenken oll. Das ist eine unhaltbare Sache. Die Sache wird aber noch verschlimmert, wenn der Wirt überhaupt keinen Most bekommt. Die Landwirte wollen überhaupt keinen Most mehr hergeben, weil er im Schleichhandelsweg zu horrenden Preisen verschleppt wird und massenhaft nach Wien und bewiesenermaßen sogar bis Triest geht. Schauen wir in der Milchfrage. Auch Milch geht eine ganze Menge nach Wien, wovon Herr GR. Kattner ein Lied zu singen weiß. Die Firma Wild & Sohn in Neumarkt=Kalham, die uns täglich 1200 bis 1400 Liter liefern soll, hat uns in letzter Zeit an manchen Tagen nur bis 200 Liter geliefert, was einen täglichen kaum zu ertragenden Ausfall von 1000 bis 1200 Liter gleich¬ kommt. Das sind natürlich Kalamitäten, mit denen einfach nicht weitergearbeitet werden kann. Nur durch die Energie des Herrn GR. Kattner, der selbst in die Gemeinden hinausgefahren ist und auch Dank der Mit¬ hilfe anderer Herren, ist es gelungen, die Milchanliefe rungen zu verbessern Die Milchversorgung ist also für Steyr auch ein Punkt, der uns in Oberösterreich durch die fortwährende Ausfuhr sehr schwer trifft, weil es klar ist, daß es für Familien, besonders mit Kindern und für Kranke von rößter gesundheitsschädlicher Wirkung ist, wenn keine Milch vorhanden ist. In Linz besteht in der Milch¬ versorgung genau dieselbe Notdurft wie hier Diesen Uebelständen ist meines Erachtens dadurch abzuhelfen, daß wir uns eine zeitlang zumindestens gegen ede Ausfuhr absperren und ist diese Maßnahme auch in meinem Antrage zur Durchführung festgelegt. In der eutigen Wirtschaftsratssitzung sind auch bereits Vor¬ schläge erstattet worden, die, wie es scheint, greifbare Formen erhalten haben und auf solche Absperrmaßnahmer hinausgehen. Eine Grenzsperre muß unbedingt erfolgen denn wo noch Hoffnung ist, Lebensmittel im Schleich¬ handel hinauszubringen, wird niemals das erreicht werden, was wir wollen. Es muß Oberösterreich einmal auf sich selber sehen, damit die Bedrängnisse endlich einmal aufhören. Sind wir dann mit dem nötigen ver¬ — das Land ist ja nicht gar so arm, das sieht sehen man ja, weil solche Unmengen von Lebensmitteln aus¬ — dann kann immer noch die geführt werden können Landesregierung verfügen, daß das, was wir nicht un¬ bedingt brauchen, nach Wien oder Salzburg verschickt wird. In erster Linie müssen wir uns selbst schützen, damit die Not nicht zu solchen Katastrophen führt, wie es Linz in den letzten Tagen erlebt hat und wissen wir von heute auf morgen nicht, ob es in Wels und Steyn nicht genau so geht. Es ist daher höchst notwendig, daß wir der Landesregierung unseren Standpunkt nach¬ drücklichst zu verstehen geben. Wenn die Landesregierung znergisch eingreift, wird die Gefahr und die Not im Lande überwunden werden können. Aber in der heutigen Landesregierung sitzen noch dieselben Leute darinnen es ist seither nicht besser geworden, es ist immer noch die alte Statthalterei! Diese ist so gewohnt an das mon¬ archistische System, sie wurstelt immer noch fort, als wie wenn noch der Hof in Wien sitzen würde. Dortbir gehen die Ausfuhren und wir darben und haben kein Fleisch, kein Fett und keine Milch und keinen Most Das was noch aus unserem Bezirk mit Mühe heraus¬ gebracht wird, ist kaum der Rede wert, wenn man das Quantum ansieht, was eine Familie in der Woche be¬ kommt. Das kann man mit einer Hand leicht in den Sack stecken. Es ist in meinem Antrag auch etwas enthalten was gewiß zu beherzigen wäre, das wäre die kommende Ernte. Es wäre ganz gut, sich mit der kommenden Ernte einzudecken. Erst wenn Oberösterreich das hat, 3 was es unbedingt zu seiner ordentlichen Erhaltung braucht, solle das überflüssige ausgegeben werden. Wir wollen gewiß nicht hartherzig sein, aber ich glaube, daß es in erster Linie am Platze ist, daß sich Oberösterreich inmal versorgt. Ich bin auch überzeugt, daß der Schleichhandel nicht mehr so blühen und gedeihen wird. Freilich würden die großen Städte außerhalb Oberöster¬ eich hiedurch getroffen werden, vielleicht auch Salzburg, was zwar bedauerlich ist; ich meine aber in der Gro߬ adt trifft es dann am meisten diejenigen, die uns nicht zu erbarmen brauchen, das sind die Schleichhändler und Preistreiber, die bis jetzt Hunderttausende aus den Aus¬ fuhren aus Oberösterreich verdient haben. Die Agrarier werden sich an niedrige Preise gewöhnen müssen, denn auch diese dürfen sich nicht vorstellen, daß es ewige Zeiten so fort geht und wird ganz bestimmt ein Abbau der Preise kommen müssen. Es muß anders werden es kann doch nicht immer die Butter 60 K per Kilo gramm und mehr kosten. Mit dem Abbau dieser vahnsinnigen Preise muß jetzt ein Anfang gemach werden. Ich glaube Ihnen nun den Zweck des Antrages genügend geschildert zu haben und bitte den Antrag bestens zu unterstützen Herr GR. Prof. Erb: „So oft in der Ernährungs¬ frage hier gesprochen wurde, ist es für Steyr nicht besser geworden und so oft — es muß wiederholt werden — der Stadt Steyr in großen Wirtschaftsrats¬ itzungen, in großen öffentlichen Versammlungen, seien ie in diesem Saale, in einem anderen öffentlichen Saale, oder im Statthaltereisaale Versprechungen ge¬ nacht wurden, wurden diese nicht eingehalten. Deshalb haben wir in Steyr allen Grund erbittert zu ein. Wir haben auch Grund über unsere jetzige Ver¬ orgungslage erbittert zu sein. Man hat aufgeatmet, als im November v. J. ein scheinbarer Anlauf genommen vurde, um mit dem alten System zu brechen und damit gründlich aufzuräumen. Es wird aber heute nicht einer ier sitzen, der sagen kann, es ist aufgeräumt worden; im Gegenteil, es ist schlechter geworden in der Ver¬ orgung als dies früher der Fall war. Schlechter aus bestimmten Gründen. Schlechter weil die Leute, die in der Landesregierung heute das Referat über die Ver¬ sorgung führen, dieselben geblieben sind und noch immer als Referenten in der Landesregierung sitzen. Es herrscht viel Unverstand, manche Parteilichkeit und viel Gleich¬ jültigkeit. Das altösterreichische echt bürokratische System errscht heute noch in der Landesregierung. Die Herren scheinen für die wirklichen Bedürfnisse des Volkes nicht viel Verständnis zu haben, sonst wäre es unmöglich, daß Zustände vorhanden sind, auf die ich noch zu prechen kommen werde, insbesondere in der Vieh¬ verwertung und gegenüber unserer Stadt Steyr Nan hat den Kopf der Landesregierung abgesägt, alles andere ist geblieben. Der ehemalige Statthalter Baron Handel ist weg, der gutmütige, jedenfalls die Sache in das Beste hinüberlenken wollende, aber leider von seinen Untergebenen nicht besonders unterstützte Vizepräsident Graf Thun, kann die Lage trotz bestem Villen nicht meistern, denn die ihm Untergebenen sind infach nicht besser und nicht schlechter geworden als sie varen, als sie ihr Amt angetreten haben. Die Referenten der Landesregierung sind ganz merkwürdig gegenüber Steyr vorgegangen und brauche ich nur an die Kälbergeschichte zu erinnern, wo man Linz in einem Monat fast 600 und „uns nur 30 Kälber jegeben hat, also fast 20 mal soviel. Wir haben oft genug darüber geklagt, daß wir gegen Linz ganz bedeutend zurückgesetzt sind und trotzdem hat es nichts geholfen. Ja selbst in Linz hat man durch ordentliche Versorgungs¬ verhältnisse nicht die Ruhe und Ordnung aufrecht er halten können; das Unheil ist mit seinen beklagens¬ verten Erscheinungen losgebrochen; die Erbitterung der Bevölkerung, die die Wirtschaft dieser Landesregierung insbesondere der Viehverwertung in Urfahr mit ansehen nußte, ist zum Teile begreiflich und zu verstehen.

4 Schon der Herr Vorredner hat über die Vieh¬ verwertungsstelle in Urfahr seine klagende Stimme mit Recht erhoben und man frägt unwillkürlich, wer ist in der Landesregierung der schuldige Teil, daß man in der Viehverwertungsstelle Urfahr eine solche unglaubliche Wirtschaft hat; wo sitzt der Mann, wann wird der Mann zur Verantwortung gezogen, der diese Mißstände in der Viehverwertungsstelle, den massenhaften Ab¬ transport von Vieh und Fleisch nicht nur nicht gesehen, sondern direkt verursacht hat? Der kann nur von der Landesregierung gehalten und gestärkt sein. Ich werde mir später Anträge zu stellen erlauben, die hieraus Bezug nehmen und die Beseitigung der Mißstände und überhaupt aller die mit dem Bestande der Urfahrer Viehverwertungsgesellschaft verknüpft sind, fordern. Die Viehverwerwertungsstelle Urfahr, deren Name aber besser lauten sollte: „Viehverwertungsstelle für ober¬ österreichisches Vieh zum Zwecke des Transportes nach Wien und zur Viehpreistreiberei (Zwischenrufe: „Sehr richtig"!) in Oberösterreich“ privilegiert unter den Augen der Stätthalterei und jetzt unter den Augen der bestehenden Landesregierung und Referenten, hat tat¬ ächlich wöchentlich mehrere Waggon Vieh, Schweine und Fleisch dieser Viehverwertungsstelle aus nach Wien und anderswohin gehen lassen. Ich sage gewiß nichts, ohne die Sache tatsächlich belegen zu können. Tatsache ist ferner, daß Rindvieh und Schweine von der Viehverwertungsstelle Urfahr aus — und nicht das schlechteste — nach Wien geschickt wird und hat man vernehmen können — es klingt ganz unglaublich — daß diese Viehverwertungsstelle das Kilogramm Schweinefleisch im Einkaufe mit 30 K bezahlt hätte. Bei uns in Steyr sollen die Fleisch¬ hauer das Schweinefleisch mit 20 K per Kilogramm verkaufen; dies ist doch ein Zustand, der geradezu himmelschreiend ist. Man hört von allen Seiten Be¬ schuldigungen dieser Biehverwertungsstelle, daß diese estrebt sei, fortgesetzt zu hohen Preisen Vieh und Fleisch nach Wien und anderwärts zu versenden Die Landesregierung muß doch von diesen Zu¬ ständen wissen. Ich frage daher nochmals: Wer ist der Schuldige? Unbegreiflich ist weiters die so verschiedenartige Behandlung der einzelnen Bezirke Oberösterreichs. Man at Orte in denen wöchentliche Fleischquoten von nur 10 bis 20 Dekagramm festgesetzt sind, während beispiels¬ weise in Ried i. J. 70 Dekagramm ausgegeben werder können. Wie hoch aber die Quote dort außer der Stadt ist, läßt sich gar nicht ermessen. Auf der einen Seite gar kein Fleisch, auf unserer Seite eine Quote von 10 Dekagramm und dort wieder eine solche von 70 Dekagramm. Es herrscht im Innviertel in der Fleischanlieferung eine passive Resistenz. Wozu sind nun die Referenten da? Wissen diese nicht dieses Unrecht auszugleichen? Wenn diese nicht die Macht zu einem gerechten Ausgleich haben, so sollen sie andere Leute auf ihre Sitze lassen. Es müssen an diese Stelle praktisch erprobte Fachleute kommen und nicht bürokratische Juristen, die es nicht verstehen Ordnung in diese sonder are Wirtschaft zu bringen. Auch dies wird in meinem Antrage angezogen sein die Absperrung der Grenzen hilft nichts, wenn liemand da ist, der sie durchzuführen versteht. Wir haben zwar heute schon Absperrungsmaßregeln, aber kein Mensch kümmert sich darum. Es muß reiner Tisch gemacht werden Was den Steyrer Bezirk anbelangt, ist dieser durch die Kriegslieferungen vollständig leer geworden. In den Ställen ist nichts mehr als Jungvieh wenige Ochsen die aber zum Zuge unbedingt benötigt werden und einige wenige bessere Kühe. Die anderen Bezirke hatten Kriegs¬ lieferungen, jetzt nicht mehr und frage ich, wo kommt das Vieh jener Bezirke hin, welche seinerzeit Kriegs¬ ieferungen hatten? Warum liefern uns jetzt nicht diese Bezirke Vieh zur Aufbesserung unserer Quote? Die Toleranz der heutigen Landesregierung trägt mit die Schuld an unserem Leiden. Das sind Zustände, die direkt aufreizend sind. Ich bin gewiß kein Freund der Anarchie, kein Freund der Zustände eines teilweisen Faustrechtes, aber wenn sich Zustände entwickeln, wie ie tatsächlich nach meiner Schilderung vorhanden sind o müssen die vorgefallenen Ausbrüche des Unheiles hre tiefe Ursache haben. Die Ursache liegt in erster Linie bei den Behörden selbst und in der Verwaltung unseres Landes, die tatsächlich entweder keinen Willen oder keine Macht haben, ändernd einzugreifen. Das Innviertel soll genug Vieh haben, aber man etraut sich nicht Ansprüche zur ausgleichenden Vieh¬ lieferung durchzusetzen. Es ist ein Jammer, daß jetzt, nach 3 Monaten, seitdem Deutsch=Oesterreich besteht, die Klagen über schlechte und ungleichmäßige Versorgung fortgesetzt zu hören sind und erst seit ganz kurzer Zeit, als das Unglück in Linz geschehen mußte, die Herren n Linz sich zusammensetzten, um endlich einmal zu be¬ chließen, was zu tun sei. Man kommt unwillkürlich zur Frage, muß in Oesterreich zuerst Aufruhr, Zertrümme rung und die Straße sprechen, bevor in den Aemtern einmal zur Tat geschritten wird? Es scheint, daß nur mehr die Straße sich durch die bürokratischen Köpfe durchsetzen kann; jetzt auf einmal kann man in der „Tagespost“ lesen, daß in Linz eine Versammlung von Behörden und praktischen Leuten einberufen wurde und dort energische Beschlüsse gefaßt wurden. Es heißt in den Beschlüssen und im vorliegenden Antrage unter anderen auch „hermetische Schließung der Grenzen Oberösterreichs“ Kontrolle und Uebewachungder Grenzen gegen Ausfuhr durch den Arbeiter= und Soldatenrat Meine Herren! Haben die Herren der Landes¬ regierung diese Kontrolle nicht ausüben können? Jetzt ufen sie das Volk auf, hätten sie lieber früher das Volk kontrollieren lassen, nicht jetzt erst. Ich habe gar lichts dagegen einzuwenden, daß den Ueberwachungs¬ dienst nunmehr der Soldaten= und Arbeiterrat in die Hand nimmt und zu den Wirtschaftsräten der Bezirke und den Amtstagen der Bezirkshauptmannschaften zu¬ gezogen werden. Ganz recht. Das Volk soll im Auf¬ bringungsdienste selbst mitsprechen. Ferner heißt es Neu¬ besetzung der Viehkommissionäre. Dies ist ebenfalls sehr ichtig. Die Referenten über die Fleischversorgung sind ofort mit praktisch erfahrenen Leuten aus dem Volke u umgeben. Die Hauptschuld tragen aber nicht immer die früheren Viehkommissionäre, sondern auch manche Referenten der Landesregierung waren wider sie und örten sie nicht. Ferner heißt es: Bezirke, welche nicht liefern, werden nilitärisch besetzt und auf allen Bahnhöfen genaue Kon¬ trolle geübt ist aber das Bezeichnend bei diesen Beschlüssen eine, daß die Kontrolle gerade bei den Bezirkshaupt¬ nannschaften aufhören soll. Was ist es mit der Kontrolle der Landesregierung und ihren Referenten? Es werden nur die Bezirkshauptleute, die Viehkom¬ nissionäre und die Bezirkswirtschaftsräte als Sünden¬ öcke hingestellt. Warum steht in den Beschlüssen nicht auch: zur Landesregierung sind Arbeiter= und Soldaten¬ räte einzubeziehen und warum steht hier nicht auch in die Landesregierung und zu dem Referenten sind praktisch rfahrene Fachleute aus dem Volke einzubeziehen: Wir müssen verlangen, daß auch die Landesregierung überwacht wird und daß auch dort, wie bei den Be¬ zirkshauptmannschaften Vertreter des Landeskulturrates, der Handels= und Gewerbetreibenden, der Soldaten= und rbeiterräte zugezogen werden, um ein Wort mitzu¬ prechen. Die selbstherrlichen Referenten machten ja immer eine Gnade daraus, wenn sie den Herrn Bürger¬ meister der Stadt Steyr, oder den Reichsratsabgeordneten und andere Herren empfingen und dann lächelnd das Versprechen gaben, daß es besser werden wird. Es ist aber niemals besser geworden. Mit solchen Herren haben wir immer zu verhandeln gehabt.

* Klassisch ist ferner, warum in dieser neu zusammen¬ gesetzten Landeskommission die Stadt Steyr wiederum nicht vertreten ist □ Herr Bürgermeister: „In der Zeitung ist die Wiedergabe nicht vollständig. Ich habe heute von einem Teilnehmer an der Landeskonferenz selbst vernommen, daß die Bürgermeister von Linz, Steyr und Wels als Vertreter dieser Städte namhaft gemacht werden können“. Herr GR. Prof. Erb: „Das ist mir zu wenig. Steyr muß unbedingt mit drei sitz= und stimmberechtigten Mitgliedern, gewählt von der Stadt, vertreten sein. Die Stadt Steyr ist von so hervorragender Bedeutung und Größe, daß sie zumindestens auf diese Anzahl Vertreter Anspruch hat. Wir können uns mit nur einem Vertreter, wenn er wirklich zugesprochen worden sein sollte nicht abspeisen lassen. Ich muß also meiner Unzufriedenheit Ausdruck geben, daß die Stadt Steyr nicht erwähnt ist uind kann mich nur an das halten, was offiziell ver¬ öffentlicht ist. Alle diese Verhältnisse sind in den letzten Jahren unzähligemale geschildert worden und zwar in Anwesenheit von fast allen Vertretern der damaligen Statthalterei und den Referenten, wie in späterer Zeit der heutigen Landesregierung. Es ist aber um gar nichts besser ge¬ worden. Und das alles soll sich das Volk weiter bieten lassen, weil die Herren Referenten der Landesregierung Vernunftsgründen bezüglich Steyr kaum zugänglich sind. Die Beschlüsse der Landeskommission sind viel zu zahm ind hören dort auf, wo sie eigentlich anfangen sollen Es muß gefordert werden, daß die Referenten über die Zeit vom 1. November 1918 an genauen Bericht erstatten, was in ihren Referaten geschehen ist, wieviel und welches Vieh und Fleisch seit dieser Zeit an von der Viehverwertungsstelle Urfahr aus nach Wien und onst wohin verschickt wurde und was für Preise sie verlangt hat, damit man auf die Versendungen dieser Viehverwertungsstelle Urfahr, über die unglaubliche Ge¬ rüchte verbreitet sind, kommt. Deshalb stelle ich folgende Anträge Der Landesregierung sind nachstehende Forderungen vorzulegen 1. In die erwähnte Landeskommission sind auch drei Vertreter der Stadt Steyr mit Sitz und Stimme einzubeziehen 2. Die Referenten über die Versorgung in Ober¬ österreich in der Landesregierung sind durch praktisch erfahrene Leute aus dem Volke zu ersetzen. 3. Die Wiener Abteilung der Viehverwertungsstelle in Urfahr ist sofort aufzuheben. genaue 4. Die Viehverkehrsstelle in Urfahr hat Ausweise über Menge und Preis des nach Wien und andere Orte außer Oberösterreich gelieferten Viehes ind Fleisch gewissenhaft der oberösterreichischen Landes¬ regierung und der Oeffentlichkeit ab 1. November und bis auf weiteres zu erstatten 5. Sämtlichen Referenten der Landesregierung sind ge¬ jewissenhafte Fachmänner zur Beratung zur seite zu stellen. Wenn diese Punkte angenommen werden und die Sache so angepackt wird können wir Hoffnung haben. daß es besser werden wird. Daß in der Fleischversorgung der Fehler in der Zentrale in Linz liegt, darin wird nir auch der Herr Stadttierarzt Recht geben. Alle jemachten Versuche, das Treiben der Wiener Abteilung er Viehverwertungsstelle Urfahr einzudämmen, sind an den Referenten gescheitert. Wenn wir zu einen Sessel n der Linzer Statthalterei gesprochen hätten, wäre der Erfolg für Steyr ebenso gewesen, als bei so manchen Referenten. Es muß uns endlich die Geduld reißen mit Herren zu verkehren, deren Fähigkeiten oder Wille die Ver¬ orgung des Landes Oberösterreich und Steyrs nich essern können. Es müssen energische Schritte zur Behebung der Not unternommen werden, wenn wir nicht Dinge er¬ eben wollen, die sehr bedauerlich wären. Darum fort mit den Ursachen allen Uebels. 5 Ich will mich in andere Kapitel gar nicht einlassen, weil wir es in erster Linie mit der Fleischversorgung zu tun haben. Es ist in anderen Bezugsartikeln auch nicht besser. Ich sehe es gar nicht ein, daß zur Milchversorgung ein eigener Referent in der Landesregierung sitzen muß, weil er obendrein ganz umsonst ist und in dieser Ver¬ orgung nichts geschieht. So ist es auch mit Fett und eradezu höhnisch mutet die Durchführung der Most¬ versorgung an. Hunderte von Hektolitern Most gehen über unsere Grenzen und dabei hatten wir eine „Most¬ verteilungsstelle“ und Ausfuhrscheine in Oberösterreich! Wir hatten eine Bescheinigungsstelle für Most, haben Bestimmungen über Ausfuhr und über Höchstpreise des Mostes. Aber rein gar nichts geschah, um diese Be¬ timmungen auch durchzuführen. Manche Referenten werden unnütz, doch ihrem eigentlichen Amte vollständig entzogen. Was sind in diesen verschiedenen Bedarfsartikeln ür eine Unzahl von Eingaben und Beschwerden ge¬ macht worden, geholfen haben sie gar nichts. Wenn man bei einer solchen Wirtschaft nicht die Geduld verliert, müßte man der reinste Engel sein. Ich glaube das gesagt zu haben, was jeder von uns fühlt und bitte deshalb aus diesem Gefühle und in Ueberlegung der Sache meine Anträge anzunehmen; venigstens kann man sagen, der Steyrer Gemeinderat at wiederum die Sache an der richtigen Stelle angepackt. Herr GN. Mayr: „Ich erlaube mir auf die Aus¬ führungen des Herrn GR. Prof. Erb zu erwidern, daß ich die Referentenwirtschaft in der Statthalterei nach meinen im Laufe der letzten Zeit gesammelten Er¬ ahrungen ganz anders darstellt. Die Verpflegung der Waffenfabrik, die eine Menge von 13.000 Köpfen umfaßte, wurde nur durch das vernünftige Eingehen der Referenten auf unsere Wünsche ermöglicht, denen ich auch Bitten und Beschwerden anschlossen. Ich glaube nicht, daß den Herren Referenten die ganze Schuld aufzuhalsen ist, wenn es soweit fehlt wie es jetzt fehlt. Ich glaube gerne, daß es den Referenten an Macht gefehlt hat, weil sie besonders in der Jetztzeit durch Verordnungen der Wiener Regierung gebunden waren und daher nicht nach ihrem eigenen Ermessen für das Land eingreifen konnten. Was nützen dem Referenten alle möglichen Erhebungen und Konstatierungen, wenn nan ihm nachher von Wien aus anders diktiert. Darin iegt der Fehler. Ich fühle mich daher verpflichtet und berufen, die Referenten von hier aus in öffentlicher Sitzung in Schutz zu nehmen. (Zwischenrufe des Herrn BR. Prof. Erb: Begünstigung der Waffenfabrik. Vizebürgermeister Fendt: Auf unsere Kosten!) Die teferenten sind immer ihren Pflichten nachgekommen. Ich glaube daher, daß die Anträge dahin ergänzt werden ollen, daß die Referenten nicht auf einmal zu verschwinden hätten, da dadurch erst recht ein Chaos in der Or¬ anisation und der Leitung der Landesregierung ent¬ stehen müßte und es auch 10 mal schlechter werden vürde“ Herr GR. Pröf. Brand: „Ich glaube nicht, daß der Gemeinderat die Möglichkeit besitzt, zu verursachen, daß diese Herren Referenten verschwinden, sondern es wäre im Nationalrat des Staates für Herrn GR. Prof. Erb Gelegenheit gewesen, dort Klage zu ühren und der Staatsverwaltung die Zustände vor Augen zu führen. Diese wäre im Stande gewesen, die Referenten an ihre Pflichten zu erinnern und der Statt¬ halterei nahe zu legen, mit dieser Gesellschaft einmal abzufahren. Wir in Steyr müssen daher schon höher als nur an die Landesregierung greifen, weil es bei ieser zu keinem Erfolg führen wird Herr GR. Vogl: „Die ganze Kritisierug über die Versorgung usw., soweit sie Steyr betrifft, geht auf nichts als auf die Gewerberettung hinaus, und kann durchaus nicht gesagt werden, daß in Steyr im Verkehr mit Lebensmitteln Ordnung herrscht. So ist vor Kurzem bei Steyr eine Hochzeit gefeiert worden, bei welcher weißes Gebäck geboten wurde, das in Steyr gebacken

6 worden sein soll. Es besteht bei allen Väckereien eine Schlamastik. Auch bei den Kohlenhändlern ist es so. Es ist vorgekommen, daß den Kunden, wenn sie vormittags um Kohlen kamen, gesagt wurde, es werden keine Kohlen ausgegeben und am Nachmittag konnte man ehen, daß Kohlen vom Kohlenhändler kübelweise weggeschleppt wurden. Das sind Moglereien und so ist es bei jedem Geschäft. Ich möchte daher heute einen Antrag, den der Arbeiter= und Soldatenrat eingebracht hat, unterbreiten“ Redner beginnt den Antrag zu verlesen. Derselbe behandelt die Bestellung von Arbeiter= und Soldaten¬ räten als Abgeordnete in den städtischen Wirtschaftsrat mit Sitz und Stimme Herr Bürgermeister: „Gelegentlich der Angelobung der Volkswehr wurde mir ein Memorandum übergeben welches diesen Antrag behandelt und habe ich dasselbe auch der Landesregierung vorgelegt. Auch heute wurde im Wirtschaftsrate diese Frage ausgesprochen und ist auch schon von der Landesregierung die Bestätigung bzw. Genehmigung der Zuziehung je eines Soldatenrates und Arbeiterrates mit Sitz und Stimme in den Wirt¬ somit erledigt chaftsrat erfolgt, sodaß der Antrag erscheint“ Herr Vizebürgermeister Fendt: „Ich bin mit den Ausführungen des Herrn Prof. Erb vollkommen ein¬ verstanden. Herr GR. Mayr hat vorerst angezogen, daß er mit der Arbeit und Tätigkeit der Referenten bei der Landesregierung sehr zufrieden ist. Es ist gewiß ein schönes Zeugnis, was Herr GR. Mayr den Herren ausgestellt hat; ich glaube auch, daß es so gewesen ist und ist es klar, daß die Waffenfabrik als ein so wichtiger Faktor besonders während des Krieges bevorzugt wurde. Ich muß aber Herrn GR. Mayr erwidern, daß dies leider auf unsere Kosten geschehen ist. Unter der bestandenen Doppelversorgung hat die Stadt am meisten gelitten; ch weiß ganz genau, daß Herr Bürgermeister sich mehrmals gegen diese gewendet und eine einheit¬ liche Versorgung angestrebt hat, die aber nicht zustande jekommen ist und so ist es in der Natur der Sache gelegen, daß ein Teil der Bevölkerung bedeutend besser in der Versorgung abgeschnitten hat. Zu meinen ersten Ausführungen möchte ich noch anfügen, daß nachgewiesen wurde, daß in den Stallungen von Oekonomen des Innviertels, welche 60 bis 70 Joch Grund besitzen, heute noch 40 bis 45 Stück Rinder im Stalle stehen, während in unserem Bezirke bei Bauern mit ebensoviel Grundbesitz im strengsten Falle nur mehr 7 bis 8 Stück Rindvieh zu finden ist, daß also die Differenz eine ganz krasse ist und man daraus ganz deutlich ersieht, wie ungleich die Behandlung der ver¬ schiedenen Bezirke war“ Herr GReTribrunner: „Herr GR. Prof. Erb hat die Schuldfrage an den heutigen Verhältnissen aufge¬ worfen und nachzuweisen versucht, daß nur von oben aus alle Fehler geschehen sind, ich glaube, daß auch von unten herauf Fehler vorliegen und die Ursachen derselben zu erforschen gut wäre. Es wäre angezeigt, daß Herr Tierarzt Schopper hier seinen vormittags im Wirtschaftsrate erstatteten Bericht wiederholt, da er sagte, daß einzelne Gemeinden in unserem Landbezirke ganz und gar versagten, z. B. Gaflenz, Großraming und Reichraming. Dort soll es Vieh zum Verhandeln enug geben und wir müssen uns mit 20 Dekagramm die Woche — und die bekommt man nicht immer begnügen. Daß in diesen Gemeinden solche Zwischen¬ händel vorkommen, kann doch nur an der Bezirks¬ hauptmannschaft liegen. Es ist eben schon seinerzeit darauf hingewiesen worden, daß zwischen der Bezirks¬ hauptmannschaft Steyr und der Stadt Steyr nicht das richtige Einvernehmen besteht und es nie möglich war, von der Bezirkshauptmannschaft das zu erreichen, was die Stadt zu fordern berechtigt war; andererseits hat die Bezirkshauptmannschaft die Schuld wieder an die Stadigemeinde geschoben. Der während der Kriegszeit vorgenommene Wechsel in der Leitung der Bezirkshauptmannschaft hat auch eine Besserung gebracht. Gegenwärtig ist wieder ein Wechsel in der Leitung der Bezirkshauptmannschaft ein¬ getreten. Man sollte diesen Anlaß nicht vorübergehen assen, um dem neuen Leiter der Bezirkshauptmann¬ schaft auf die vorgeschilderten Vorgänge aufmerksam zu nachen und zu sagen, wenn in derselben Gleichgültigkeit veitergearbeitet wird, dann wird die Schuld an allen die Bezirkshauptmannschaft treffen. Es wäre gut, wenn Herr Tierarzt seinen vormittägigen Bericht wiederholen würde Herr Vizebürgermeister Wokral: „Ich glaube wir sind mit unserer Beratung etwas zu spät gekommen, da bereits von verschiedenen Stellen aus früher Vorschläge emacht und auch bereits, was rühmlich hervorzuheben ist, der Steyrer Arbeiter= und Soldatenrat bahnbrechend durch sein Wirken in der Landeskonferenz gewirkt hat Dieser hat aber auch schon vor etlichen Wochen auf eigene Faust sich mit Bezirksvertretern und Vertretern der Landwirtschaft zusammengefunden, um in gemein¬ amer Beratung die Versorgung der Stadt Steyr mit Lebensmitteln zu ermöglichen. Dieser Kommission ist auch die Eingabe entsprungen, die Herr GR. Vogl ver¬ lesen hat und denke ich, wenn alles durchgeführt wird was die Konferenz beschlossen hat, so wird es auch besser werden. In der Landeskonferenz ist, soweit ich unterrichtet bin, auch über die Tätigkeit der Referenten Gericht gehalten worden und sind Fälle aufgedeckt worden, die bedingen, daß die Leute nicht mehr in ihren Funk ionen behalten werden können. Es ist ganz klar, daß der Statthaltereirat Hopf, der die Ausfuhrbewilligungen illein und ohne Kontrolle (Zwischenruf: Unglaublich! und ohne daß das Präsidium nur eine Ahnung davon gehabt hat, gegeben hat, beseitigt werden muß. Es ist auch in dieser Konferenz verlangt worden, daß in Zu¬ kunft absolut nicht mehr gestattet werden darf, daß Er¬ leilungen von Bewilligungen jeder Art nur in der Hand eines einzelnen Beamten liegen. Durch die erteilten lusfuhrbewilligungen ist es gekommen, daß der Schleich¬ handel möglich war und ein Teil der beschlagnahmten Waren wieder zurückgegeben wurde Wenn ich mir verspreche, daß sich nun doch die Zustände bessern werden, so gründe ich dieses Vertrauen arauf, daß sich in der Landesregierung eine gründliche teinigung vollzieht und die Kommission aus Vertretern der politischen Behörden, aus Vertretern der Landwirte aus Städtevertretern und aus Vertretern der Arbeiter¬ und Soldatenräte, die alle direkt unter den Verhältnissen zu leiden haben, auch tatsächlich etwas leisten wird. Im übrigen ist aber unser Dringlichkeitsantrag überholt worden. Allerdings bestehen noch eine Reihe von Dingen zu besprechen, wie sie Herr GR. Prof. Erb in seinen Anträgen niedergelegt hat und hätte ich noch einen Zusatzantrag zu stellen, welcher sich auf die Zuziehung von Vertretern der Wirtschaftsvereinigungen Fest¬ besoldeter in den städtischen Wirtschaftsrat mit Sitz und Stimme bezieht. Das Sitz= und Stimmrecht der Ver¬ treter des Arbeiter= und Soldatenrates im städtischen Wirtschaftsrate ist bereits geregelt. Im städtischen Wirt¬ chaftsrate ist es seit längerer Zeit Gepflogenheit, Ver¬ treter verschiedener Gruppen von Verbrauchern beizu¬ iehen, ohne jedoch denselben Stimmrecht zu gewähren Das wiederholt gestellte Verlangen auf Stimmrecht dieser Gruppenvertreter wurde jedoch mehrmals mit dem Hinweits abgelehnt, daß die Bestimmungen über die Rechte der Mitglieder des Wirtschaftsrates schon bei dessen Gründung festgelegt wurden und der erweiterte Wirtschaftsrat nur eine beratende Organisation sein soll. Nun ist aber das Eis gebrochen. Die Landes egierung hat eine andere Stellung genommen und elbst erklärt, daß der städtische Wirtschaftsrat nicht nur aus Vertretern der Gemeinde bestehen soll, sondern daß auch anderen Vertretern der Verbrauchergruppen Sitz und Stimmrecht erteilt werden kann

Es lautet daher mein Antrag: Der Gemeindewirt¬ schaftsrat der Stadt Steyr soll im Sinne des Punktes 1 der bei der Landesregierung am 6. Februar 1919 stattge fundenen Konferenz, betreffend die Lebensmittelversorgung, in folgender Weise zusammengesetzt bzw. erweitert werden: . Aus den bisherigen 10 Vertretern des Gemeinde¬ rates 2. Je einem Vertreter der Fleischhauergenossenschaft Handelsgremiums und der Gastwirtegenossenschaft. des 3. Ein Vertreter der Festbesoldeten und 4. ein Vertreter der Frauen. Alle diese Mitglieder des Wirtschaftsrates haben — und Stimmrecht. Sitz Dem Wirtschaftsrate steht es frei, von Zeit zu zu seinen Beratungen Experten mit beratender Zeit Stimme einzuladen In der Praxis wird eigentlich an dem Bestande des heutigen Gemeindewirtschaftsrates nichts geändert. Es bestand in unserem Wirtschaftsrate stets eine gewisse Uebereinstimmung mit dem Gemeinderate und kann ich mich nicht erinnern, daß einmal der Fall eingetreten wäre, daß irgend etwas beschlossen worden wäre, was interher von Vertretern der Gemeinde abgeänder oder überhaupt eine Ablehnung fand wurde, Ich glaube auch, daß es uns heute nichts nützen wird, wenn wir die Landesregierung anklagen (Zwischen¬ ruf: Schriftlich nicht!) und wird die Landesregierung icherlich Widerstand entgegensetzen. Der Widerstand wird nicht offen, sondern ein versteckter sein. Es fehlt vielleicht bei der Landesregierung nicht so sehr an gutem Willen, als an der nötigen Kraft, um energisch anzufassen, um ja den Produzenten nicht wehe zu tun. Mir fällt es durchaus nicht ein, die Fehler der Landesregierung zu verschleiern und zu verdunkeln. Wenn die Landesregierung mit dem nötigen Ernst an die Abhilfe geschritten wäre und auf die Stimme des Volkes gehört hätte, wäre es zu den bedauerlichen Formen der Unwillensäußerung bisher nicht gekommen s wird uns nicht genügen können, die Referenten zu beseitigen, sondern es müssen auch von der Landes¬ regierung bis herunter in die Gemeindestube gründliche Reformen geschaffen werden. Wir haben ja auch Ver¬ treter der Landgemeinden gehört, die sagten, für uns gibt es kein Gesetz, wir brauchen nichts zu liefern. Auch da muß dafür gesorgt werden, daß diese Vertreter durch andere Leute mit mehr Solidaritätsgefühl ersetzt werden Nicht nur nach oben, auch nach unten, die ganze Stufen¬ leiter muß eine Aenderung erfahren und müssen den künftigen Vertretern dieser Gruppe Fachleute beigegeben werden“ Herr Bürgermeister: „Bezüglich des Antrages des Herrn GR. Prof. Erb muß ich erwähnen, daß derselbe einen Antrag, betreffend Ersetzung der Referenten über ie Versorgung in Oberösterreich, dahin abgeändert hat, usw. daß es heißt: Unfähigen Referenten ....... Ich werde den Antrag des Herrn GR. Prof. Erb und Zusatzanträge zum Vigebürgermeisters Wokral als Dringlichkeitsantrage behandeln err GR. Prof. Brand: „Es sollte in jeder Ge¬ meinde ein sogenannter Viehkataster aufliegen, woraus man jederzeit den tatsächlichen Viehstand ersehen kann. Einen solchen Viehkataster haben wir aber nicht, infolge¬ dessen kann man gar keine Uebersicht bekommen unt auch keine Kontrolle ausüben. Es wäre daher auch bei Vorhandensein eines solchen Viehkatasters nicht vorge kommen, daß ein Bauernhaus während der ganzer vier Kriegsjahre nur 2 Stück Rinder abgeliefert hat“ Herr Bürgermeister: „Ich ersuche Herrn GR. Vogl den Namen des betreffenden Bäckers zu nennen, der zur erwähnten Hochzeit die Semmeln geliefert hat, damit gegen denselben eingeschritten werden kann Herr GR. Vogl: „Bis jetzt kann ich den Namen noch nicht nennen, weil ich mich noch genauer und ver¬ läßlich erkundigen muß, um den Nachweis zu erbringen; sobald der Name sichergestellt ist, werde ich das Mate riale bekanntgeben“. 7 Herr GR. Kletzmayr: „Im Punkte Ernährungs¬ ragen möchte ich mir auch eine Bemerkung erlauben. Wenn wir heute von Herrn GR. Prof. Erb gehört haben, daß z. B. bezüglich der Schweine trotz der Fest¬ etzung der Höchstpreise in Linz von der Viehverwertungs¬ gesellschaft die Preise hinaufgeschraubt wurden, die Landes¬ regierung gegen diese Höchstpreisüberschreitungen keine andhabe besessen hat, kann ich nicht begreifen. Zwischenruf des Herrn Vizebürgermeisters Fendt: Wir auch nicht!) Wir könnten ja auch in Steyr genug Schweine haben, wenn wir höheren Preis bezahlen würden. Es hat doch gar keinen Wert, wenn die Landes¬ egierung ihre Verordnung nur zu Papier bringt, ohne ie überall zur Durchführung zu bringen. Die Landes¬ regierung muß zuerst das durchführen, was sie dem Volke auferlegt, erst dann kann sie verlangen, daß auch das Volk ihre Vorschriften einhält. Wir könnten in inserem Wirtschaftsverein leicht Schweinefleisch ausgeben, hätten aber bei Ausgabe desselben zu dem gebotenen Einkausspreis sofort zu gewärtigen, angezeigt und bestraft zu werden. Was die Ausführungen zum Dringlichkeitsantrage bezüglich der Absperrung der Grenzen betrifft, so stimmen dieselben mit unseren An ichten überein und ist es wirklich Zeit, daß endlich der Mißwirtschaft des Schleichhandels in Oberösterreich ein Ende bereitet wird. Es steht zu befürchten, daß die im Zuge befindliche Vereinbarung zwischen Oberösterreich und Italien wegen Einfuhr von Produkten zur Volks¬ rnährung durch die Wiener Regierung unterbunden wird. Wenn die Lebensmittelversorgung nicht bald eine Besserung erfährt, werden wir auf unsere eigenen Kosten ind auf eigenes Risiko entsprechende Lebensmittelprodukte zur Einfuhr bringen müssen Zum Antrage des Herrn Vizebürgermeisters Wokral nöchte ich ersuchen, daß auch unser Wirtschaftsverein, der einer die meisten Mitglieder besitzt, einen Vertreter mit Sitz und Stimme im städtischen Wirtschaftsrate erhält. Wir glauben umsomehr zu diesem Wunsche be¬ echtigt zu sein, als wir während des ganzen Krieges sehr viel in der Approvisionierung geleistet haben“ Herr Vizebürgermeister Wokral: „Mein Antrag aut sich auf den Grundsatz auf, daß die Gruppe der der Ver¬ Festbesoldeten, wie alle einzelnen Schichten braucher je einen Vertreter bekommen sollen“ Herr GR. Witzany: „Bezüglich der von Herrn GR. Kletzmayr angeführten Einfuhr von Lebensmitteln auf Kosten Oberösterreichs, wobei Holz als Kompensation egeben werden soll, muß ich bemerken, daß diese Aktion aran gescheitert ist, daß dieses Holz nicht allein Eigentum von Oberösterreich, sondern Eigentum der ehemaligen taatlichen Vereinigung ist. Auch der Plan der Mischung des Ententemehles mit unserem einheimischen Mehl und dieses sodann um 4 K per Kilogramm zum Verkaufe u bringen, muß aus diesen Rücksichten fallen. Ich teile die Ansicht des Herrn Vizebürgermeisters Wokral, heute über die Schuldfrage nicht mehr zu sprechen, sondern in dafür, daß jetzt energisch angegriffen wird, weil die Sünden, die in diesen fünf Jahren geschehen sind, sich urch die Aufrollung der Schuldfragen nicht mehr be¬ heben lassen. Nur jetzt keine Saumseligkeit mehr, sondern nergisch angreifen. Die Verfügung, daß Hochzeits= und Leichenschmause mit 200 K Geldstrafe oder 14 Tage Arrest bestraft werden, finde ich viel zu milde. Ueber ine Geldstrafe von 200 K lacht ein Bauer. Ich würde arauf dringen, daß diese Leute wegen solchen Ueber¬ retungen nur eingesperrt würden. Nichts fürchtet der Bauer mehr, als das Einsperren. Mit dem Fleischbestande st es gar nicht mehr so arg, bloß hier in der Stadt st keines zu bekommen. In Waldneukirchen hat man soviel Fleisch, daß die Leute gar nicht soviel Geld haben, um das Fleisch aufkaufen zu können. Daß zu uns kein Fleisch kommt, scheint eine planmäßige Untergrabung der Stadtbevölkerung zu sein. Man muß tabula rass machen, so kann die Geschichte nicht weiter gehen, sonst wird das ganze deutsche Volk verelenden. Das muß schließlich auch der deutsche Bauer, der doch

8 auch zum deutschen Volke gehört, einsehen und darnach handeln“ Herr Bürgermeister: „Ich kann hier eine interessante Mitteilung machen. Bekanntlich haben wir uns seit langer Zeit geplagt, Kartoffeln zu erhalten, ohne einen Erfolg zu erzielen. Die neu zusammengesetzte Kommission hat es bereits zuwege gebracht, daß von den Gemeinden Kartoffel¬ anlieferungen geschehen. So hat sich die kleine Gemeinde Gleink bereits bereit erklärt, freiwillig 8000 Kilogramm Kartoffeln zu liefern, welche auch schon eingetroffen sind Die anderen Gemeinden werden diesem Beispiele folgen und wir erwarten von allen Gemeinden zusammer 14 Waggon Kartoffeln. In ganz Oberösterreich dürften über 300 Waggon Kartoffeln zusammenkommen, womit die Bevölkerung über die größte Not hinwegkommt Herr GR. Tribrunner: „Angesichts der trostlosen Lage in der Fleischversorgung ersuche ich nochmals, daß Herr Amtstierarzt Schopper seinen vormittags erstatteten Bericht hier in öffentlicher Sitzung wiederholt“. Herr Bürgermeister: „Ich möchte fragen, ob es angenehm ist, wenn vorerst über den Dringlichkeits¬ antrag und die Zusatzanträge abgestimmt wird und dann erst die hier anwesenden Referenten der Stadtämter ihre Berichte erstatten“ err GR. Kirchberger: „Ich möchte wünschen, daß die Referenten vor der Abstimmung gehört werden, weil sich aus deren Berichte noch Zusatzanträge ergeben können“ Herr Bürgermeister ersucht Herrn Amtstierarzt Schopper seinen Bericht zu erstatten. Herr Amtstierarzt Schopper: „In den letzten zwei Wochen ist die Fleischanlieferung eine derart geringe ge¬ worden, daß die Fleischquote auf 20 Dekagramm herab¬ gesetzt werden mußte. Speziell in dieser Woche ist die Anlieferung noch tiefer gesunken. Dies ist zu einer Zeit geschehen, wo innerhalb des Bezirkes Steyr=Land zu Gaflenz seitens eines ehemals legitimierten Vieheinkäufers 20 Prima Ochsen geschlachtet wurden, die angeblich aus Niederösterreich stammen. Meines Dafürhaltens dürfte dies nicht richtig sein, sondern ich vermute, daß es sich um ein auf Umwegen von Großraming über die Lausa nach Niederösterreich und von dort als niederöster¬ reichisches Vieh wieder nach Oberösterreich gebrachtes Vieh handelt. Es ist nicht anzunehmen, daß die an¬ grenzenden Bezirke Niederösterreichs tatsächlich soviel Ueberschuß an Vieh hätten und spielen auch die Preise von 14 K per Kilogramm für die Richtigkeit der An¬ nahme, daß es sich um einen Schleichhandel dreht, eine Rolle. Tatsache ist ferner, daß die Gemeinde Gaflen seit 14 Tagen ihre Anlieferungen vollkommen eingestellt hat. Gaflenz hat mit der Einstellung der Lieferung be¬ gonnen und die anderen Gemeinden folgen diesem Bei¬ piele nach. Ich habe mich dieserhalb an die Bezirks¬ hauptmannschaft gewendet, dort jedoch keinen Rückhalt gefunden, den ich brauchen würde, um das Vieh zwangs¬ weise abzunehmen. Es wurde von mir auch verlangt, daß dem Schleichhandel ernstlich zu begegnen sei, anderer¬ eits solle der Fehlbetrag an Rindern durch Anlieferung von Schweinen gedeckt werden Die Ursache der geringen Anlieferung ist in erster Linie der Verfall des Viehstandes im ganzen Bezirk mit dem wir verkettet sind. Es wurde uns zwar ein Teil des Kirchdorfer Bezirkes zugewiesen, welcher Bezirk auch tatsächlich in der Lage ist, abzuliefern und der auch eine Lieferungspflicht restlos erfüllt hat. Eine weitere Ursache des Rückganges der Anlieferungen ist in dem Mangel an Pflichtgefühl seitens der legitimierten Ein¬ käufer zu suchen, die heute nicht mehr fürchten, einrücken zu müssen und denen der Viehaufbringungsdienst viel zu beschwerlich ist. Die Einkäufer führen ihr Geschäft nicht mehr zweckmäßig und nach den erteilten Vor¬ chriften durch. Der dritte Punkt ist, daß die Produ¬ enten die Freigabe des Viehhandels erzwingen wollen. Nicht zuletzt haben die Manipulationen am Urfahrer Markte und in der Viehverwertungsstelle dazu beige ragen (Zwischenruf: Das glauben wir!), das Bewußt¬ ein der Lieferungspflicht an die Stadt hintanzusetzen derr GR. Prof. Erb hat die Frage aufgeworfen, wieviel Fleisch nach Wien von der Viehverwertungsstelle abge¬ liefert wurde. Ich kann berichten, daß die Menge in den Monaten September und Oktober drei Millionen Kilogramm betrug. (Zwischenrufe: Heiliger Gott! Un¬ glaublich, gemein! Es ist dies ein schwerer Eingriff in die unszu¬ tehende Anlieferung und in unsere Viehbestände. Die Landwirte des Inn= und Mühlviertels rechtfertigen ihre Weigerung der Lieferung damit, daß sie sagen, sie haben nur Zuchtvieh. Ich glaube, daß die Situation heute so st, daß diese Rücksicht nicht mehr stichhältig ist und auf ämtliche Bezirke gleichmäßig zu greifen ist. Früher wurden aus Oberösterreich an die Armee monatlich bis 3 Millionen Kilogramm geliefert, welche Anliefe¬ ung nun entfällt und vollkommen hinreichen würde um uns eine Fleischquote in genügender Menge zu ichern“. Herr GR. Karl: „Ich möchte in der Mostangelegenheit einige sehr ernste Worte sprechen und kann sie ver¬ sichern, daß die Gastwirte in Steyr in der nächsten zeit gezwungen sein werden, ihre Betriebe vollständig zu sperren und zwar deshalb, weil sie in den gegen¬ värtigen Verhältnissen nicht mehr weiter arbeiten können. Die Wirte sollen den Most zum Höchstpreise verkaufen, erhalten ihn aber nur über denselben angeboten. Es oll von mir nicht abgeleugnet werden, daß die Most¬ preise in den Gasthäusern heute höher als der Höchst¬ reis sind; die Gastwirte sind aber zu diesem Preise gezwungen und trotzdem die Gastwirtegenossenschaft schon im Oktober eine Eingabe wegen Einstellung der Aus¬ uhr des Mostes einbrachte, hat dieselbe bis heute noch keine Erledigung gefunden. Es ist höchst notwendig, daß auch hier durch Mitwirkung des Arbeiter= und Soldaten¬ rates den Schleichhändlern an den Leib gerückt wird. ch kann sie versichern, daß man auch in Steyr olche kritische Momente aufweisen wird können wie in Linz, wenn die Masse des Volkes vor die Tatsache ge¬ tellt wird, daß das einzig zur Verfügung stehende Ge¬ tränk dem Verkehr entzogen und die Gastwirte sperren nüßten. Was nützt es, wenn die Massen zu den Bauern jehen und dort alles zusammenhauen, dadurch werden uch die Wirte getroffen. Ich muß die Befürchtung aussprechen, wenn nicht ehestens Abhilfe geschaffen wird, wir alle in Mitleidenschaft gezogen werden. Es ist daher eine Kommission zu wählen, die darauf Rücksicht nimmt daß der Arbeiter= und Soldatenrat nicht nur den säu¬ nigen Ablieferern von Lebensmitteln durch zwangsweise equirierung an den Leib rückt, sondern daß auch mit ller Kraft und Energie die Mostfrage zur gleichmäßigen Regelung gelangt. Die Sperrung der Gastgewerbe würde einen großen Ausfall an Steuern für die Stadt be¬ deuten. Es ist aber auch zu befürchten, daß viele, sonst nständige Menschen, durch die Not an flüssigen Pro¬ ukten ihrem Ruine entgegengehen. Man hat auch keinen Wein und gibt uns die Tatsache, daß man in Ungarn guten und billigen Wein bekommen kann, den Beweis aß auch mit diesem Getränke die umfangreichsten Preis¬ treibereien herrschen. Ich verweise darauf, daß ein Mit¬ ied der Genossenschaft der Gastwirte, in Ungarn selbst die persönliche Ueberzeugung gewonnen hat. Daß der Mostpreis so hoch ist, sind wir in Steyr auch einerseits elbst schuld, da es Leute gibt, die schon während des Krieges daran gegangen sind, bei den Bauern den ost aufzukaufen; schon damals haben sie den Most o bezahlt. Wir Heimkehrer konnten dann natürlich keinen billigeren Most mehr bekommen und war es uns auch nicht möglich, auf den Preis regulierend zu wirken. Wir haben selbstverständlich unser ganzes Interesse daran, einen Höchstpreis für Most festzusetzen, aber durch die Tätigkeit einzelner Leute — ich will keine Namen nennen — wird dies unmöglich gemacht und so vird mit dem Most dieselbe Preistreiberei getrieben vie mit allen anderen Lebensmitteln. Ich kann es nur

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