Gemeinderatsprotokoll vom 7. Februar 1919

0 wird es gut sein, daß auch der Gemeinderat selbst das Wort ergriffen hat und es wird sich gegenüber der Landesregierung von Nutzen erweisen, daß auch der Gemeinderat der Stadt Steyr sich energisch für die Beschlüsse der Landeskonferenz und für seine Beschlüsse einsetzt. Ich bitte daher die vorliegenden Anträge in diesem Sinne anzunehmen“ Herr Bürgermeister: „Ich bringe den Dringlich¬ keitsantrag des Herrn Vizebürgermeisters Fendt mit den Aenderungen und den Zusatzanträgen der Herren GR. Prof. Erb und Vizebürgermeister Wokral nochmals zur Verlesung“. Das Land Oberösterreich leidet schon eine ganze Reihe von Jahren an einer Lebensmittelnot, insbesonders sind es die Städte, die am meisten darunter entbehren müssen War schon während des Krieges das Land Ober¬ sterreich eines der besten Beuteobjekte für die gesamte Approvisionierung, so ist es nach dem Kriege nicht viel esser geworden. Zu allen Anlieferungen wird immen das Land Oberösterreich herangezogen und ganz besonders ind die Viehbelieferungen so große, daß einzelne Bezirke schon vollkommen entleert sind Seit Anfang November 1918 ist die prov. Re¬ gierung am Ruder; auch dieser ist es bis jetzt noch gelungen, Abhilfe in Oberösterreich zu schaffen nicht Es wäre aber möglich, bei Aufbringung der not wendigen Energie abzuhelfen Der Schleichhandel blüht und gedeiht immer mehr nach allen Richtungen hin. Vieh wird nach Salzburg und Bayern über die Grenzen Oberösterreichs und nach Wien ausgeführt. Schweine gehen waggonweise nach Wien Most wird überall hin verhandelt; insbesonders ach Triest 2c. Milch geht ebenfalls nach Wien; mit Kartoffeln und Butter wird Schleichhandel betrieben. Unter solchen Umständen ist es natürlich, daß wir zu wenig haben und die Preise niemals heruntergehen können. Es darf kein Loch offen gelassen werden, keine Gelegenheit gegeben werden, daß man so ungeniert aus Oberösterreich exportieren kann. Es dürfen die Zen¬ ralen, Viehverwertungsgesellschaften 2c. nichts fort¬ chaffen. Niemand darf aus Oberösterreich etwas hinausbringen, bis nicht das Land selbst genügend ver¬ ehen ist. Erst dann kann die oberösterreichische Landes¬ regierung eventuell eine Ausfuhr bewilligen. Auf diese Art wäre erstens ein Abbau der horrenden Preise möglich und zweitens könnte das Land Oberösterreich genügend mit allem versehen werden Die Unterfertigten stellen daher an den löblichen Gemeinderat die Bitte, der Gemeinderat wolle an die Landesregierung mit dem dringenden Ersuchen heran¬ treten, die beschlossene Grenzsperre schärfstens durch¬ zuführen und diesbezüglich die strengste Kontrolle aus¬ üben zu lassen. Desgleichen wäre auch die kommende gesamte Frühjahrsernte nur für das Land Oberösterreich zu verwenden und erst dann, wenn der Bedarf vollkommen jedeckt ist, die überflüssigen Mengen der Ausfuhr zu¬ zuführen“ Paul Fendt m. p. Ferdinand Gründler m. p. Heinrich Bachmayr m. p. August Mitter m. p. W. Brand m. p. Ing. Josef Huber m. p. Josef Haidenthaller m. p. Franz Kattner m. p. Leopold Erl m. p Anträge des GR. Prof. Erb. Der Landesregierung sind nachstehende Forderungen vorzulegen: 1. In die Landeskommission sind auch drei Ver¬ treter der Stadt Steyr mit Sitz und Stimme einzu¬ reihen 2. Unfähige Referenten über die Versorgung in Oberösterreich in der Landesregierung sind sofort durch praktisch erfahrene Leute aus dem Volke zu ersetzen. 3. Die Wiener Abteilung der Viehverwertungsstelle in Urfahr ist sofort aufzuheben. 4. Die Viehverkehrsstelle in Urfahr hat genaue Ausweise in Menge und Preis des nach Wien und andere gelieferten Viehes gewissenhaft Orte von Oberösterreich er oberösterreichischen Landesversammlung und der Oeffentlichkeit ab 1. November und bis auf weiteres zu erstatten 5. Sämtlichen Referenten der Landesregierung sind gewissenhafte Fachmänner zur Beratung zur seite zu stellen. Antrag des Vizebürgermeisters Wokral über die Zusammensetzung des Gemeindewirtschaftsrates der Stadt Steyr. soll Der Gemeindewirtschaftsrat der Stadt Steyr im Sinne des Punktes 1 der bei der Landesregierung am 6. Februar 1919 stattgefundenen Konferenz, betreffend die Lebensmittelversorgung, in folgender Weise erweitert bzw zusammengesetzt werden: . Aus den bisherigen 10 Vertretern des Gemeinde¬ rates. 2. Je einem Vertreter des Arbeiter= und Soldaten¬ rates. 3. Je einem Vertreter der Fleischhauergenossenschaft Handelsgremiums und der Gastwirtegenossenschaft. des 4. Ein Vertreter der Festbesoldeten. 5. Ein Vertreter der Frauen. Alle diese Mitglieder des Wirtschaftsrates haben und Stimmrecht Sitz Dem Wirtschaftsrate steht es frei, von Zeit zu zeit zu seinen BeratungenExperten mit beratender Stimme einzuladen Ich frage, ob sie einverstanden sind, wenn über die Anträge unter einem abgestimmt wird, oder ob über den Dringlichkeitsantrag und die Zusatzanträge gesondert abgestimmt werden soll Herr GR. Kirchberger: „Ich stelle den Antrag, ein¬ eitlich über alle Anträge abzustimmen, da dieselben gleichwohl begründet sind alle err Bürgermeister: „Ich bringe somit die Anträge zur Abstimmung Der Dringlichkeitsantrag sowie die Zusatzanträge werden vom Gemeinderate einstimmig angenommen. err Bürgermeister: „Ich beauftrage Herrn Bau¬ ommissär Ing. Treml über die Holzversorgung zu be¬ richten“ Herr Baukommissär Ing. Treml: „Bevor ich über die Holzversorgung spreche, möchte ich mir gestatten, über die Aeußerung des Herrn GR. Vogl Aufklärung zu geben. Es ist sehr leicht möglich, daß ein Kohlen¬ händler einmal an eine Gruppe von Kohlenkundschaften keine Kohle abgibt, weil er über eingegangene Kohlen die Bestimmung über dieselben entweder für Abgabe an Kundschaften oder für Approvisionierung abzuwarten at. In dem angezogenen Falle wird der betreffende kohlenhändler erst am Nachmittage die Verfügung er¬ halten haben. Die Kohlen langen eben in solch geringer Nengen ein, daß mit den Vorräten eine strenge Ein¬ teilung getroffen werden muß Die Brennholzversorgung steht dermalen in einem etwas besseren Stadium, als es gelungen ist, aus dem Gefangenenlager Mauthausen 1400 Meter und von Freistadt 300 Meter Holz zu sichern. Hiezu muß ich vemerken, daß der Vertrieb von Holz im allgemeinen m Zeichen des üppigsten Schleichhandels steht. Die 1400 Meter sind in der Zeit vom 10. bis 26. Jänner nach Steyr gebracht worden, während der Rest im An¬ rollen begriffen ist. Der Approvisionierungsplan der rov. Landesregierung zur Belieferung der Stadt aus den Lagern scheint sich aber nicht bewährt zu haben und möchte ich hiefür ein Beispiel angeben. Der Frächter, der den Transport von Mauthausen vermittelt hat, hat gemeldet, daß Leute aus der Lagerproviantur, also ius authentischer Quelle sagten, daß im Gefangenen¬ ager Mauthausen noch 420 Meter frei sind. Ich habe die Gelegenheit meiner Anwesenheit in Linz wahr¬ enommen und habe bei der Forstinspektion mit der Bitte vorgesprochen, um diese 420 Meter für Steyr zu

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