Gemeinderatsprotokoll vom 7. Februar 1919

8 auch zum deutschen Volke gehört, einsehen und darnach handeln“ Herr Bürgermeister: „Ich kann hier eine interessante Mitteilung machen. Bekanntlich haben wir uns seit langer Zeit geplagt, Kartoffeln zu erhalten, ohne einen Erfolg zu erzielen. Die neu zusammengesetzte Kommission hat es bereits zuwege gebracht, daß von den Gemeinden Kartoffel¬ anlieferungen geschehen. So hat sich die kleine Gemeinde Gleink bereits bereit erklärt, freiwillig 8000 Kilogramm Kartoffeln zu liefern, welche auch schon eingetroffen sind Die anderen Gemeinden werden diesem Beispiele folgen und wir erwarten von allen Gemeinden zusammer 14 Waggon Kartoffeln. In ganz Oberösterreich dürften über 300 Waggon Kartoffeln zusammenkommen, womit die Bevölkerung über die größte Not hinwegkommt Herr GR. Tribrunner: „Angesichts der trostlosen Lage in der Fleischversorgung ersuche ich nochmals, daß Herr Amtstierarzt Schopper seinen vormittags erstatteten Bericht hier in öffentlicher Sitzung wiederholt“. Herr Bürgermeister: „Ich möchte fragen, ob es angenehm ist, wenn vorerst über den Dringlichkeits¬ antrag und die Zusatzanträge abgestimmt wird und dann erst die hier anwesenden Referenten der Stadtämter ihre Berichte erstatten“ err GR. Kirchberger: „Ich möchte wünschen, daß die Referenten vor der Abstimmung gehört werden, weil sich aus deren Berichte noch Zusatzanträge ergeben können“ Herr Bürgermeister ersucht Herrn Amtstierarzt Schopper seinen Bericht zu erstatten. Herr Amtstierarzt Schopper: „In den letzten zwei Wochen ist die Fleischanlieferung eine derart geringe ge¬ worden, daß die Fleischquote auf 20 Dekagramm herab¬ gesetzt werden mußte. Speziell in dieser Woche ist die Anlieferung noch tiefer gesunken. Dies ist zu einer Zeit geschehen, wo innerhalb des Bezirkes Steyr=Land zu Gaflenz seitens eines ehemals legitimierten Vieheinkäufers 20 Prima Ochsen geschlachtet wurden, die angeblich aus Niederösterreich stammen. Meines Dafürhaltens dürfte dies nicht richtig sein, sondern ich vermute, daß es sich um ein auf Umwegen von Großraming über die Lausa nach Niederösterreich und von dort als niederöster¬ reichisches Vieh wieder nach Oberösterreich gebrachtes Vieh handelt. Es ist nicht anzunehmen, daß die an¬ grenzenden Bezirke Niederösterreichs tatsächlich soviel Ueberschuß an Vieh hätten und spielen auch die Preise von 14 K per Kilogramm für die Richtigkeit der An¬ nahme, daß es sich um einen Schleichhandel dreht, eine Rolle. Tatsache ist ferner, daß die Gemeinde Gaflen seit 14 Tagen ihre Anlieferungen vollkommen eingestellt hat. Gaflenz hat mit der Einstellung der Lieferung be¬ gonnen und die anderen Gemeinden folgen diesem Bei¬ piele nach. Ich habe mich dieserhalb an die Bezirks¬ hauptmannschaft gewendet, dort jedoch keinen Rückhalt gefunden, den ich brauchen würde, um das Vieh zwangs¬ weise abzunehmen. Es wurde von mir auch verlangt, daß dem Schleichhandel ernstlich zu begegnen sei, anderer¬ eits solle der Fehlbetrag an Rindern durch Anlieferung von Schweinen gedeckt werden Die Ursache der geringen Anlieferung ist in erster Linie der Verfall des Viehstandes im ganzen Bezirk mit dem wir verkettet sind. Es wurde uns zwar ein Teil des Kirchdorfer Bezirkes zugewiesen, welcher Bezirk auch tatsächlich in der Lage ist, abzuliefern und der auch eine Lieferungspflicht restlos erfüllt hat. Eine weitere Ursache des Rückganges der Anlieferungen ist in dem Mangel an Pflichtgefühl seitens der legitimierten Ein¬ käufer zu suchen, die heute nicht mehr fürchten, einrücken zu müssen und denen der Viehaufbringungsdienst viel zu beschwerlich ist. Die Einkäufer führen ihr Geschäft nicht mehr zweckmäßig und nach den erteilten Vor¬ chriften durch. Der dritte Punkt ist, daß die Produ¬ enten die Freigabe des Viehhandels erzwingen wollen. Nicht zuletzt haben die Manipulationen am Urfahrer Markte und in der Viehverwertungsstelle dazu beige ragen (Zwischenruf: Das glauben wir!), das Bewußt¬ ein der Lieferungspflicht an die Stadt hintanzusetzen derr GR. Prof. Erb hat die Frage aufgeworfen, wieviel Fleisch nach Wien von der Viehverwertungsstelle abge¬ liefert wurde. Ich kann berichten, daß die Menge in den Monaten September und Oktober drei Millionen Kilogramm betrug. (Zwischenrufe: Heiliger Gott! Un¬ glaublich, gemein! Es ist dies ein schwerer Eingriff in die unszu¬ tehende Anlieferung und in unsere Viehbestände. Die Landwirte des Inn= und Mühlviertels rechtfertigen ihre Weigerung der Lieferung damit, daß sie sagen, sie haben nur Zuchtvieh. Ich glaube, daß die Situation heute so st, daß diese Rücksicht nicht mehr stichhältig ist und auf ämtliche Bezirke gleichmäßig zu greifen ist. Früher wurden aus Oberösterreich an die Armee monatlich bis 3 Millionen Kilogramm geliefert, welche Anliefe¬ ung nun entfällt und vollkommen hinreichen würde um uns eine Fleischquote in genügender Menge zu ichern“. Herr GR. Karl: „Ich möchte in der Mostangelegenheit einige sehr ernste Worte sprechen und kann sie ver¬ sichern, daß die Gastwirte in Steyr in der nächsten zeit gezwungen sein werden, ihre Betriebe vollständig zu sperren und zwar deshalb, weil sie in den gegen¬ värtigen Verhältnissen nicht mehr weiter arbeiten können. Die Wirte sollen den Most zum Höchstpreise verkaufen, erhalten ihn aber nur über denselben angeboten. Es oll von mir nicht abgeleugnet werden, daß die Most¬ preise in den Gasthäusern heute höher als der Höchst¬ reis sind; die Gastwirte sind aber zu diesem Preise gezwungen und trotzdem die Gastwirtegenossenschaft schon im Oktober eine Eingabe wegen Einstellung der Aus¬ uhr des Mostes einbrachte, hat dieselbe bis heute noch keine Erledigung gefunden. Es ist höchst notwendig, daß auch hier durch Mitwirkung des Arbeiter= und Soldaten¬ rates den Schleichhändlern an den Leib gerückt wird. ch kann sie versichern, daß man auch in Steyr olche kritische Momente aufweisen wird können wie in Linz, wenn die Masse des Volkes vor die Tatsache ge¬ tellt wird, daß das einzig zur Verfügung stehende Ge¬ tränk dem Verkehr entzogen und die Gastwirte sperren nüßten. Was nützt es, wenn die Massen zu den Bauern jehen und dort alles zusammenhauen, dadurch werden uch die Wirte getroffen. Ich muß die Befürchtung aussprechen, wenn nicht ehestens Abhilfe geschaffen wird, wir alle in Mitleidenschaft gezogen werden. Es ist daher eine Kommission zu wählen, die darauf Rücksicht nimmt daß der Arbeiter= und Soldatenrat nicht nur den säu¬ nigen Ablieferern von Lebensmitteln durch zwangsweise equirierung an den Leib rückt, sondern daß auch mit ller Kraft und Energie die Mostfrage zur gleichmäßigen Regelung gelangt. Die Sperrung der Gastgewerbe würde einen großen Ausfall an Steuern für die Stadt be¬ deuten. Es ist aber auch zu befürchten, daß viele, sonst nständige Menschen, durch die Not an flüssigen Pro¬ ukten ihrem Ruine entgegengehen. Man hat auch keinen Wein und gibt uns die Tatsache, daß man in Ungarn guten und billigen Wein bekommen kann, den Beweis aß auch mit diesem Getränke die umfangreichsten Preis¬ treibereien herrschen. Ich verweise darauf, daß ein Mit¬ ied der Genossenschaft der Gastwirte, in Ungarn selbst die persönliche Ueberzeugung gewonnen hat. Daß der Mostpreis so hoch ist, sind wir in Steyr auch einerseits elbst schuld, da es Leute gibt, die schon während des Krieges daran gegangen sind, bei den Bauern den ost aufzukaufen; schon damals haben sie den Most o bezahlt. Wir Heimkehrer konnten dann natürlich keinen billigeren Most mehr bekommen und war es uns auch nicht möglich, auf den Preis regulierend zu wirken. Wir haben selbstverständlich unser ganzes Interesse daran, einen Höchstpreis für Most festzusetzen, aber durch die Tätigkeit einzelner Leute — ich will keine Namen nennen — wird dies unmöglich gemacht und so vird mit dem Most dieselbe Preistreiberei getrieben vie mit allen anderen Lebensmitteln. Ich kann es nur

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