Gemeinderatsprotokoll vom 28. Jänner 1919

16 Falle des Verlustes oder Beschlagnahme der Kohlen¬ endung seinerzeit den Ersatz in natura liefern würden. Das Gaswerk oder ein sonstiger Käufer würde also mit einen K 100.000 in der Luft hängen. Infolgedessen ist auf eine Gasversorgung noch keineswegs zu denken Ich bringe dies deshalb vor, um zu zeigen, daß die Gemeindevorstehung alles mögliche getan hat und auch das Gaswerk sich wegen Kohlenbeschaffung umgesehen hat. Zufolge einer Zeitungsnachricht sollen nun Entente truppen in Karwin eingezogen sein. Ob nun diese Ententetruppen soweit Einfluß haben werden, daß der Kohlenbetrieb wieder ermöglicht wird, muß dahingestellt bleiben und selbst wenn es gelingen würde, Kohlen aus Karwin auszuführen, so haben wir weiter damit zu echnen, daß die Kohlen in Wien, wo sie durch müssen hneweiters beschlagnahmt würden. Um die Kohlen versorgung steht es also äußerst traurig, als eine ganze eihe von Haushalten, gewerblichen und industriellen Unternehmungen hievon auf das schwerste getroffen werden. Ich möchte an die Gemeindevorstehung die Bitte richten, auch weiterhin, wenn sich die geringste Möglichkeit zur entsprechenden Beschaffung von Kohle ergibt, sich an die betreffenden Stellen und Faktoren zu wenden. Die Karwiner Direktion wartet nur auf den Auftrag der Auslieferung von Kohlen. Es müßten aber auch von den Gemeinden für den Transport Sicherheits¬ vorkehrungen getroffen werden. Dies wollte ich zu dem Berichte des Herrn Bürgermeisters bemerken“ Herr Vorsitzender: „Ich kann versichern, daß die Gemeinde jede Gelegenheit benützen wird, um das Gas¬ werk so rasch als möglich wieder mit Kohle zu ver¬ sorgen“ Herr GR. Vogl: „Ich sehe mich veranlaßt, auf ein altes Schmerzenskind zurückzukommen, das ist die Milchversorgung, die in Steyr eine wahre Kalamität ist, bin aber der Anschauung, daß sich Abhilfe schaffen ließe. Ich habe hier Aufzeichnungen, über welche uns dann Herr Kattner Aufklärung geben soll. Es gibt heute viele Personen in Steyr, die unberechtigterweise Milch beziehen, sogar 2 bis 3 Liter per Tag. Es wird gesagt daß dies eine sogenannte Freimilch sei. Ich stelle nun den Antrag, daß dieses System mit der Freimilch ab¬ geschafft werde und zwar in der Weise, daß diese beiden Gruppen Gemeindemilch und Freimilch voneinander¬ cheidet. Ich war mit meiner Familie seinerzeit einer Milchabgabestelle zugewiesen, wo es immer happerte, jetzt ist es etwas besser. Die Hauptsache ist und bleibt, daß den Unberechtigten endlich die Milch entzogen wird Herr GR. Kattner: „Ich kann Ihnen die Ver¬ icherung geben, daß die ganzen Fehler nicht in uns, ondern in der geringen Milchanlieferung liegen; wir haben gestern wieder statt 1000 Liter nur 160 Liter vekommen. Jeden Tag erhalten wir 300, 400, ja um 800 Liter zu wenig. Wir haben aber schon wieder über 1900 Karten ausgegeben, wie soll man mit dieser ge¬ ringen Menge verteilen? Jeden Tag wird telegraphiert und telephoniert und geschehen tut für eine erhöhte Milchanlieferung in Linz nichts. Wir wurden beim Landeshauptmannstellvertreter Langoth, beim Grafen Thun und dem Referenten Nusko vorstellig; es hilft alles nichts. Herr Bürgermeister hat mir vor kurzem erlaubt, nach Eberschwang zu fahren, um mich selbst bei den Bauern zu erkundigen. Die Bauern sagen, sie liefern an die Firma Wild nichts mehr, weil sie erfahren aben, daß die Firma Wild die Milch zur Schweine ütterung und Verkäsung verwendet. Was die Privat¬ milch anbelangt, so ist es sehr schwer, hier eine Aende¬ rung eintreten zu lassen, denn wenn auf die Bauern ein Zwang geübt würde, daß sie diese Milch an die Gemeinde zu liefern haben, kann man sicher sein, daß nicht ein Tropfen mehr hereinkommt. Als ein sprechendes Beispiel für den blühenden Schleichhandel möchte ich anführen, daß ein Bauer in Eberschwang mit K 2000 Geldstrafe belegt wurde, weil er Butter zum Preise von 100 K per Kilogramm verkaufte. Der Mann hat 24 Kühe im Stall stehen und liefert nicht einen Liter Milch. Was nützt die Strafe von 2000 K; wenn er 20 Kilogramm Butter in einen Tag verkauft, hat er sie wieder verdient. Das einzige Mittel wäre, ihm 23 Kühe vegzunehmen, diese in einen anderen Stall zu geben und von dort aus die Milch abgeben zu lassen. Es wird durchaus nicht bestritten, daß in der Stadt Be¬ trügereien mit den Karten vorkommen und erst kürzlich wurde wieder ein krasser Fall aufgedeckt, wo ein Bursche als Säugling ausgegeben wurde. Die Milchausgabe¬ tellen sind durchaus nicht zu beneiden und ist es zu verwundern, daß noch niemand von den Verkäufern wahnsinnig geworden ist. Ich möchte den Gemeinderat ersuchen, alles daran zu setzen, daß wir endlich mehr Milch bekommen, dann wird auch die Ordnung leicht aufrecht erhalten werden können“. Herr GR. Kletzmayr: „Im Dezember v. J. fand eine Wirtschaftsratssitzung statt, in welcher die Maut¬ hausenersendung eingehend besprochen und darauf hin¬ gewiesen wurde, daß in den Anlieferungen dieser Waren twas nicht stimme und daß gegen den Ankäufer eine amtliche Untersuchung eingeleitet wird. Es soll sich um das Verschwinden von 80 bis 100 Säcke Reis handeln und auch in den Preisansätzen soll zwischen Ankaufs¬ reis und dem Uebergabspreis eine ziemliche Differenz estehen. Es liegt im Interesse des Ansehens der Ge¬ meinde, daß in die Sache bald klares Licht gebracht wird und frage ich daher an, wie die Angelegenheit eigentlich steht. Ist der betreffende unschuldig, so muß auch seine Ehre wieder hergestellt werden“ Herr GR. Prof. Goldbacher: „Im Auftrage vieler Interessenten erlaube ich mir folgende Anfrage zu tellen: Es ist leider eine feststehende Tatsache, daß die Strecke Steyr—Kleinreifling seit langer Zeit owohl durch die Staatsbahndirektion als auch durch die berufenen Faktoren in Steyr gänzlich vernachlässigt wird, obwohl gerade diese Strecke für Steyr in wirt¬ chaftlicher Hinsicht von höchster Wichtigkeit ist. Von allen Seiten der Bevölkerung wird der Unterfertigte nit vollauf berechtigtem Unmut aufgefordert, sich dieser Sache anzunehmen. 1. Trotz der Kohlennot ist es Tatsache, daß auf der Strecke Kirchdorf —Linz, wie aus der „Tages¬ post“ zu entnehmen ist, schon vor Weihnachten ein neues Zugspaar eingeführt wurde und auch auf anderen Teilstrecken der Staatsbahn Verkehrsverbesserungen vor¬ genommen wurden 2. Tatsache ist es ferner, daß jede, noch so arm mit Zügen bedachte Strecke wenigstens ein Zugspaar ür die Hin=, bzw. Rückfahrt aufweist, was in der Strecke Steyr—Kleinreifling nicht der Fall ist. 3. Während man von Steyr nach Linz noch drei¬ nal des Tages fahren und wenigstens am selben Tage ohne Uebernachtung zurück sein kann, ist Steyr vom Ennstale vollständig abgeschlossen, da von Steyr nach Kleinreifling den ganzen Tag kein Zug fährt, denn der Zug um 5 Uhr 10 Min. abends ist für die Hinfahrt wertlos, weil erst am nächsten Tage entweder um 5 Uhr früh oder um ¾12 Uhr die Rückkunft möglich ist. Hiedurch ist es unmöglich, jemand n geschäftlichen, gerichtlichen oder sonstigen Angelegen¬ eiten irgend einen Ort des Ennstals zu erreichen. 4. Sollte jemand gar das Unglück haben, in die ier Gehstunden ennsaufwärts befindliche Station Weißenbach—St. Gallen reisen zu müssen, so ist ihm das nur auf folgende umständliche Art möglich: Der Welt¬ reisende (Steyr —Weißenbach, 60 Kilometer), muß am ersten Tage um 5 Uhr 10 Min. abends von Steyr vegfahren, in Kleinreifling übernachten, am zweiten Tage dort bis 3 Uhr nachmittags (!) warten, in Weißen dach abermals übernachten, um am dritten Tage endlich nachdem er aber in Weißenbach nur von 8 bis 9 Uhr früh zur Abwicklung seines Auftrages Zeit hatte, sonst muß er einen vierten Tag opfern!), wieder um 112 Uhr in Steyr einzutreffen.

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