Otto Ehler - Eisengewerbe und Stadtentwicklung

—7— Es war daher schon früh erforderlich, für die Energiegewinnung, Flößerei und Trift durch geeignete Wasserbauten, Floßländen, Wehren und Triebwassergerinne entsprechende Voraussetzungen zu schaffen. Im Hinblick auf die Besiedlungsmöglichkeit der Flusstäler war die Höhenlage des Talraumes der Enns günstiger. Die Niederung der Steyr wurde in frühester Zeit nicht und in der Folge nur sehr zögernd und in großem Umfang erst im 19. Jahrhundert besiedelt, als die moderne Technik des Wasserbaus eine notwendige Ufersicherung und eine Abfuhr der Hochwasserfrachten verbesserte. Diese Vorkehrungen reichten nur aus, kleinere Hochwasserereignisse abzuwehren. Stärkere Hochwässer führten zu umfangreichen Überflutungen der neuen Siedlungsräume an der Steyr. Die beiden Flüsse, die wasserreiche Enns und die klare Steyr, haben in den Nacheiszeiten ihre Täler mit Geschiebe aufgefüllt und sich in der Folge wieder in die abgelagerten, verfestigten Schotter eingegraben. Die Steyr, ein Gebirgsfluss von 79 Kilometer Länge, durchfließt, bevor sie sich mit der Enns vereinigt, eine Talniederung von wechselnder Breite. Sie tritt in der Stadtmitte durch eine kurz von Konglomeratwänden eingeengte Talsohle in die Ennsfurche ein. Beide Flüsse haben sich im inneren Stadtgebiet bis zum Flyschhorizont eingetieft. Die Eintiefung der Reichen Steyr und des Mitterwassers dürfte an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert schon bis in die Gegend des heutigen Plautzenwehres gereicht haben. Die größere Breite der Talsohle hat es dem Fluss auch noch imMittelalter ermöglicht, im Laufe der Zeit bei Hochwässern seinen Lauf oftmals zu ändern und sein Bett zu wechseln. Untersuchungen, ob der Wehrgraben ein natürliches oder ein künstliches Gerinne ist, gab es bisher nicht. Man war in dieser Frage nur auf Annahmen angewiesen. Über eine erste Nutzung dieses Seitenarmes der Steyr als Triebwasserkanal sind keine urkundlichen Quellen vorhanden. Da es von der Steyrniederung im heutigen Stadtbereich keine alten Aufnahmen gibt, ist man gezwungen, die Höhenlage, wie sie sich in den Schichtenlinien darstellt, zur Beurteilung und Erforschung des historischen Flussregimes heranzuziehen. Aus dem Verlauf der Schichtenlinien ist anzunehmen, dass das heutige Wehrgrabengerinne ehemals natürlichen Wasserläufen folgt. Ein starker Uferanriss anlässlich eines Hochwassers im Jahre 1776 bei der Großen Falle lässt hier den Verlauf der Altarme kaum mehr erkennen. Die Regulierung des Mitterwassers, Ufersicherungen und Straßenbauten haben die Höhenlage einzelner Flächen verändert. Diese Annahme wird durch einen Plan aus dem Jahre 1638 erhärtet, welcher das Gebiet vom Plautzenwehr bis zum Kruglwehr flussaufwärts der Stadt darstellt und anlässlich eines Streites der Werkgarner, der Handwerker „Unter dem Himmel“ mit den „Steyrer Wührgrablern“, angefertigt wurde. Aus diesem Plan ist ersichtlich, dass die Flussarme im 17. Jahrhundert — im Gegensatz zum heutigen Flussregime — aufgefächert über die ganze Talsohle verliefen. Es ist anzunehmen, dass die Eintiefung der Steyr im Flussabschnitt zwischen Kruglwehr und Zwischenbrücken ähnlich verlief, aber durch Wasserbauten zur Energiegewinnung aufgehalten worden war. Diese Wasserbauten waren Vorgänger der heutigen Wehrbauten an den Gefällstufen im Gsang beim Kugelfang und beim Annawehr. Die Eintiefung beim Steinkasten erfolgte erst bei einem Hochwasser im Jahre 1663. Die Triebwassergerinne Wehrgraben und Gsangwasser versorgten die an diesen Wasserläufen wahrscheinlich, aber urkundlich nicht nachgewiesenen, vom 12. zum 13. Jahrhundert entstandenen Werkstätten. Diese Werkgaden waren an topographisch und gefällsmäßig im Flusslauf günstigen Stellen am Ufer errichtet worden. Die Werkstättengruppen, welche dann Zeugstätten genannt wurden, bildeten frühe Wachstumspunkte für die Errichtung der Handwerkeransiedlung, die wegen der Hochwassergefahr aber immer hangseitig erfolgte. Die Zahl der ersten am Wehrgraben entstandenen Werkstätten war gering, sodass in früher Zeit auch die Anzahl der Wohnhäuser für die Handwerker klein blieb. Diese Häuser wurden willkürlich bei der Ersten Zeugstätte, in welcher die erste Nutzung der Wasserkraft amWehrgraben erfolgte, am alten Weg zur Truglmühle errichtet. Mit dem Flussregime der Steyr bildete sich unter den Konglomeratwänden an den Rändern des Flusstales ein Netz von Zwangs- und Begrenzungslinien, die für die Entwicklung der Stadt in der

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