Otto Ehler - Eisengewerbe und Stadtentwicklung

—117— großdimensionierte Kamine ausweisen. In der Schleife liefen 1877 noch vier Steine. Die Poliererei ist in dem als Schmiede bezeichneten Raum angedeutet. Ein Raum im Obergeschoß ist als Schleife bezeichnet. Da der Plan des Stadtbauamtes wegen der Verhandlungen zur Anmietung des Hauses für die Unterbringung der Werkstätten der Versuchsanstalt für Eisen- und Stahlbearbeitung angefertigt wurde, scheinen die Raumbezeichnungen auf mögliche Widmungen, die auf einer früheren Verwendung basieren, hinzuweisen. Josefa Reitmayr (1874 — 1881, Besitzerin), welche an der Weiterführung ihres Betriebes nicht sehr interessiert gewesen war (sie wird in den Akten oft als Realitätenbesitzerin bezeichnet), verpachtete 1877 ihre Liegenschaft schließlich nach einigen Verhandlungen der Stadt zur Unterbringung der Lehrwerkstätte und Versuchsanstalt. Diese sollte der 1874 gegründeten Fachschule für Eisenindustrie im Gebäude der Realschule am Michaelerplatz, wo unentgeltlich an Sonn- und Feiertagen in zwei Abteilungen unterrichtet wurde, angeschlossen werden. Die Dauer des Pachtverhältnisses wurde vorerst mit fünf Jahren festgelegt. Der große Erfolg Josef Werndls mit seiner Waffenproduktion, die Konkurrenz der großen Industriebetriebe in England und im Ruhrgebiet und die Entstehung kleinerer eisenverarbeitender Industriebetriebe in Steyr neben dem altansässigen Gewerbe führten zu einem Facharbeitermangel, einer Erscheinung, die im Zuge der raschen Industrialisierung in der ganzen k. u. k. Monarchie zu verzeichnen war. Am 15. Mai 1872 erging ein Erlass des Statthalters an die Stadt Steyr, aus dem hervorging, dass das k.k. Handelsministerium als eine der wichtigsten Ressortaufgaben die Förderung des gewerblichen Fachunterrichtes betrachtete. Laut Erlass des k.k. Handelsministeriums seien mit Beschleunigung Erhebungen über entsprechende Art und Weise der möglichen Durchführung der Förderung, nämlich der Errichtung einer Fachschule, anzustellen. Vor allem seien Untersuchungen über das Kostenerfordernis und die Kostenbedeckung durchzuführen. Ein neuerlicher Erlass des Statthalters vom 12. Juni 1872 und ein ebensolcher Erlass des k. k. Handelsministeriums vom 25. September 1872 waren neben den Bestrebungen einzelner Innungen (Zünften) und der Eisenindustrie, vor allem der österreichischen Waffenfabriksgesellschaft, der Werndl nun als Generaldirektor vorstand, das auslösende Moment, an die Schaffung einer derartigen Einrichtung heranzugehen. Sie war im Sinne der damaligen gesetzlichen Bestimmungen in erster Linie Sache der autonomen Landes- und Gemeindevertretungen, wobei aber nach vorhandenen Mittel zu „Creierung“ und Erhaltung Ministeriums in Aussicht gestellt wurden. Am 22. Juni 1872 richtete die Stadt Steyr Anfragen an die Städte Altona, Solingen, Remscheid, Iserlohn, Barmen und Nürnberg, ob sie Fachschulen besäßen und welche allfälligen Erfahrungen sie mit diesen Schulen gesammelt hätten. Am 30. Juli 1872 erging eine ähnliche Anfrage an die Gewerbekammer in Linz. Am 7. August 1872 wurde unter Hinweis auf das Ergebnis der Kammersitzung vom 9. Mai 1870, wonach Steyr der Platz für eine Fachschule der Eisenindustrie sein dürfte, festgehalten, dass ein Antrag an den oberösterreichischen Landtag bisher kein Resultat erbrachte. Am 23. August 1872 beschloss der Gemeinderat eine Petition zur Errichtung einer Fachschule der Eisenindustrie. Am 6. November 1872 urgierte der Statthalter die Erledigung des Erlasses des k.k. Handelsministeriums, die bisher seitens der Stadt nicht erfolgt war. Die Stadt hatte sich aber mit Gemeinderatsbeschluss vom 4. November 1872 zur Beistellung der Schullokalitäten und im Weiteren zur Bezahlung der Beleuchtungs- und Beheizungskosten bereits verpflichtet. Am 21. Juli 1873 forderte der Statthalter den Bürgermeister auf, eine Enquetekommission zusammenzustellen. Am 12. September 1873 erfolgte eine Aufforderung des Statthalters an den Bürgermeister, er möge ein Programm für die Enquete erstellen. In einem Protokoll vom 29. Mai 1877 heißt es unter anderem: „Mit Erlaß der Statthalterei vom 13. Mai 1877 wurde die Gemeinde in Angelegenheit der Errichtung einer neuen Versuchswerkstätte angegangen, nebst anderweitigen Verpflichtungen auch die nötigen Schul- und Werkstattlokalitäten in ausreichendem Maß unentgeltlich mindestens für fünf Jahre beizustellen.“

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