Otto Ehler - Eisengewerbe und Stadtentwicklung

—118— In dieser Richtung wurden nun mehrseitige Unterhandlungen und so auch insbesondere mit Herrn Joseph Reichl als Vorstand der Feilhauergenossenschaft eingeleitet und machte auf Grund derselben Herr Reichl nach erfolgter Einvernahme und mit Zustimmung der Genossenschaft folgendes Angebot: „Die Feilhauergenossenschaft erklärt sich durch mich, als ihren Vorstand, bereit, der Gemeinde zur Errichtung der Versuchswerkstätte die zum sogenannten Feilhauerhammer gehörigen Nebenobjekte, nämlich den Knochenstampf, das Kohlenmagazin, den Holzstadel und das Wohnhaus nebst dem zum Knochenstampf gehörigen Fluder und einen zweiten, nicht zum Betrieb des Hammerwerkes notwendigen Fluder auf die Dauer von fünf Jahren pachtweise gegen einen jährlichen Pachtschilling von 600 fl zu überlassen. Dieselbe gestattet auch die Vornahme von Adaptierungsbauten in den genannten Objekten durch die Gemeinde und ist bereit, dieselben nach dem oben erwähnten Zeitraum in dem veränderten Zustand zurückzunehmen, nur würde sie keine Entschädigung für etwaige Meliorationen bei Rückübernahme dieser Gebäude leisten. Ich ersuche über dieses Anbot den Gemeinderat einvernehmlich und mich sohin von der getroffenen Verfügung ehestens verständigen zu wollen und bemerke, daß alle übrigen Detailbestimmungen im Falle der Annahme dieses Anbots nachträglich im Vertragswege vereinbart werden müßten. Joseph Reichl eh.“ Die angebotenen Objekte A 4 liegen im Bereich der Ersten Zeugstätte amNordufer des Wehrgrabens. Verhandlungen wurden aber seitens der Stadt auch mit Josefa Reitmayr, der Besitzerin der Leopoldsederliegenschaft am Südufer des Wehrgrabens, ebenfalls im Bereich der Ersten Zeugstätte, dem Objekt A 11, am 4. Juni 1877 geführt. Diese Verhandlungen führten zu einem Abschluss. Das Anbot der Feilhauergenossenschaft blieb unberücksichtigt. Am 17. Juni 1877 wurde zwischen der Stadt Steyr und Josefine Reitmayr ein Pachtvertrag auf fünf Jahre für das Leopoldsederhaus, Aichet Nr. 70 (alte Bezeichnung, 465 neue Bezeichnung) abgeschlossen, laut dem das Objekt der Stadt zur Verfügung stand. Der Gemeinderat beschloss in seiner Sitzung am 20. Juni 1877 das der Frau Josefa Reitmayr gehörige Leopoldsedergut behufs Unterbringung der Versuchswerkstätte auf die Dauer von fünf Jahren in Pacht zu nehmen und die im mitfolgenden Plane vom Juni 1877 (verfasst vom Stadtbauamt) angedeuteten Adaptierungen nach dem Kostenvoranschlage vom 16. Juni d. J. mit dem nicht zu überschreitenden Betrag von 1128 fl 62 Kr vorzunehmen. Hievon wird das städtische Bauamt mit dem Bemerken verständigt, dass wegen Inangriffnahme der Adaptierungsbauten nachträglich die Weisung erfolgen wird. Am 24. Juni wurde die Statthalterei unter Planvorlagen vom Gemeinderatsbeschluss in Kenntnis gesetzt. Auch die Feilhauergenossenschaft und schließlich das Bauamt wurden hievon verständigt. Eine Aktennotiz des Bauamtes vom 21. Juni 1878 zeigt den Abschluss der Adaptierungsarbeiten am Hauptgebäude an. Aus einem Dekret an das städtische Kassenamt vom 25. Juni 1878 geht hervor, dass diese Arbeiten innerhalb von acht Tagen abzurechnen sind und dass die Verwendung der Nebengebäude noch nicht entschieden wurde. Der Pachtvertrag wurde laut Protokoll vom 28. Juni 1882 in Verhandlungen zwischen der Stadt und dem Sohn der Verpächterin, Josef Reitmayr, bis Ende 1883 verlängert, wobei ein neuer jährlicher Pachtzins vereinbart wurde, indem die Summe der Abgabenbelastung des Hauses dem Pachtschilling zugeschlagen wurde. Diese betrug im Einzelnen: Haussteuer Grund- und Hausklassensteuer Fludergeld an Wehrgrabencommune Gemeindeumlagen und Zinssteuer 131,83 6,36 30,00 81,73 Im Hauptgebäude waren für die Versuchsanstalt der Hammer und die Essen für die Schmiede sowie eine Schlosserei untergebracht. Auch der theoretische Unterricht wurde hier abgehalten, nachdem die neue, recht primitiv untergebrachte Anstalt als k.k. Vereinigte Versuchsanstalt und Lehrwerkstätte für Stahl- und Eisenindustrie eröffnet worden war (15. Oktober 1878). Im hakenförmigen Nebengebäude wurden Einzelwerkstätten für die verschiedenen Fachrichtungen der Eisenverarbeitung eingerichtet. Die Versuchsanstalt entwickelte sich trotz der mangelhaften Unterbringung bestens. Es wurde für ihre Erweiterung und bessere Unterbringung ein Neubau in der Schwimmschulstraße errichtet, der 1888 bezogen werden konnte. Die Leopoldsederliegenschaft war dann bis 1889 ohne Funktion, es liegen keine

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