Ergänzungsblätter Nr. 1 bis Nr. 15, Steyr 1848

23 Diese wenigen Andeutungen mögen vor der Hand genügen, um den Geist anzudeuten, mit welchem das Ge¬ werbswesen betrachtet werden will, wir werden in den folgenden Blättern wieder fortfahren, die Wünsche und Bedürfnisse der einzelnen Gewerbe vorzutragen. Die Stürme der Zeit sollen uns nicht hindern, für die Tage des Friedens vorzu¬ arbeiten. Städte= und Landschafts=Bilder mit Figuren aus unsern Tagen. Innsbruck, 22. Juni. Eben komme ich von der Fron¬ leichnamsprozession. Der Kaiser hat derselben — wie es hieß unpäßlichkeitshalber — nicht beigewohnt; dafür aber gingen nach dem Sanctissimum, das vom Fürstbischof von Trient getragen wurde, die Kaiserin, der Erzherzog Franz Karl mit der Erzherzogin Sophie und die beiden jungen Erzherzoge Franz Josef und Ferdinand. — Das Fest war glänzend, zu glänzend; es wehte einem so unheimlich aristokratisch und bureaukratisch an, daß man sich recht die Augen reiben mußte, um es sich klar zu machen, daß man nicht träume, daß der Boden, auf dem diese anspruchs¬ volle Schaustellung von Geburts= und Standesvorrechten sich abspielte, einem constitutionellen Staate angehört, des¬ sen Verfassung auf der breitesten demokratischen Grundla¬ ge ruht. Da waren zu schauen adelige Jünglinge aus dem Theresianum, unter Anführung von Jesuiten und wiederum eine Schaar Jesuiten, in ihren Ordensgewän¬ dern mit brennenden Kerzen so unbefangen einherziehend, als ob das Ministerial=Dekret, das die Aufhebung ihres Ordens verfügte, für Tirol keine Geltung hätte; — dann viele Kreuze, Bänder, Kammerherrenschlüssel u. s. w., auch das adelige Damenstift und andere Damen vom hiesigen Adel, die eigens dazu geladen waren. Ich erinnerte mich beim Anblick der letztern unwillkürlich, wie diese Damen noch vor kaum drei Jahren gegen die Gemalin des Erz¬ herzogs Johann, die Baronin Brandhof, bei ihrer Anwe¬ senheit in Innsbruck — wegen ihrer bürgerlichen Abkunft — sich mit der beleidigendsten Insolenz benah¬ men. — Ganz Innsbruck war damals darüber indignirt! Jetzt trägt gerade der Umstand, daß der Erzherzog Johann zu einer Zeit, wo dies für Personen seines Standes noch hoch verpönt war, den Muth hatte, sich eine Frau aus dem Volke zu nehmen, nicht wenig dazu bei, diesen Prin¬ zen vor allen andern populär und einflußreich zu machen. Nächst dem Adel erschien die hohe Bureaukratie bei uuserm heutigen Feste besonders zahlreich vertreten. Vor Allen prangte mit dem Kammerherrnschlüssel und einem russi¬ schen Ordensbande unser Gouverneur Graf Brandis, der hohe Gönner der Jesuiten, Liguorianer, Schwestern vom Herzen Jesu, Schulbrüder u. s. w. — Eine Kleinigkeit vermißte ich im Zuge. Ich meine die Stände des Lan¬ des, die eben hier in Innsbruck tagen. Man hat ihnen zugemuthet, hinter dem Gubernium und dem Appellations¬ gerichte unter die übrigen Behörden sich einzureihen, und das haben unsere Landesvertreter, so zahm sie sonst sind, etwas herabwürdigend gefunden und sind lieber weg¬ geblieben. — Graf Bombelles hat jetzt wirklich Inns¬ bruck verlassen, und domicilirt in dem nahen Hall, wo er mit seiner mittlerweile eingetroffenen Familie eine Woh¬ nung gemiethet hat. Zur Geschichte des Tages. Beeidigung des Militärs auf die Consti¬ tution. Es wird von vielen Seiten geklagt, warum denn die österreichische Regierung in ihrer jetzigen Lage nicht dem Beispiele anderer Regierungen in gleicher Lage folgt, und das Militär auf die Constitution beeidet. In dieser Form ist wohl die verlangte Beeidigung nicht möglich, da wir eine Constitution noch nicht besitzen, den eine Formel für die Beeidigung des Militärs ließe sich wohl aufstellen, sie müßte lauten: „Aufrechthaltung des constituti¬ onellen Throns, der dem Volke in den März¬ und Maitagen verliehenen constiiutionellen Rechte und Freiheiten, endlich Erhaltung der Integrität der österreichischen Monarchie.“ Ehe das Militär nicht auf diese Formel beeidet ist, kann das Herz eines constitutionellen Oesterreichers nicht ohne Sorgen seyn. Namentlich jetzt vor dem Reichstage ist die¬ se Beeidigung auf das dringlichste gebothen. Wir fürchten nicht daß Gedanken und Pläne, die unserer Freiheit ge¬ fährlich sein könnten, in dem Gehirne des gemeinen Mannes und der unteren Offiziere entstehen könnten, denn diese lebten von ihrer Hände oder ihres Geistes Arbeit, wie wir, und müssen wieder zurück in unsere Werkstätten. Aber die höhern und namentlich die höchsten Offiziere, in den sogenannten höchsten Schichten der Gesellschaft geboren, sind unserer Freiheit gram. Denn unsere Freiheit beschränkt sie, ihren Uebermuth und ihre Willkühr. Darum Beeidigung des Militärs — aber nicht diese allein. Das wäre nur eine halbe Maßregel und das Heer müßte eine solche Anforde¬ rung für ein Mißtrauens=Votum der ganzen Nation hal¬ ten. Alle Angestellten, welche von der Regie¬ rung oder von dem Volke mit einer gesetzge¬ benden oder vollziehenden Gewalt betraut sind, müssen nach obiger Formel beeidigt werden. Mithin alle Staats= und Patrimonial¬ Beamten, — die ganze Geistlichkeit und der ganze Lehrkörper.

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