Zwanglose Blätter, Nr. 48, vom 30. August 1848

in Italien ein Banket gegeben, an welchem außer der Ge= neralität auch von jedem Bataillon zwei Unteroffiziere und Gemeine Theil nahmen. Unter jedem Couvert befand sich ein vier Spalten langes Gedicht, „Warnungsstimme aus Italien“ O. M. unterzeichnet (Obristlieutenant Marsano), welches bereits in ganz Oesterreich böses Blut erweckt und das Mißtrauen gegen das Militär gleichsam herausfordert. Das Banket soll im höchsten Grade brüderlich ausgefallen und Offiziere und Gemeine Arm in Arm nach Hause ge= fahren sein. — Gute Nacht! Pfefferkörner. Der Abgeordnete Umlaufft hat neulich der Kammer ein Kompliment gesagt: Er glaube im Reichstagsaale sitze die Weisheit des ganzen Reiches. Das ist aber die größte Grobheit für alle Provinzen. Da wäre z. B. Hr. Umlaufft die Weisheit von ganz Leitmeritz und die Stadt Steyr hätte gar keine Weisheit besessen, da sie sich ihr Stück Weisheit, ihren Deputirten, aus Klagenfurt verschreiben mußte. Es wäre sehr weise vom Reichstag gewesen, wenn er den Hr. Umlaufft über diese unbesonnene Aeußerung zur Ordnung gerufen hätte. Die Minister Doblhoff, Wessenberg, Bach und Schwarzer, welche auch zugleich Deputirte sind, haben als solche bis jetzt noch nicht das Wort ergriffen. Der Mi= nister des Innern, dem einst die Ungerechtigkeit der Gül= tigkeitserklärung einer Wahl vorgestellt wurde, entgegnete: obwohl er einsehe, daß in derlei Fällen nicht mit der ge= hörigen Schärfe und Gerechtigkeit zu Werke gegangen werde, könne er doch nichts dabei thun, um den Reichstag nicht in seiner Autonomie zu beschränken. Diese Ansicht des Mi= nisters ist begreiflich, aber nicht richtig. Kann er es vor seinem Gewissen verantworten, wenn er als Deputirter eine Ungerechtigkeit ohne Widerspruch hingehen läßt, oder etwa gar dafür stimmt? Wenn die Herrn Minister sich durch ihre Stellung als Abgeordnete genirt oder gar beide Würden miteinander nicht vereinbar finden, warum danken sie nicht ab? — natürlich als — Abgeordnete. Nach neueren Nachrichten über das Cölner Dom= baufest, das wir in unserem vorigen Blatte besprachen, ging es bei demselben noch zwangloser her, als wir in unserer Zwanglosigkeit schilderten. Der König von Preußen war so aufgeräumt, daß er sogar in den Gesang mit einstimmte. Der Mann ist für Deutschland Alles. Prediger, Sänger, Schauspieler und frere et — . Die deutsche Nationalversammlung hat unbedingte Rede und Preßfreiheit als ein Grundrecht des deutschen Volkes beschlossen. Nach dem einstimmigen Berichte meh= rer österreichischen Zeitungen soll es aber der Graf Cho= rinsky — Kreishauptmann in Salzburg, gewagt haben, dem dort neuantretenden Theaterpächter die Bedingung zu stellen, jedes Stück vor der Aufführung ihm, Chorinsky, zur Revision vorzulegen. Als Grund dieser Maßregel wird angegeben, der in Aussicht stehende Ruheaufent= halt (Tacitus nennt derlei sejours anders) der Kaiserin Mutter und des Erzherzogs Ludwig. Ist denn dieser Cho= rinsky unersetzlich, Herr von Skrbensky? Das Ministerium ist aufrichtig deutsch gesinnt und die Czechen in der Reitschule sind ebenso gerecht als edel. Wollen Sie ein Beispiel? Als der czechische Abge= ordnete Rieger vom Wiener=Pöbel insultirt wurde bean= tragte ein Kammermitglied ein Gesetz zur Sicherstellung der Deputirten — alle deutschen Abgeordneten unter= stützten diesen gerechten Antrag und das Ministerium ging mit Freuden darauf ein. — Als der deutsche Deputirte in Frankfurt, Kuranda, bei seiner Vermählung in Kolin von aufgestachelten Haufen insultirt worden war, beantragte Schußelka im Reichstage ein Gesetz zur Sicherung der Un= verletzlichkeit der deutschen Reichsabgeordneten in Oesterreich. Die czechischen Abgeordneten zischten diesen Antrag aus und das Ministerium fand sich nicht beru= fen darauf einzugehen! Die Zeitungen sind arge Schelme. So schreiben sie oft in der einen Spalte unsere Truppen seien bei ihrem Einzuge in die italienischen Städte von der zahllosen Men= ge mit Jubel empfangen worden, und in der nächsten Spalten ist zu lesen, daß sie die Städte leer oder wenig= stens von der besseren Klasse der Einwohner verlassen fan= den. Man bilde sich ja nicht ein, daß der Lombarde den Deutschen wird lieben lernen, besonders so lange dieser immer nur mit Feuer und Schwert und einem Heere von Beamten ihn heimsucht. Fortsetzung der Arbeiterunruhen in Wien am 23. August. „Obwohl man sich in Wien mit der Hoffnung schmeichelte am 22. die Aufregung der Arbeiter in dem Maße gestillt zu se= hen, daß kein weiterer Ausbruch mehr zu fürchten sei, so war doch der 29. d. M. reich an unverhofften und höchst traurigen Begebenbeiten. Nach den neuesten Wiener Berichten zogen ge= gen Mittag vom Arbeitsplatze im Prater die Männer und Wei= ber gegen die Jägerzeile heran, um einen wunderlichen Leichen= zug zu begehen. Auf einer Bahre lag eine Figur aus Lehm in Lumpen gehüllt, an der Brust hing ihr ein Blatt, auf dem zu lesen war, „der Kreuzerminister.“ Die Leidtragenden erzählten, der arme Mann hätte 4 kr. verschluckt, am 5. sei er aber erstickt. Die Weiber trugen Hacken und Schaufeln wie brennende Fa= ckeln aufrecht. Mehrere Herren, unter ihnen zwei der akademi= schen Legion sprachen ihnen, über den fantastischen Aufzug la= chend zu, nicht wie es die Absicht war, durch die Jägerzeile zu ziehen, um kein Aufsehen zu verursachen, sondern wieder auf

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