Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 26, Dezember 1965

zu beobachten. Aller Unrat soll in das nächstgelegene Wasser geworfen werden. Wurden in der Stadt Schweine gehalten, mußten sie mit „sauberer Verpflegung" versorgt werden und durften nicht ins Freie. Von diesen Anordnungen des Magistrates wurde jedem Viertelmeister ein Auszug zugestellt, damit er sie den Bewohnern seines Viertels bekanntmachen könne. Von den Behörden wurde als Schutz vor Ansteckung eine besondere Pestdiät empfohlen. Zum Frühstück sollte eine saure Suppe oder eine „Dotter- und Einbrennsuppe" gegessen und nachher ein Glas Wein, in dem über Nacht ein Stückchen Kampfer in der Größe einer mittleren Erbse gelegen war, getrunken werden. Auch könnte ein halber Eßlöffel voll Wacholder-Salse genommen werden. Ganz armen Leuten riet man „einen oder zwei Messerspitz voll gestoßenen gemeinen Schwefel oder Schwefelblühe Brod oder etliche frische oder in Essig gebeizte Cronabethbeer (Wacholderbeeren) oder etliche Rautenblättl oder ein Lorbeer oder ein Knoblauchzehe! (zu) essen oder vier Tropfen Cronabethöl (Wacholderöl) auf einen Sessel Suppen oder Bissen Brod oder einev halben Arbes groß Campher (ein Stückchen Kampfer in der Größe einer halben Erbse) zu nehmen. Man kann auch Schwämm- lein mit beistehenden Gifst-Essig genetzt oder in Cronabeth- oder Agtsteinöhl befeuchtet in die Knöpfeln tragen und öffter dazu riechen, auch mit dem gemeldeten Essig oder Öhl die Pulsadern an Händen und Schlöffen schmieren, benebens kann gar nützlich das Johannesöhl, gemeine Scorpionöhl täglich hinter die Ohren und unter die Achseln angestrichen werden". Am 26. August wurde der Magistrat verständigt, daß die Steiermark ihre Grenzen gegen Unter- und Oberösterreich gesperrt hatte. Um 5 Uhr morgens des folgenden Tages überbrachte ein Bote des Landgerichtes einen schriftlichen Befehl Kaiser Karl VI., mit der Weisung, die Grenzen der Stadt gegen Unter- österreich zu schließen und niemanden das Stadtgebiet betreten zu lassen, der sich nicht mit einem vom Kaiser persönlich unterzeichneten Passe ausweisen konnte und sich überdies in Haag oder Aschach einer Quarantäne unterzogen hatte. An den Straßen, die vom Ennsdorf nach Unterösterreich führten, wurden die schon vorhandenen Jnfektionswachen verstärkt, und angeordnet, daß jeden Tag ein anderes Mitglied des Äußeren Rates an der Wacht teilnehmen sollte, damit es „souill genauer Zuegehe". Für den diensthabenden Ratsherren wurde eine Hütte erbaut und vor den einzelnen Wachtpunkten Schandsäulen ausgerichtet, um die Fremden abzuschrecken, das Stadtgebiet zu betreten. Die Sperre hatte zur Folge, daß der Wochenmarkt nicht mehr mit Getreide und anderen Lebensmitteln aus den niederösterreichischen Nachbarorten beliefert wurde und der Rat befürchtete, daß deshalb in Steyr ein Lebensmittelmangel eintreten werde. Den Sierningern und Neuhoiuern war es noch erlaubt, den Wochenmarkt zu beliefern. Roch am 1. September hatten die Ärzte der Stadt dem Rate versichert, daß sich in Stevr keine seuchenverdächtigen Personen befänden, aber schon am 18. September ließ Bürgermeister Adam Wilhelm die Oberviertelmeister der Stadt zu sich kommen und forderte sie auf, alle erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, da im Meißlischen Hause Seuchenfälle aufgetreten waren. Das Haus wurde gesperrt, d. h. die Bewohner dursten es nicht verlassen oder mit anderen Leuten Umgang pflegen. Sollte sich die Pest in anderen Häusern zeigen, so wären sie ebenfalls zu sperren. Inzwischen hatte die Stadt eine Reihe notwendiger Vorbereitungen zur Krankheitsverhütung und -bekämvfung getroffen. Mit einem Wochenlohn von zwei Gulden wurde Ferdinand Raab, zum Lazaretthausinspektor bestellt und „Ziehknechte", die die Kranken mittels eines schwarz angestrichenen und verdeckten Tragsessels ins Lazarett zu bringen hatten, mit einem Wochenentgelt von 34 Kreuzern aufgenommen. Für das Begraben eines Verstorbenen erhielten sie zwei Gulden. 34

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