Chronik der Stadt Reichenau

Die folgende Sendung machte Schöffel stärker und sein Bruder Ignaz reiste mit derselben nach Prag, doch Griner nahm die Dosen wieder nicht, da ie ein zu plumpes Aussehen hatten. Ignaz verkaufte einen Teil bei Pra¬ ger Inden, mit dem anderen bereiste er einige Städte, doch war der Ertrag unbedeutend. Mit der vierten Lieferung reiste Johann Schöffel selbst nach Prag, fand aber keinen Abnehmer. Schließlich geriet er an einen Juden, der ihm die Dosen abnahm, sie aber nur zur Hälfte bezahlte und für die andere Hälfte einen Wechsel ausstellte. Nach Ablauf der Frist schickte Johann Schöffel seinen Bruder Ignaz nach Prag, um die Wechselschuld zu kassieren. Der Jude wollte jedoch das Geld nur an Johann persönlich auszahlen, gab Ignaz einen Dukaten Reisegeld und er mußte unverrichteter Dinge heim¬ kehren. Der Buchhalter Schöffels, Ziegler, erbot sich, die Sache mit dem Juden zu schlichten und begab sich mit einem Arbeiter nach Prag. Durch einen Winkeladvokaten ließ er den Juden auf Zahlung einklagen und er¬ zielte das gerichtliche Urteil: „Wenn der vermögenslose Jude zu Besitz käme, solle sich Schöffel daran schadlos halten“. Die Gerichtskosten betrugen 40 fl. und Ziegler wurde in Prag in Haft behalten, bis die Kosten erlegt würden. Der mitgenommene Arbeiter kehrte mit der Hiobsbotschaft allein zurück. Daraufhin reiste Johann Schöffel mit seiner Tochter Anna und einer von zwei Arbeitern getragenen Menge Dosen nach Prag, um den Buchhal¬ ter Ziegler aus der Haft zu lösen. Wegen einer wichtigen Aussprache mit dem Grafen Josef von Waldstein, welcher derzeit in Dux wohnte, begab er sich nach dort und verkaufte dort auch die Dosen. Mit einem Träger schickte er achtzig Gulden nach Reichenau voraus. Dem Arbeiter wurde aber das Geld in der Münchengrätzer Kirche gestohlen, was für Schöffel einen schwe¬ ren Schlag bedeutete. Wohl versprach der Arbeiter, das Geld nach und nach abzuzahlen und hielt auch Wort. Johann Schöffel gibt wegen mißlichen Verhältnissen die Fabrikation auf. Durch den drückenden Geldmangel sah sich Schöffel genötigt, sich wieder seiner Porträtierkunst zuzuwenden und begab sich nach Zittau, wo er so viel verdiente, daß er mit nur wenig Arbeitern den Betrieb in Reichenau fort¬ etzen konnte. Mittlerweile war der Bau des Fabriksgebäudes vollendet, aber die Schulden beim Grafen von Waldstein waren auf 3300 fl. gestiegen. Schöffel kam nach Reichenau zurück und hoffte nun, die Fabrikation im gro¬ ßen Stile wieder aufnehmen zu können. Doch sein Mißgeschick verfolgte ihn weiter. Die Gräfin drängte auf Rückzahlung der an Kaufmann Griner in Prag überwiesenen 300 fl. und da Schöffel außerstande war, zu zahlen, ließ die Gräfin alle Waren in Beschlag nehmen und bis zur gänzlichen Be¬ zahlung versiegeln. Johann Schöffel stand wieder vor dem Nichts und gab alle Hoffnung über den Fortbestand seines Unternehmens auf. Überall, sogar seinen Ar¬ beitern schuldig, war er in seinem Hause nicht mehr vor Schlägen sicher In seiner Bedrängnis beschloß er wieder seiner Kunst nachzugehen und begab sich nach Bad Warmbrunn, wo er durch das Porträtieren der russischen und polnischen Kavaliere einen bedeutenden Verdienst erzielte, sodaß er seiner Familie und den Gläubigern größere Geldbeträge schicken konnte. Einen Freund von seltsamer Treue besaß Schöffel in dem Maler Korez, 91

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