Chronik der Stadt Reichenau

welcher ihn auf seiner Reise begleitete und in Warmbrunn sich durch Lackie¬ ren der Herrschaftskutschen einen Verdienst verschaffte. Schöffel bereitete den Lack und so fanden beide ein gutes Auskommen Als im Herbste die Kurgäste Warmbrunn verließen, reiste Johann Schöffel nach Wien und verblieb dort über den Winter. Er fand dort Ein¬ gang in die höheren Kreise und hatte die hohe Ehre, den Kaiser Josef por¬ trätieren zu können. Bei dieser Gelegenheit fragte der Kaiser den Künstler nach seinen Familienverhältnissen. Schöffel erwiderte, daß seine Frau eine geborene Komtesse von Beck sei. Der Kaiser berichtete nun Schöffel, daß in der Staatskassa vom Onkel seiner Frau, dem Generalfeldmarschall von Beck ein Legat von 20.000 fl. für die Familie deponiert sei. Als sich Schöffel um die Auszahlung des Geldes bemühte, wurde ihm erklärt, daß dieses Legat innerhalb 20 Jahren von der Familie behoben werden konnte und nach die¬ ser Frist dem Fiskus verfallen sei. Im kommenden Frühjahre reiste Johann Schöffel nach Venedig und verdiente dort so viel Geld, daß er die meisten Schulden in Reichenau und beim Grafen von Waldstein bezahlen konnte. Von Venedig wollte sich Schöf el nach Rom einschiffen, seine Sachen waren bereits verpackt und für die Reise fertiggestellt. Eine plötzliche Erkrankung hinderte ihn jedoch, die Fahrt anzutreten. Nach einigen Tagen erhielt Schöffel die Nachricht, daß das Schiff untergegangen sei; er entging durch seine Krankheit dem sicheren Tode. Nach seiner Genesung trat Johann Schössel die Heimreise über Mähren an, hielt ich dort einige Zeit auf und kam wieder nach Reichenau, um eine neue Be¬ tätigung im Papierfärben zu beginnen. Er kaufte große Pfannen, füllte sie mit Farbe und tauchte das Papier in dieselbe und glättete die Bogen mit einem Polierstahl. Nach der ersten Lieferung gab er diese Arbeit wieder auf, da ihm die nötigen Kenntnisse der richtigen Behandlung fehlten. Ein Turnauer Kaufmann kam zu Schöffel mit der Anfrage, ob er eine Bestellung auf Metallknöpfe übernehmen wolle.In seinem Drange nach Betätigung und Verdienst übernahm Schöffel den Auftrag, goß die Knöpfe und ließ sie durch Steinschneider schleifen und polieren. Nach drei Monaten war der Auftrag erledigt und Schössel versuchte die Erzeugung von Knöpfen mit aufgekitteten Glasflächen, welche er ebenfalls schleifen und polieren ließ Längere Zeit fand er Abnehmer auf diese Knöpfe, welche auch einen ansehn¬ lichen Ertrag abwarfen. Nun hatte Johann Schöffel wieder Geldmittel, um an die Erzeugung von Scharnierdosen zu schreiten. Als er einen ziemlichen Vorrat fertig hatte, reiste er damit nach Prag, logierte sich im Gasthause „Zu den drei Amseln ein und begab sich auf die Suche nach Käufern. Als er wieder dort eintraf, wvaren die Dosen gestohlen. Vom Wirte, den er zur Rede stellte, erhielt er noch Grobheiten. Durch diesen Diebstahl war er wieder in eine bedenkliche Lage geraten, da er nicht mehr das nötige Geld für die Rückreise besaß Zum Glücke weilte der Reichenauer Fleischermeister Josef Ullrich in Prag, welcher ihm aus der Not half Johann Schöffel sah sich wieder in seinen Hoffnungen getäuscht und war entschlossen, nun endgültig die Dosenerzeugung aufzugeben, als der Schwabe Georg Schmidt nach Reichenau kam, welcher in der Scharnierarbeit gründlich eingeführt war und Johann Schöffel bewog, die Arbeit fortzusetzen und ihm auch sein Bargeld von 60 fl. übergab. Die Scharniere waren bisher eine der schwierigsten Aufgaben Schöffels gewesen, aber durch Schmidt wurde die Arbeit bedeutend erleichtert und vervielfacht. Noch war die zeitraubende Arbeit des Graphitierens ein Hindernis, da es nur aus freier Hand ohne Hilfsmittel betrieben werden konnte. Aber 92

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