Chronik der Stadt Reichenau

auch diese Aufgabe wurde zum Wohle Schöffels einer glücklichen Lösung zugeführt. Ein dem Trunke ergebener, sonst aber mit vielen Kenntnissen begabter Obersteirer kam zufällig nach Reichenau und fragte bei Schöffel um Arbeit an. Als er die mit dem Graphitieren beschäftigten Arbeiter sah, meinte er, daß die Arbeit falsch gemacht würde, zeigte Schöffel die richtigen Kunstgriffe, wodurch die Arbeit erleichtert und viel mehr fertig wurde Durch glücklichen Zufall hatte nun Johann Schöffel sachkundige Kräfte gefunden und nach jahrelangen Bemühungen und Mißerfolgen erstrahlte hmn die Sonne des Glückes. Mit doppeltem Eifer ging nun Schöffel nach überwindung der größten Schwierigkeiten an das verbesserte Werk, stellte 2 Lehrlinge an und fand genügend Absatz für die neue, schöne Ware. Die Erzeugung bestand noch immer hauptsächlich in Scharnierdosen, doch wurden auch wieder runde Dosen in Angriff genommen und nach einigen Versuchen gelang die Herstellung runder Dosen zur vollen Zufriedenheit Schöffel betrieb nun diesen Artikel als Haupterzeugnis und die beschwer¬ lichere Arbeit der Scharnierdosen wurde nur nebensächlich geführt Das Fabrikat hob sich immer mehr und in kurzen Jahren fand fast die gesamte ärmere Bevölkerung von Reichenau und Umgebung einen beschei¬ denen, aber für die damalige einfache Lebensweise hinreichenden Verdienst. Eine Ausnahme bildeten die Dosenmaler und =Lackierer, welche für ihre mehr künstlerische Arbeit höhere Verdienste erzielten Von den Kindern Johann Schöffels waren nur drei am Leben geblieben und der in Köln geborene Sohn Karl hatte sich mit seiner Hilfe in Miltschin im Taborer Kreise eine Dosenfabrikation eingerichtet. Johann Schöffel hatte sich das Geld für die Betriebseinrichtung seines Sohnes vom Liebenauer Kaufmann Unger und dem Radler Papiermüller Schütz ausgeliehen. Karl war ein Genie voll witziger Einfälle und toller Ränke. Sein gan¬ zes Leben bestand aus einer Kette teils scharfsinniger, teils törichter Possen und Streiche. Er sollte noch bei Lebzeiten seines Vaters Johann Schöffel die Reichenauer Fabrikation mit den Gebäuden übernehmen, aber in seinem grenzenlosen Leichtsinn verkaufte er das Erbe seines Vaters noch bei dessen Lebzeiten an seinen Schwager Karl Hofrichter, welcher seine jüngere Schwe¬ ster geheiratet hatte. Johann Schöffel, welcher durch seinen Schaffensgeist den Grundstein zu der ein Jahrhundert bestehenden Dosenfabrikation und der sich aus dieser entwickelten Olmalerei legte, starb, betrauert von der gesamten Bevölkerung, im Alter von über 80 Jahren am 27. April 1830. Sein Sohn Karl führte in den letzten Jahren einen abenteuerlichen Lebenswandel in der Fremde und starb in gänzlicher Armut im Spitale der Barmherzigen Brüder in Prag im Jahre 1840 Der Bruder Johann Schöffels, Ignaz, errichtete mit seinen vier Söhnen eine eigene Fabrikation, welche im bedeutenden Umfange ausgebaut wurde und im Laufe der Zeit mit der Familie Hofrichter zu einer Rivalität und Konkurrenzstreitigkeiten führte. Auch errichteten noch andere Familien die Dosenerzeugung, so daß eine überproduktion der Ware eintrat und die neuen Lieferanten die Preise herabdrückten. Mit der Preissenkung der Dosen trat auch eine Herabsetzung der bisher gezahlten Arbeitslöhne ein. Eine große Schar Arbeiter, welche für den geringeren Lohn nicht arbeiten wollten, rot¬ tete sich am 30. Jänner 1839 mit Axten, Beilen und Knütteln bewaffnet zu¬ sammen, zogen in die Häuser der Arbeitswilligen, welche sich mit dem klei¬ neren Lohne begnügten, zerschlugen die Drehbänke und Arbeitsgeräte und mißhandelten die Leute, so daß mehrere Personen ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen mußten. 93

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