Chronik der Stadt Reichenau

eine Anweisung auf 300 fl. C. M. aus, welche er bei dem Prager Kaufmanne Griner beheben konnte. Mit diesem Gelde begann er nun die Fabrikation der Dosen in einem für seine Verhältnisse zu großen Stile, indem er in der Nachbarschaft gleich einige Häuser mietete. Im ersten Hause beschäftigte er 4 Kreisler, im zwei¬ ten 16 Schleifer, im dritten 6 Lehrlinge, welche der Maler Albert unterrich¬ tete, das vierte bewohnte Schöffel selbst. Zum Kochen des Lackes baute Schöf¬ fel ein eigenes Häuschen von 10 Ellen Länge und Breite. Dieses Lackhäus¬ chen brannte aber im folgenden Frühjahre ab. Sein Kompagnon Albert war eine sehr teuere Kraft, da Schöffel dessen Familie in Prag vollständig erhalten mußte. Kaiser Josef II. gewährte in jener Zeit solchen Fabriks¬ gründungen bedeutende Unterstützungen und auf eine derartige Beihilfe hoffte auch Schöffel. Wie die mündliche überlieferung berichtet, unternahm er auch die Reise nach Wien und unterbreitete im Kontrollgange dem Kaiser seine Bitte, worauf er auch von dem Monarchen 200 fl. erhalten haben soll Um die Fabrikation im großen betreiben zu können, ließ er 16 Dreh¬ bänke für die Dosenschleiferei bauen, von Prag bezog er verschiedene Werk¬ zeuge und Eisenwaren, die große Zahl seiner Arbeiter mußte entlohnt wer¬ den, sodaß seine Kasse bald wieder leer wurde und er seinen Bedarf auf Kredit nehmen mußte, wodurch sich in kurzer Zeit eine große Schuldenlast anhäufte Schöffel erstrebte den Bau eines eigenen Gebäudes für seinen Betrieb und sprach beim Grafen Josef von Waldstein vor wegen des nötigen Bau¬ holzes. Der Graf bewilligte ihm 500 Stämme auf Kredit. Das Fällen des vielen Holzes rief bei der Reichenauer Bevölkerung große Erregung und Unwillen hervor, da sie sich hiedurch gekürzt fühlten. Auch der damalige För¬ ter, welcher Schöffel nicht gut gesinnt war, rechnete das Holz zu einem ho¬ hen Preise an und überreichte dem Grafen die Rechnung selbst mit dem Bemerken, daß er durch die Errichtung einer Industrie in Reichenau keine Waldarbeiter mehr auftreiben könne. Der Graf erteilte nun den Befehl das Schlagen des Holzes einzustellen. Leider kam der Befehl zum Wohle Schöffels schon zu spät, da die Stämme bis auf eine geringe Zahl bereits gefällt waren. Johann Schöffel ging nochmals zum Grafen, um ihm den wahren Sach¬ verhalt klar zu legen und erhielt das Holz nun zu einem geringeren Preise Es wurde nun mit dem Bau des noch heute stehenden Fabriksgebäudes begonnen, doch wegen Geldmangel wurde jedoch der Bau durch Vermittlung des Grafen von Waldstein erst nach zwei Jahren vollendet. Die Schulden¬ last wuchs, die Arbeit ging nur langsam vorwärts, die erste Lieferung sollte im Herbst fertig sein, verzog sich aber um Monate, sodaß Schöffel auch die Arbeiter nicht mehr voll entlohnen konnte. Als sein Kompagnon, der Maler Albert, die Schwierigkeiten sah, mit welchen Johann Schöffel um den Be¬ stand seines Unternehmens zu kämpfen hatte, verließ er ihn heimlich Die Gläubiger wurden ungeduldig und drängten auf Bezahlung, Schöffel vertröstete sie auf die erste Lieferung und hoffte noch auf eine Unterstützung vom Kaiser Joses. Die Drechsler und Schleifer erhielten wöchentlich einen halben Taler, die Maler einen ganzen Taler und volle Verköstigung. Die Arbeitszeit begann früh um fünf Uhr und dauerte bis acht Uhr abends. Endlich kam es zur ersten Lieferung, doch reichte der Ertrag nicht zur Dek¬ kung aller Schulden und die Gläubiger erhielten nur Teilbeträge ausgezahlt Nach vier Wochen schickte Schöffel die zweite Lieferung nach Prag, doch wurde diese vom Kaufmanne Griner nicht angenommen, da die Dosen angeblich zu chwach wären. 90

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