Chronik der Stadt Reichenau

bitten. Seine Frau ging mit den Kindern ebenfalls, um ihre Nahrung bei remden Menschen zu suchen, kam auf ihrer Wanderung von Haus zu Haus bis nach Österreich, und kehrte nach ¾ Jahren nach Reichenau zurück Johann Schöffels erste Schritte auf dem Gebiete der Kunst. Der Sohn Georgs, Johann Schöffel, war mittlerweile 14 Jahre alt ge¬ worden und hatte sich trotz der ärmlichen Familienverhältnisse zu einem nach künstlerischer Betätigung strebenden Geiste entwickelt. In Reichenau hatte sich ein Mann aus Böhm.=Kamnitz niedergelassen, welcher aus einer Tonmischung in Formen gepreßte Figuren erzeugte und mit dieser Arbeit einen ansehnlichen Verdienst erzielte. Der kleine Johann fand Gefallen an dieser Beschäftigung und nach einigen Versuchen gelang ihm die Herstellung solcher Figuren, für welche er auch Käufer fand. Welch künstlerische Begabung er bei seinen Anfangsarbeiten an den Tag legte, be¬ weist ein noch heute in der Familie Hofrichter aufbewahrtes Kruzifix von einer Elle Höhe Nachdem Johann Schöffel einen größeren Vorrat an Figuren erzeugt hatte, wanderte er damit nach Böhm.=Kamnitz, wo sich die zwei Brüder Albert aus seinem Geburtsorte als Maler betätigten. Er trat mit diesen in Geschäftsverbindung, indem er die Figuren erzeugte und die Maler diesel¬ ben durch künstlerische Farbenausstattung für den Verkauf fertigmachten. Johann Schöffel eignete sich durch diese Verbindung die nötigsten Begriffe vom Zeichnen und Malen an. In der Nachbarschaft der Brüder Albert betrieb ein Wachszieher sein Gewerbe.EJohann Schöffel befreundete ich mit dem Manne und drang auch in die Geheimnisse des Gießens von Wachs in Formen ein. Nach verschiedenen Versuchen gelang es ihm, Porträts aus Wachs mit freier Hand zu bossieren und erreichte in dieser Kunst eine bedeutende Fertigkeit, sowie große Ahnlichkeit der Personen. Johann Schöffels Reisen. Nachdem es Johann Schöffel mit dem Porträtieren aus Wachs zu einer Vollkommenheit gebracht hatte, die zu den höchsten Erwartungen berechtigte, begab er sich als angehender, aber an Lebensgütern armer Künstler auf Reisen. So kam er nach Annaberg im Erzgebirge, wo er in einem Wirtshause den Gästen seine Kunst im Porträtieren anbot, doch von den Leuten wegen seiner ärmlichen Kleidung verhöhnt wurde. Da erbarmte sich die Magd einer und sprach mit Scherzworten zu ihm: „Wenn mich der Herr porträ¬ tieren will, gebe ich ihm ein 4=Groschenstück, mehr wird die Arbeit nicht wert sein. Johann Schöffel, dem es sich nur darum handelte, die Leute von sei¬ ner Kunst zu überzeugen und Geld zu verdienen, willigte ein, das Mädchen um diesen Spottpreis zu porträtieren. Nach beendeter Arbeit überging das anfängliche Spötteln der Gäste in Staunen und Verwunderung über das gut gelungene Bildnis mit seiner großen Ahnlichkeit. Schöffel erhielt nun viele Aufträge und konnte sich in kurzer Zeit mit guter und passender Kleidung ausstatten. Nachdem er in Annaberg sich längere Zeit aufgehalten und die Bestellungen erledigt hatte, setzte er seine Reise in guten Kleidern und mit genügend Geld in der Tasche nach Dresden fort. 38

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