Chronik der Stadt Reichenau

Kloster die Stelle als Holzträger erhielt. Durch seine Ehrlichkeit erwarb er sich das Vertrauen seiner Vorgesetzten, so daß ihm die Schlüssel zu den Wein¬ und Vorratskellern übergeben wurden. Nach einem Aufenthalte von 16 Mo¬ naten trieb ihn seine Wanderlust aus dem Kloster, er ging nach Reichstadt und sing mit seinem ersparten Gelde einen Handel mit Galanteriewaren an. Georg Schöffel war zum jungen Manne herangewachsen, mit seinem Handel kam er in der weiteren Umgebung herum und wurde eines Tages in Weles zum Militär gepreßt. Noch als Rekrut kam er in französische Beide nahmen franzö¬ Gefangenschaft mit einem Bauernsohne aus Bösig. sische Dienste, desertierten aber, als sie französische Uniformen gefaßt hatten und so kam Georg wieder nach Reichstadt, wo ein Liebchen auf ihn wartete. Um diese Zeit (es dürfte im siebenjährigen Kriege von 1756—1763 gewesen ein), war Böhm.=Leipa von den Preußen besetzt, welche in der Gegend stark Rekruten warben. Georg, von seinem unruhigen Geiste angespornt, über¬ redete seine Braut Rosina Klein, sich mit ihm trauen zu lassen, worauf er in preußische Dienste treten wollte. Der Reichstädter Dechant vollzog jedoch die Trauung nicht und Georg Schöffel wurde auf Befehl des preußischen Kommandanten auf dem Rat¬ hause in Böhm.=Leipa kopuliert Mit einem Transporte kam Georg, von seiner jungen Frau und Schwie¬ germutter begleitet, nach Hirschberg in Schlesien, machte verschiedene Feld¬ züge gegen Österreich mit und desertierte nach fünfjähriger Dienstzeit aus dem preußischen Heere. Georg Schöffel betrieb nun einen Handel mit selbst gegossenen Zinn¬ und Bleiknöpfen und Ringen. In B. starb seine Schwiegermutter; wegen Geldmangel versagte ihm der dortige Pfarrer die Einsegnung der Leiche und Georg verscharrte sie ohne kirchlichen Beistand. Er kam wieder nach Rei¬ chenau, wurde jedoch von der k. k. Behörde wieder zum Militär genommen und dem Regimente zugeteilt, von welchem er vor Jahren in französische Gefangenschaft geraten war. Das Regiment hatte seinen derzeitigen Stand¬ ort in Italien und Georg Schöffel machte den Genuesischen Krieg mit. Nach Beendigung des Feldzuges kam auf dem Rückmarsche die Frau Georgs ins Kind Wochenbett, er selbst blieb in Mailand zurück, um das neugeborenc Feld¬ taufen zu lassen, während seine Frau von der mitleidigen Gattin des webels in ihrem Wagen mitgenommen wurde. Georg verirrte sich jedoch als Nachzügler mit dem Kinde an einer Straßenkreuzung und fand seinen Truppenteil mit der Frau erst nach drei Tagen wieder. Er zog nun mit einer Familie hinter dem Heere nach der Heimat zu. In Tuhan bei Dauba starb das Kind, welches er 300 Meilen mit fortgebracht hatte. Von Pfarrer, Lehrer, Tischler und Totengräber wurde das arme Soldatenkind unentgelt¬ lich beerdigt. Georg Schöffel kam nun in die Versorgungsanstalt für In¬ valide in Prag. Nach einjährigem Aufenthalte erhielt er vom k. k. Kriegs¬ rate die Erlaubnis, sich nach freiem Willen einen Wohnort im Vaterlande zu suchen und wurde mit einer Tageslöhnung von 4 Kreuzern aus der Anstalt entlassen Georg Schöffel kam mit seinem Weibe nach seiner Heimat Reichenau, wo er wieder einen Handel betrieb. Die Gemeinde schenkte ihm ein Stückcher Grund zum Bau eines Häuschens und so lebte er nun von seinem Handels¬ verdienste und dem Invalidengelde einige Jahre in ruhigen Verhältnissen. Doch die Familie und Not wuchsen, über Reichenau und Umgebung brach eine Hungersnot und Teuerung der Lebensmittel herein, sodaß Georg Schöf¬ fel außerstande war, durch seinen Handel die Familie zu erhalten und sich gezwungen sah, seinen Lebensunterhalt vor den Türen guter Leute zu er¬ 37

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