Chronik der Stadt Reichenau

tend billiger kamen und durch viele Jahre guten Absatz fanden. Durch das anfängliche Schleifen echter Granaten mit der Quadrante kam allmählich die Glassteinschleiferei in Reichenau zur Geltung und dürfte der erste Lieferant solcher Glassteine wohl der Enkel des Kaschelwirtes, Josef Lang, gewesen ein, welcher im Jahre 1869 das steinerne Wohnhaus Nr. 379 an der Schiller¬ traße erbaute. Später befaßten sich auch Josef Maschke Nr. 88 (Stejnel¬ naschke), Augustin Hübner Nr. 258 (Spönntag), Heinrich Tischer, Josef Wen¬ zel (Goutschneider) und andere mit der Erzeugung solcher Glasedelsteine Im Gegensatze zu der Glaswarenerzeugung im Gablonzer Bezirke befanden sich die ersten Exporthäuser in Liebenau. Erst Jahrzehnte später riß Gab¬ lonz die Siegespalme des Weltexportes an sich. Etwa vier Jahrzehnte später, am Ende des 18. Jahrhunderts, als die Geschichte von den ersten Granatschleifern in Reichenau meldet, erstand unse¬ rem Heimatsdorfe eine neue Industrie und Erwerbsquelle. Ein Reichenauer Ortskind, der vielgereiste Künstler Johann Schöffel, erfand und gründete mit zäher Ausdauer unter großen Schwierigkeiten die Dosenerzeugung, welche unserer armen Bevölkerung durch nahezu ein Jahr hundert in seiner größten Notlage einen bescheidenen Verdienst abwarf, auch erlangte unser Dörfchen durch die Dosen in weitem Umkreise eine Be¬ rühmtheit Es ist wohl nicht Raumverschwendung, wenn der Verfasser dieser Hei¬ matsgeschichte den Lebens= und Leidensweg Johann Schöffels und seiner Eltern für die spätere Nachkommenschaft ein Plätzchen widmet. Von einem Freunde Johann Schöffels, dem Maler Anton Ullrich Nr. 58, ist noch eine Handschrift vorhanden, worin der Lebenslauf Johann Schöffels und seines Vaters geschildert wird Der Verein für Heimatkunde des „Jeschken=Isergaues“ brachte im 2 Hefte seiner Mitteilungen vom Jahre 1925 die wortgetreue Wiedergabe die¬ er interessanten Handschrift und sollen einige Stellen hier vermerkt sein. Lebensgeschichte des Johann Georg Schöffel, dem Vater Johann Schöffels. Unbekannt mit dem Urheber seines Daseins, welcher ihm in seiner frü¬ hesten Jugend starb, verlor Georg Schöffel im 9. Lebensjahre auch seine Mutter, so daß er der Obhut seiner älteren, habgierigen und zanksüchtigen Schwester anvertraut war. Bei Tage hütete er bei einem Bauer die Kühe und abends mißhandelte ihn seine Schwester, so daß er eines Tages, nur mit Lumpen bekleidet und einen Rosenkranz in der Tasche, davonlief, um sein Brot bei fremden Leuten zu suchen. Auf seiner Wanderschaft kam er bis unter den Jeschken, wo er über den Sommer bei einem Bauer als Kuhhirt Beschäftigung fand. Zum Winter wurde er wegen Arbeitsmangel entlassen und erhielt einen Taler und ein Brot als Entlohnung. Frohgemut trabte er mit seinem Verdienste seinem Heimatsorte Reichenau zu, wo ihm seine Schwester mit Scheltworten den Taler abnahm und die Quälerei begann für den Jungen aufs neue. Den Winter über ging Georg Schöffel mit den Erzeugnissen eines Reichenauer Spillendrehers hausieren. Das kommende Frühjahr trieb Georg wieder auf die Suche nach Arbeit. In einem Dorfe bei Reichenberg fand er Stellung, welche darin bestand, im Jeschkenwalde mit seinem Herrn Holz zu stehlen. Nach einigen Tagen nahm er Reißaus und wanderte bis Gabel, wo er im 36

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