Ebenso schwierig war wohl auch die Beschaffung der Kleidung; dieselbe nüßte ebenfalls aus den zu Gebote stehenden Naturprodukten hergestellt werden, da es zu dieser Zeit noch keine mechanischen Spinnereien, Webe¬ cien und fabriksmäßigen Großbetriebe gab. Als Material zu der damaligen Bekleidung mag wohl hauptsächlich der uns heute nahezu unbekannte Flachs Verwendung gefunden haben, welcher eine der ersten in unserer Gegend bekannten Kulturpflanzen war. Seine Verarbeitung nach der Ernte bestand in Rösten, Brechen, Hecheln, Spinnen, Weifen und Weben. Diese Flachsbehandlung, welche den Bewohnern über das ganze Jahr Beschäftigung gab, dürfte wohl als erstes Gewerbe und als Verdienstmöglich¬ keit unserer Vorfahren im alten Reichenau zu betrachten sein. Die über den eigenen Bedarf für Kleidung erzeugten Garne und Weben wurden durch Händler in die Städte verkauft. Die Landbewohner hatten schon in jener Zeitepoche für den Bedarf der Städte zu sorgen, wodurch schon in alter Zeit ein Handelsstand für den Warenaustausch zwischen Stadt und Land auf¬ blühte. Klingerdruckhütte im Ortsteil Hinterbusch, die älteste in Reichenau. Der Flachsbau und seine Verarbeitung hat sich in Reichenau durch viele Jahrhunderte in der Landwirtschaft und in der Bevölkerung als Erwerbs¬ quelle, wenn auch in den letzten Jahrzehnten in vermindertem Umfange, bis um das Jahr 1880 erhalten. Durch die aus überseeischen Ländern eingeführte Baumwolle und deren fabriksmäßige Verarbeitung zu verschiedenen Beklei¬ dungsstoffen hörte der Flachsbau in Reichenau auf, lohnend zu sein und wurde eingestellt. Die bisher mit seiner Verarbeitung beschäftigen Bewohner wandten sich erst der Dosenerzeugung und später der Glasindustrie zu. Die Garnpreise und Spinnerlöhne richteten sich je nach Ernte, Qualität und Bedarf, wie es heute mit den Erzeugnissen der Glasindustrie der Fall ist. In dem von Augustin Weiß geschriebenen Buche ist der Garnpreis für eine Strähne mit 7—12 Kreuzer im Jahre 1824 angeführt, hingegen mit 12—20 kr. im Jahre 1828. 6* 33
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