Chronik der Stadt Reichenau

In der Gemeindesitzung vom 26. September 1886 brachte Anton F. Lang den Antrag, zwecks Ersparung der Kosten im Schulhaushalte einen eigenen Schuldiener anzustellen. In der nächsten Gemeinderatssitzung erhielt der Gemeindepolizist Eduard Seidel die Stelle eines Schuldieners, mit wel¬ cher eine freie Dienstwohnung, freie Beheizung sowie eine monatliche Ent¬ lohnung von 15 fl. verbunden war. Aber an Stelle der erstrebten Ersparnis trat eine bedeutende Ver¬ teuerung im Schulhaushalte ein und das bestehende Zerwürfnis zwischen Schule und Gemeindevertretung vergrößerte sich noch. Der Oberlehrer hatte seit der Eröffnung im Jahre 1877 im Präliminare 50 fl. und die Lehrer je 10 fl. für Beheizung jährlich zu erhalten. Dieses Kohlengeld war der Lehrerschaft auf Veranlassung des Ortsschulinspektors Anton F. Lang entzogen worden. Als Oberlehrer Podlipny in einer Ge¬ meinderatssitzung das Protokoll über diese Zulagen zur Einsichtnahme ver¬ langte, war dasselbe nicht vorfindlich und blieb auch in Zukunft unauffind¬ bar. Wie die Schulchronik berichtet, kam es unter dem neuen Schuldiener vor, daß die Lehrer im Winter wegen zu großer Kälte in den Schulklassen die Schüler öfters heimschicken mußten und wegen zuviel Schmutz und Staub die Klassen auf eigene Kosten reinigen ließen. Der früher so gut ge¬ pflegte Schulgarten wurde unter diesem Regime zu einer Wildnis ver¬ wahrlost Am 6. Jänner 1887 starb der Vater unseres Oberlehrers im Alter von 90 Jahren in Puletschnei, wo er über 40 Jahre als Oberlehrer gewirkt hatte. Die „Reichenberger Zeitung“ brachte einen langen Artikel über das Ableben dieses Schulveteranen Anton Podlipny und dessen Berufstreue im Schuldienste. An seinem Leichenbegängnisse nahmen über 70 Lehrpersonen aus der weiteren Umgebung und viele hunderte seiner ehemaligen Schüler teil. Der Bezirksschulinspektor Guettler hielt am Grabe des Verstor benen einen ergreifenden und von allen Trauergästen tief empfundenen Nachruf. Die für Reichenau und seine Industrie so bedeutungsvolle Fachschule ür Zeichnen und Malen wurde im Jahre 1888 mit den beiden Professoren Haseroth und Link zum Schaden unserer Jugend an die k. k. Staats¬ achschule in Gablonz verlegt. Der Entzug der für das Reichenauer Malergewerbe so nötigen Fach¬ schule war für unseren Ort ein schwerer Verlust, da dieselbe auch allen an¬ deren Handwerkern Gelegenheit zur besseren Ausbildung in ihrem Fache bot und auch Professionisten aus der weiteren Umgebung die Fachschule besuchten. Mehrere Reichenauer Ortssöhne verdanken ihre spätere Bern ung als Professoren an höheren Lehranstalten oder Fabriksdirektoren ihrer Ausbildung an der Fachschule. Der Volksschule blieb als Ersatz ein offener Zeichensaal für die Schüler der höheren Klassen unter gemeinsamer Leitung mit der im Jahre 1890 eröffneten gewerblichen Fortbildungsschule für Lehrlinge der verschiedenen Gewerbe Infolge des fortbestehenden Zerwürfnisses zwischen Schule und Ge¬ meinde wurde am 13. Feber 1889 von dem neu gewählten Ortsschulrate an Stelle des bisherigen Inspektors Anton F. Lang der Kaufmann Josef Peukert Nr. 53 (Bargschneiders Jusef) als neuer Ortsschulinspektor ge¬ wählt. Vom Tage dieser Wahl an begann infolge des ehrlichen und einsichts¬ vollen Charakters Josef Penkerts ein besseres Verhältnis zwischen Schule und Gemeinde aufzuleben. Die der Lehrerschaft unter Anton F. Lang ent¬ 72

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