Chronik der Stadt Reichenau

schelwirte) untergebracht. Als erster Zeichenprofessor an dieser Fachschule wirkte der Preuße Ernst Haseroth. Die Eröffnung der Fachschule wurde durch einen Festabend eingeleitet, an welchem die Gemeindevertretung, der Lehrkörper und die Maler teil¬ nahmen. Am 12. August 1876 besuchte der k. k. Statthalter Baron Weber von Ebenhoch auf einer Inspektionsreise auch Reichenau, wobei er den Schulneubau in Augenschein nahm und sich lobend über die Großzügigkeit des Baues aussprach. Im Saale „Zur Stadt Prag“ war zu Ehren des hohen Gastes eine Aus¬ stellung heimischer Erzeugnisse in Olgemälden, Zeichnungen, Dosen, Glas¬ und Gürtlerwaren veranstaltet worden, welche die Verwunderung des Statt¬ halters erregte. Er drückte seine Anerkennung mit den Worten aus: „Ja, Reichenau und Gablonz sind Diamanten in der Krone Österreichs und Rei¬ chenau blüht eine glückliche Zukunft“ Bereits im Oktober 1876, als das neue Schulhaus kaum notdürftig unter Dach gebracht war, wurde ein Lehrzimmer für die Unterbringung eines Zeichensaales eingerichtet und von der Zeichenschule besetzt. Nach zweijährigem Bau konnte das neue Schulgebäude am 23. September 1877 feierlich geweiht werden. An der Feier beteiligten sich der Bezirksschul¬ inspektor, höhere Beamte aus Gablonz, die Gemeindevertretung, der Lehr¬ körper mit der Schuljugend, die Geistlichkeit, alle Ortsvereine und Honora¬ tioren, sowie die Lehrerschaft der weiteren Umgebung. Der Bau wurde vom Gablonzer Baumeister Eduard Seiboth aus¬ geführt und kostete mit dem Baugrunde 30.152 fl. ö. W., zu deren Deckung 12.565 fl. vorhanden waren, sowie eine Subvention vom Böhmischen Landtage von 6.000 fl. Der Fehlbetrag von rund 11.600 fl. wurde durch die Gemeinde¬ biersteuer hereingebracht. An Bierumlage hatten die Gastwirte für 1 Hekto¬ liter Bier 1 fl. an die Gemeinde zu entrichten, wodurch die Schuld für den Schulbau in einigen Jahren bezahlt wurde. In der Schulchronik sind 39 Namen der an der Schulweihe beteiligten Honoratioren zum ewigen Geden¬ ken verzeichnet Die Schule war fünfklassig, enthielt im Erdgeschoß die Oberlehrerwoh¬ nung von 3 Zimmern, 2 kleine Wohnzimmer für ledige Lehrer, 2 Klassen¬ zimmer, 1 Turnsaal und 1 Lehrmittelkabinett Im oberen Stockwerke befanden sich 3 Klassenzimmer, 2 Zeichensäle, Lehrmittelkabinett und1 Wohnzimmer für den Zeichenprofessor. Der 1 Lehrkörper bestand bei Beginn des Unterrichtes in der neuen Volksschule am 24. September 1877 aus dem Oberlehrer Stephan Klement, den Klas¬ enlehrern Wilhelm Preißler und Josef Cerwinka, den provisorischen Unterlehrern Anton Lucke und Anton Preißler, den Religionslehrern Pfarrer Franz Krupitzka und Pater Adalbert Kundt, dem Zeichen¬ professor Ernst Haseroth und der Handarbeitslehrerin Marie Kletschka Die Schülerzahl betrug die stattliche Höhe von 488 Schülern, davon 235 Knaben und 253 Mädchen. Lehrer Cerwinka hatte in der ersten Klasse allein 131 Schüler zu unterrichten, für welche der Platz in den Schulbänken nicht ausreichte und die kleinen Schüler sich am Podium und auf den Fenstern Plätze suchen mußten Die heimischen Maler trugen durch Bildspenden viel zur Ausstattung der Klassenzimmer bei. Der Maler Josef Wenzel Nr. 63 schenkte für die 1 Klasse ein Kaiserbild, Ignaz Müller in Nr. 198 für die 5. Klasse ein Christus¬ bild, August Blaschke Nr. 344 ebenfalls ein Kaiserbild und Max Löffler Nr. 55 das Bild „Jesus der Kinderfreund“. 69

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