Chronik der Stadt Reichenau

und dritte Klasse unterrichten, da sich bei dem Mangel an Lehrkräften kein Lehrer fand. Erst im März 1871 erhielt die Schule in dem Lehrer Wilhelm Preißler aus Reichenau Nr. 33 eine dritte Lehrkraft Am 12. Feber 1872 wurde im Gemeindehause die vierte Klasse eröffnet und betrug die Schülerzahl am Schlusse des Schuljahres bereits 440, so daß an die Errichtung einer fünften Klasse gedacht werden mußte. Durch das neue Volksschulgesetz vom 14. Mai 1869 wurde die Schule von der Kirche getrennt, die Lehrerschaft in bessere Gehaltsverhältnisse gesetzt und die Schulpflicht für Kinder beiderlei Geschlechtes vom 6. bis 14. Lebensjahre bestimmt. Dieses Gesetz wurde von der Reichenauer Bevölkerung mit sehr gemischten Gefühlen ausgenommen. Der geistig rückständige Teil der Be¬ wohner verurteilte das Gesetz als verderblich, weil es die Jugend von der Arbeit entwöhne, sie zur Faulenzerei erziehe und zuviel Geld auf Bücher verschwende. Der fortschrittlich gesinnte Teil würdigte den Segen einer guten Schulbildung und unterstützte dieselbe. Bisher wurden die Kinder der armen Bevölkerung mit 8 bis 10 Jahren zu den Bauern als Kierten (Kuh¬ hirten) und mit 10 bis 12 Jahren in eine Handwerkslehre gegeben, wo sie meistens zu Hausarbeiten oder Kindermädchen verwendet wurden und erst nach einem oder zwei Jahren in das zu erlernende Handwerk eingeweiht wurden, wodurch der Schulbesuch vernachlässigt wurde Durch das neue Schulgesetz wurde die Schülerzahl bedeutend erhöht und die Schulzimmer überfüllt. Im Gemeindehause konnte kein den neuzeitigen Schulvorschriften entsprechendes Lehrzimmer mehr gefunden werden, so daß die Gemeinde zum Baue eines neuen größeren Schulgebäudes gedrängt wurde, da auch die Zeit des aufblühenden Maler= und Glasgewerbes für den großzügigen Bau als geeignet erschien. Als günstig gelegene Baustelle wurde von der Gemeindevertretung der dem Patronatsamte gehörende Grund gegenüber der alten Schule gewählt und im Ausmaße von 1200 Quadratklaftern zum Preise von 1 fl. ö. W. für die Klafter gekauft. Am 10. Juni 1876 wurde mit dem Bau der Schule begonnen. Durch die in Reichenau in der zweiten Hälfte des vorigen Jahr¬ hunderts im Aufschwunge begriffene Ölmalerei fand sich der Lehrer Franz Klinger im Jahre 1863 bewogen, in den höheren Klassen den Zeichen¬ unterricht einzuführen. Oberlehrer Czumpelik verbesserte den Unterricht im Zeichnen durch Vorlagen und erzielte auch befriedigende Erfolge. Als im Jahre 1871 der Landesschulrat Pater Maresch nach Reichenau zur Inspektion kam, sprach er sein Lob und Verwunderung über die Ausfüh¬ rung und gut gelungene Arbeit der Schüler im Zeichnen aus und äußerte die Worte: „Hier liegt das Talent in der Wiege“ Pater Maresch besuchte noch einige Maler und überzeugte sich von der Kunst im aufstrebenden Malergewerbe und versprach den Lehrern, Schülern und Malern, sich höheren Ortes für die bessere Ausbildung der Malkunst einzusetzen und erreichte es durch seine Bemühungen, daß schon im selben Jahre der Zeichenlehrer Dedek im Gasthause „Zur Stadt Prag“ in geson¬ derten Abteilungen für Lehrlinge und größere Schüler Zeichenunterricht erteilte. Vom Jahre 1873 an wirkte Josef Kirschner als Zeichenlehrer in Rei¬ chenau und kam von hier an die k. k. Staatsrealschule in Trautenau als Zeichenprofessor. Die Erfolge dieser Zeichenschule wurden dem hohen Ministerium vor¬ gelegt und auf Grund dieser Entwürfe erhielt Reichenau im Jahre 1874 die Bewilligung zur Errichtung einer Fachschule. Dieselbe wurde im neu¬ erbauten Hause des Josef Lang Nr. 379 an der Schillerstraße (beim Ka¬ 68

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