Chronik der Stadt Reichenau

die Aborte. Die Scheuer, wie sie jetzt noch steht, vervollständigte das ganze. Anmerkung: Die Schulscheune wurde um das Jahr 1900 von der Ge¬ meinde an den Wagnermeister Josef Beranek an der Grenze um den Betrag von 800 Kronen verkauft, abgetragen und vom Käufer bei seinem Hause Nr. 387 an der Grenze wieder aufgebaut. Kantor Ignaz Franz Kraus übersiedelte mit seinen Schülern im Herbste des Jahres 1784 in das neue Schulhaus. Die Schüler hatten nun eine gesunde und geräumige Schulstube und der Kantor eine menschen¬ würdige Wohnung. Die damaligen Kantoren hatten nebst dem Schuldienste auch die kirchlichen Obliegenheiten wie Küsterdienst, Kirchenmusik, Geläute, Taufen, Hochzeiten und Begräbnisse mit zu verrichten und waren für diese Leistungen bestimmte Gebühren festgesetzt. Für das Begräbnis eines Er¬ wachsenen hatte der Kantor 45 kr., mit Chorgesang 57 kr., Begräbnis unter 15 Jahren 30 kr., unter 6 Jahren 24 kr., stille Messe 12 kr., Engelamt 21 kr. und für das Schreiben eines Patenbriefes 3 kr. Scheingeld zu fordern. Häu¬ ig wurde auch der Kantor mit dem Amte als Hochzeitslader (Huxtbitter) betraut und ging nach dem Schulunterrichte im schwarzen Anzuge, mit einem großen Blumenstrauße an der Brust, die Gäste zur Hochzeit ein¬ laden. Dieses Huxtbitten war für den Kantor eine gute Einnahmsquelle, da er für diesen Dienst vom Brautpaare bezahlt wurde, von den geladenen Gästen Geldgeschenke erhielt, beim Huxtbieroubte als Musikant seinen Tei verdiente, durch einige Tage gute Kost hatte und noch eine Menge überreste von der Hochzeit für die Familie mit nach Hause brachte Kantor Ignaz Kraus starb nach 44jährigem Wirken in Reichenau im Jahre 1802 und folgte ihm sein Sohn Ignaz Kraus als 4. Kantor im Schul¬ dienste. Derselbe starb schon nach dreizehnjähriger Tätigkeit am 28. Dezem¬ ber 1815, nachdem ihm seine Mutter Franziska bereits am 22. März 1814, und sein Bruder Gottfried, welcher als Lehrer in Kukan angestellt war, am 6. Juni 1814 im Tode vorausgegangen waren. Somit war die Lehrerfamilie Kraus nach opfervoller Pflichterfüllung zum Wohle der Jugend, bei karger Entlohnung, nach über 100jährigem Bestande erloschen. Die anderen Nachkommen der Familie widmeten sich besser lohnender Beschäftigung und einige Sprößlinge der Familie Kraus sind heute noch als gute Musiker und Glaswarenerzeuger in Reichenau am Leben Die freigewordene Kantorstelle erhielt über Präsentation des Patronats¬ herrn Grafen Waldstein der im Jahre 1771 in Bakov geborene Paul Czumpelik, der bisher an der Schule in Turnau als Unterlehrer tätig war. Bei seinem Dienstantritte im Jahre 1816 betrug die Zahl der schul¬ pflichtigen Kinder die stattliche Höhe von 298, die alle in einem Schulzimmer unterrichtet werden mußten. Wohl war die Zahl der die Schule regelmäßig besuchenden Schüler eine weit geringere, da die Kinder der Bauern im Sommer bei der Feldarbeit helfen mußten und die Kinder der ärmeren Bevölkerung infolge der damals in Reichenau herrschenden Notlage in die Umgebung nach Lebensmitteln betteln geschickt wurden Czumpelik war den seinerzeitigen Verhältnissen gemäß ein tüchtiger Schulmann und stand in der weiteren Umgebung in hohem Ansehen. Er starb nach 9jähriger Tätigkeit am 18. Jänner 1825, betrauert von der gesam¬ ten Bevölkerung. Als sein Nachfolger wurde der bisherige, aus Wildschütz bei Trau¬ tenau gebürtige Schulgehilfe Franz Rudlof als Kantor angestellt. Ihm gelang es, infolge der immer größer werdenden Schülerzahl im ersten Jahre eines Kantorenamtes die Vergrößerung der Schule durchzusetzen. 66

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