Chronik der Stadt Reichenau

Der Grund gehörte zum Kirchengute und soll von der Gemeinde verzinst worden sein. Diese Verzinsung dürfte aber nicht der Wahrheit entsprechen, da Pfarrer Johann Friedrich Schossig bei der Grundsteinlegung zur Kirche im Jahre 1706 den bisher von ihm innegehabten Obst= und Gemüsegarten dem Kantor David Kraus für alle Zeit ohne Entgelt zur Benützung über¬ lassen habe. An diesem Vermächtnisse dürfte im Laufe der Zeit bis zum Jahre 1784 lichts geändert worden sein, da in letztgenanntem Jahre dieser Garten käuf¬ lich in den Besitz der Gemeinde überging In der Schulchronik ist der Kantor David Kraus erst im Jahre 1712 vorgemerkt, während Schwarzecker bereits im Jahre 1706 von ihm berichtet. Es läßt sich leider nicht feststellen, welche Schreibweise die richtige ist, doch dürfte der Bericht Schwarzeckers der zutreffende sein. Um diese Zeit waren die Gehälter der Schulmeister oder Kantoren und der Schulgehilfen sehr geringe. Der Kantor erhielt jährlich 16 fl. und für jeden Schüler und Schülerin wöchentlich 3 kr. Scheingeld, welche dem Kantor am Samstage zu entrichten waren, aber in den Samstagen kamen die Kinder der ärmeren Bevölkerung nicht in die Schule und der Kantor erhielt die 3 kr. nicht Am heiligen Abend und am Gründonnerstage hatte der Kantor von jedem Bauern einen Kolladen (große Brezel) und 2 Groschen 2 kr., und von häuslern 1 Groschen 3 kr. zu fordern. Die Kolladen reichten der Kantor¬ amilie öfters von Weihnachten bis Ostern und die am Gründonnerstage erhaltenen bis weit in den Sommer, da dieselben nur an Sonn= und Feier¬ tagen gegessen wurden. Daß dieses Gebäck sehr altbacken und auch aus¬ giebig war, ist leicht erklärlich. Zur Bearbeitung des Schulfeldes borgte sich der Kantor ein paar Kühe und ackerte selbst, oder wurde ihm die Feldarbeit von den Bauern ohne Entgelt gemacht. Zur Ergänzung der geringen Einkünfte sahen sich die Kantoren und Schulgehilsen jener Zeit genötigt, bei Tanzmusiken und Hochzeitskränzchen Huxtbieroubten) ihre gelernten Musikinstrumente ertönen zu lassen. Daß bei solchen Gelegenheiten getrunken und des Guten oft zu viel getan wurde, hatten die Kantoren und Schulgehilfen am nächsten Tage mit schwe¬ ren Köpfen zu büßen und die Schüler hatten je nach der Lage gute oder böse Interrichtsstunden Ein Sohn des Kantors Ignaz Franz Kraus war Gemeindeschreiber in Reichenau und zugleich Schullehrer in Puletschnei, wo er abwechselnd bei den Bauern die Kost und eine wöchentliche Entlohnung von 50 kr. Wiener Währung erhielt Nach der Ausschulung der nicht nach Reichenau gehörenden Ortschaften wurde im Jahre 1784 auf dem der Kirche gehörenden Grundstücke neben der Johannisstatue im Einvernehmen mit dem Pfarrer Johann Georg Lißner und dem Patronatsamte ein neues Schulhaus gebaut, welches des besseren Platzes wegen für die Reichenauer Schüler günstiger gelegen war. Die Schulchronik schreibt über den Bau des Schulhauses folgendes: „Das Patronatsamt wurde für das der Gemeinde überlassene Grundstück von dem Erlös des verkauften alten Schulhauses entschädigt. Die neu erbaute Schule erhielt die Katastralnummer 214 und nach der neuen Hausnumerierung im Jahre 1808 die Nummer 51. Das nunmehr neu erbaute Schulhaus war von Holz, hatte gegen Osten ein Schulzimmer, gegen Westen eine große Stube mit drei Fenstern, gegen die Kirche als Lehrerwohnung, gegen Norden war am Wege der Stall und Wilhelm Preißler: „Chronik der Stadt Reichenau“. 5 65

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