Chronik der Stadt Reichenau

Schulgute die Kartoffeln ausgraben und die Ernte von Korn und Hafer einbringen. Wie alte Leute berichteten, sperrte der Kantor unfolgsame Kinder in den Holzschupfen oder in den Kamin, in welchem besonders tatenlustige Jungen emporkletterten und von Ruß geschwärzt, zum Gaudium der Vor¬ übergehenden am Dachgiebel herumspazierten. Die Weidenruten zu ihrer Bestrafung mußten sich die Schüler selbst von den Sträuchern holen, oder wurden unartige Kinder vom Kantor an ein dem Wege zugekehrtes Fenster gestellt und mußten ansagen, wer vorüber geht. Bei diesem strafweisen An¬ sagen kamen oft recht drastische Meldungen zum Vorscheine, wie z. B.: „Die ahle Garbern führt de Zieche zun Bocke“, oder „Jonklnaz kömmt besoffen dor runder, etz rollt a en Groben und kon nemieh uff“ usw. Lief einem Schüler die Nase, warf ihn der Kantor sein mit Schnupftabak besudeltes Taschentuch zu, um sich die Nase reinigen zu können. Dieses wechselvolle Schulleben würde die heutige Schuljugend wohl manchmal gern mit der heutigen Schul¬ ordnung vertauschen, um Einblick in die gute alte Zeit zu gewinnen. Das Schulhaus Nr. 118 im Niederdorf war für die damaligen Verhält¬ nisse am besten geeignet, weil es ziemlich im Mittelpunkte der nach Reichenau eingeschulten Ortschaften lag. Im Jahre 1766 wurde das Schulhaus von Grund aus neu gebaut und mußten die nach Reichenau eingeschulten Gemeinden: Pelkowitz, Radl, Kukan, Daleschitz, Puletschnei und Klitschnei zum Neubau der Schule einen ihrer Schülerzahl entsprechenden Kostenbeitrag leisten. Erst als Kaiserin Maria Theresia und Josef II. diese übelstände in den Schulen abschafften und den Unterricht in geregelte Bahnen leiteten, trat eine Verbesserung in den bestehenden Verhältnissen ein. Der Schulunterricht mußte von dieser Zeit an in separierten Räumen abgehalten werden. Auch wurden die Schulen vermehrt und jede größere selbständige Gemeinde mußte nach dem kaiserlichen Schulerlasse vom 2. Jänner 1779 für eigene Schullokale sorgen und Lehrer anstellen. Im Jahre 1780 errichtete die Gemeinde Puletschnei eine Exkurando¬ schule, in der der Reichenauer Schulgehilfe Juppe durch einige Zeit den Unterricht erteilte. Der Schulgehilfe exhielt für seine Lehrtätigkeit in Pu¬ letschnei wöchentlich einen Silber=Zwanziger und täglich bei einem Bauer die Kost, mußte jedoch seinen eigenen Lössel haben. Drei Jahre später (1783) wurde auch in Radl eine eigene Schule in einem Privathause errichtet und wirkte auch in Radl der Reichenauer Schul¬ gehilfe als Lehrer, nachdem er schon durch drei Jahre vorher wegen der ungünstigen Wegverhältnisse über die Wintermonate dort unterrichtet hatte. Die Gemeinde Radl hatte bis zu ihrer Ausschulung dem Reichenauer Kantor jährlich 5 fl. 90 kr. zu leisten, und zwar: zu Ostern 1 fl. 30 kr., zu Pfingsten, Kirchweih, Weihnachten 1 fl. 10 kr., und zu Neujahr 1 fl. 30 kr., überdies am Fronleichnamstage jedem Choradjustanten für den jährlichen Kirchendienst 1 fl. 10 kr. Auch die anderen nach Reichenau eingeschulten Gemeinden errichteten durch den Druck des kaiserlichen Schulerlasses vom Jahre 1779 eigene Schu¬ len und hatten dem Reichenauer Kantor bis zu ihrer Ausschulung je nach ihrer Größe und Schülerzahl bestimmte Jahreszahlungen und Naturalbei¬ träge zu leisten Die Reichenauer Schulchronik berichtet, daß der Kantor seit Errichtung der Schule im Niederdorf auch den zur heutigen alten Schule gehörenden Garten zur Benützung erhielt. 64

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