Chronik der Stadt Reichenau

ein Scheit Holz mitbringen. In der Faschingszeit wurde nach dem Unter richte auch öfters bei einer Fidel oder Leierkasten getanzt. Nach Beendigung des 30jährigen Krieges im Jahre 1648 traten im Lande erst allmählich wieder bessere Verhältnisse ein und führten einigermaßen zu einem jedoch zwangs¬ losen Schulwesen. Als erster Kantor in Reichenau ist im Pfarrgedenkbuche, Seite 180, vom Jahre 1662 bis 1683, Georg Schwarz aus Puletschnei vermerkt, dessen Bruder Christov Schwarz in Puletschnei das Richteramt inne hatte, jedoch weder des Schreibens noch Lesens kundig war. Auch der Kantor Schwarz dürfte anfänglich noch in dem Hause Nr. 44 auf der Bauernseite unterrichtet haben, da diese Schule nur erst von Rei¬ chenauer Kindern besucht wurde und die Schüler der Ortschaften von: Pel¬ kowitz, Stirbon, Jestrschab, Mohelka, Radl, Obergutbrunn, Kukan, Dalleschitz Puletschnei, Klitschnei und Kopain erst später nach Reichenau eingeschult wurden Die Annahme unserer heutigen Bevölkerung, daß unsere erste Schule im Niederdorfe (bei Friedeln) sich befunden habe, ist nach dem vorher geschriebenen als irrig zu bezeichnen, da das Haus Nr. 118 im Niederdorfe erst um das Jahr 1670 von einem Schulfreunde der Gemeinde mit dem dazu¬ gehörigen Felde (Schulgut) vor seinem Tode testamentarisch geschenkt wurde In der Bevölkerung dürfte die Meinung Platz gegriffen haben, daß das Haus Nr. 118 im Niederdorfe, das der Gemeinde gehörende erste Schulhaus gewesen sein soll und diese Meinung hat sich bis heute fortgepflanzt und bis heute noch im Volke erhalten. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts kam aus Schlesien die Familie Kraus nach Reichenau als Löffelschmiede, deren Söhne sich nebst ihrem Gewerbe mit dem Schulunterrichte der Jugend befaßten. Diese Familie Kraus dürfte möglicherweise Nachkommen jener Familie Kraus gewesen sein, die zur Zeit der Gegenreformation wegen ihrer Treue zum evangelischen Glauben aus Reichenau geflüchtet war und aus Sehnsucht nach der Heimat ihrer Vorfahren nach Reichenau zurückkehrten. Nach ihrem Gewerbe als Löffelmacher behielten die Nachkommen die Spitznamen: Löffelnaz, Löf¬ elseffel usw.). Im Jahre 1712 ist in Reichenau als Kantor David Kraus in der Schulchronik vermerkt und erbte sich das Schulamt bis zum Jahre 1815 in der Familie fort. Nach dem Tode des David Kraus wirkte dessen Sohn Adam Franz Kraus als Kantor bis zu seinem am 28. Feber 1758 erfolgten Ableben. Derselbe besaß große Befähigung für das Lehrfach und wird ihm eine selten schöne Handschrift nachgerühmt. Ein von ihm im Jahre 1746 geschriebenes Zeremonienbuch ist im Schularchive aufbewahrt. Nach seinem Tode sollte sein Sohn Ignatz Franz Kraus die Kantor¬ stelle erhalten. Da derselbe erst 18 Jahre alt war, vertrat der bisherige Schulgehilfe Karl Hübner bis zu dessen Großjährigkeit im Jahre 1763 den Kantordienst. Von dieser Zeit an wirkte Ignatz Franz Kraus durch 39 Jahre als Kantor und starb im Jahre 1802. Schwarzecker schreibt, daß die Zahl der schulpflichtigen Kinder im Jahre 1750 gegen 500 betrug, was nach der Zahl der nach Reichenau eingeschulten Ortschaften auch glaubhaft erscheint und der oben angeführte Schulgehilfe wohl hinreichend Beschäftigung fand. Die Schulstuben dienten in damaliger Zeit dem Kantor mit seiner meist kinderreichen Familie zugleich als Küche und Wohnstube und die Schüler mußten Dienstbotenarbeiten verrichten, Kindermädchen machen, auf dem 63

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