Chronik der Stadt Reichenau

Durch die Hochrufe, Musik und das Schießen wurden die jungen Pferde Pfarrer Neubers scheu und rasten durch Liebenau bis auf ein freies Acker¬ feld, wo die Kalesche mit ihren Insassen über einen Rand stürzte und die Pferde angehalten werden konnten. Pfarrer Neuber und der Richter Schoeffel kamen ohne größeren Schaden davon, nur trafen sie verspätet in Böhm.=Aicha ein. Schöffel=Tounel erzählte noch in seinem hohen Alter von dieser Schrek¬ kensfahrt und sagte immer die Schlußworte: „Wenn der Pfarr ne mit der¬ bei gewast wär, heetch gedocht, die Fuhre gänge direkt ei de Hälle“ über eine neue Turmuhr unter der Zeit Pfarrer Neubers schreibt der Maler Anton Ullrich in seinem Tagebuche: „Am 8. August 1839 wurde eine neue Turmuhr auf die hiesige Reichenauer Kirche gestellt, welche von einem Legate eines allhier verstorbenen Junggesellen namens Schoeffel und aus den Beiträgen der Reichenauer und Poletschneier eingepfarrten angeschafft wurde. Sie kostet ohne Aufstellen und den übrigen Unkösten, das bloße Werk nämlich 180 fl. C. M. und ist von Josef Patzelt bürgerlichen Uhrmacher aus Reichenberg angefertigt worden In die Familie des Verfassers betreffender Zug von dem Edelsinn des Pfarrers Neuber soll an dieser Stelle vermerkt werden: Meine Mutter geb. Ullrich hatte als 12jähriges Mädchen einen Arm gebrochen und war der¬ elbe durch falsche Behandlung steif geblieben. Pfarrer Neuber fuhr das Mädchen in seiner Kutsche nach Prag, wo der Arm wieder gebrochen und neu eingerichtet wurde, wodurch er seine frühere Beweglichkeit erhielt. Pfar¬ rer Neuber holte das Kind nach beendeter Heilung wieder mit seinem Wa¬ gen zurück. Noch eine lobenswerte Tat des Pfarrers Neuber soll hier Platz finden. Am Allerheiligen=Tage des Jahres 1849 sangen einige junge Maler unter Leitung des Schulgehilfen Jirousek auf dem Kirchenchore und am Fried¬ hofe. Pfarrer Neuber als fachkundiger Kenner wußte das gute Stimmen¬ material zu würdigen und lud die Sänger nach beendeter Feier zu einem Glase Wein in sein Arbeitszimmer, wo er den Sängern den Rat erteilte, einen Gesangverein zu bilden, einerseits um einen guten Kirchenchor zu erhalten, andererseits um ihre guten Stimmen in der Öffentlichkeit hören zu lassen. Ermutigt durch das Lob und die Aneiferung begaben sich die ungen Sänger in ihr Stammgasthaus „Zur Katel=Liese“ heutige Vereins¬ halle, und gründeten dort am selben Abend den heute noch bestehenden Ge¬ sangverein „Liederkranz“Dem Pfarrer Neuber muß das Verdienst zugesprochen werden, der geistige Anreger dieser Vereinsgründung gewesen zu sein. Nach 31jährigem Wirken zum Wohle der Kirchengemeinde trat der be¬ liebte Pfarrer Franz Neuber am 1. Juli 1851 in den wohlverdienten Ruhestand und starb hochbetagt und tief betrauert am 28. Jänner 1855. 17. Pfarrer Alois Schalk, geb. am 1. Dezember 1810 in Horenoves kam am 11. September 1851 nach Reichenau. Schalk war ein Mann der hohen Wissenschaft, Professor der Dogmatik, Novizenmeister in Belgien, Dr. der Theologie, Ritter des Franz=Josef=Ordens, kaiserlicher Rat, Besitzer der großen russischen Verdienstmedaille, Dechant und Konsistorialrat. In sei¬ nem Forschungsdrange glaubte Pfarrer Schalk nach der geographischen Lage des Geländes in Reichenau und jener des Teplitzer Braunkohlengebietes auch in unserer Gegend Kohle zu finden. Um der armen Bevölkerung Ar¬ beit und Verdienst zu schaffen, legte er mit Hingabe seines beträchtlichen Vermögens auf der Pfarrwiese oberhalb des heutigen Hartighauses Nr. 485 einen Kohlenschacht an. Als die Arbeiter in einiger Tiefe auf den schwarzen 56

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