Chronik der Stadt Reichenau

vermochte. Der Pfarrer bewirkte deshalb die Vermehrung der Sitzplätze durch die Erbauung der Emporen (Burkirche), zu beiden Längsseiten des Kirchenschiffes. Diese Emporen wurden am Kirchenfeste Sankt Wenzel (28. September) 1804 geweiht und der Benützung übergeben. In früherer Zeit war es Brauch, daß sich die vermögenden Leute eigen Familienbänke in der Kirche aufstellen ließen oder sich nur für die eigene Person in den Kirchenbänken bestimmte Plätze durch einen Vertrag mit dem eweiligen Pfarrer auf Lebenszeit sicherten. Für das Aufstellen einer Fa¬ milienbank oder eines eigenen Platzes in den Kirchenbänken hatten dieIn¬ haber je nach der Lage 7 bis 20 fl. in die Kirchenkasse zu entrichten. Auf diese Plätze wurden Holz= oder Blechtäfelchen mit dem Namen undder Hausnummer des Inhabers befestigt. Auch auf den Emporen waren die Sitzplätze meist auf diese Weise vergeben, sodaß die Kosten für deren Aufbau wohl durch die Abgaben für die Plätze gedeckt wurden. Nach seinem Amtsantritte verzichtete Pfarrer Stowasser freiwillig auf die von den Bauern und Häuslern der drei Kirchengemeinden geleistete Ro¬ bot der Feldbestellung und des Holzschlagens. Im Jahre 1805 herrschte in Reichenau, wie wohl auch in anderen Orten der Umgebung durch Mißernten eine große Hungersnot. Als diese auf das höchste gestiegen war, ereignete sich ein wahres Wunder, welches an ein in der Bibel erzähltes Mannaregnen erinnert. Das Reichenauer Pfarrgedenkbuch enthält darüber folgende Eintragung: „Am Morgen des 16. Juli 1805 erhob sich ein heftiger Sturm, der gegen Mit¬ tag Regen mit Schloßen brachte. Als solche fielen jedoch kleine Körner, so groß wie Erbsen in solcher Menge zur Erde, daß man ganze Backschüsseln davon sammeln konnte. Nachdem das erste Staunen über diese seltsame Na¬ turerscheinung vorüber war, versuchte man, diese schwarzschaligen Körner zu kochen, dabei quollen sie so stark auf, daß sie aussahen wie Zuckererbsen. Einige Leute machten daraus Kasch, das ist ein Brei, was der Pfarrer Sto¬ wasser nicht glauben wollte, bis er sich durch Augenschein überzeugt hatte. Als man die überzeugung gewonnen hatte, daß der Genuß dieses „Manna“ keine üblen Folgen hatte, suchte man eifrig nach denselben auf Dächern und Rinnen. Ein halbes Seidel solcher Körner in 8 Seidel Milch war hinrei¬ chend für eine Familie von 10 Personen Man kann wohl annehmen, daß ein starker Wirbelwind die Körner von einem Felde, das vielleicht sehr weit von Reichenau entfernt liegt, in die Höhe genommen und in einer Wolke, die sich im Gewitter des 16. Juli 1805 über Reichenau, Pelkowitz und Reichenberg entladen, hieher geführt habe. Einige dieser Körner werden noch in einer Büchse im Reichenauer Pfarrhofe aufbewahrt. (Nach einer mündlichen überlieferung soll diese Büchse bei einer Reparatur des Turmknopfes, mit den Körnern, zum ewigen Gedächtnis in den vergoldeten Turmknopf zur Aufbewahrung gegeben wor¬ den sein.) über großen Priestermangel um diese Zeit schreibt Augustin Weiß fol¬ gendes: „1806 haben wir nur einen Geistlichen gehabt, und zwar den Herrn Pfarrer Stowasser von 1805 den 31. Oktober an, weil es hat solange getauert, daß mir nur ein Seelsorger gehaben. Und ist keiner zu bekommen gewesen. Weil der Herr Pfarrer Viehl mal hat zum Hochwürdigen Herrn, Herrn Bischof geschrieben und ist keiner vorredtig gewesen, weil in Leitmeritz 200 Geistlichen gefehlt haben. so hat der hochwürdige Herr Pischoff unseren Herrn Pfarrer die Erlaubnus erteilt, daß er statts der Früh Meß an Sonntägen und Feyertägen die Litaney von aller Heiligen und Glaub, Hoffnung und Liebe und 5 Vatterunser und Avemaria beten und den Lobgesang „Heilig 54

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2