Chronik der Stadt Reichenau

mit Dreschflegeln, Sensen und Heugabeln bewaffnet, dem bedrängten Pfarrer zu Hilfe eilten und die tschechischen Stürmer mit blutigen Köpfen vertrieben Pfarrer Lißner beschreibt als Augenzeuge im Reichenauer Pfarrge¬ denkbuche die ganze Begebenheit mit folgenden Worten: „So eine Raserei sah man an ihnen, daß man unmöglich anders urteilen konnte, als daß ein edweder von ihnen wohl müsse 10 Teufel um sich gehabt haben, die ihn zu solcher Wut und Unmenschlichkeit angeeifert haben“ Pfarrer Lißner starb hier am 28. Mai 1785. 10. Pfarrer Josef Münster, gebürtig aus Prag, wirkte unter Lißner durch 18 Jahre als Kaplan und erhielt nach dessen Tode die Pfarrstelle. Nach iebenjährigem Walten als beliebter Seelsorger kam Münster im Jahre 1792 als Dechant nach Vschen bei Turnau, wo er am 6. Juli 1813 verstor¬ ben ist. 11. Pfarrer Anton Erdtmann wirkte als Nachfolger Münsters bis die zum Jahre 1798 in Reichenau und wurde unter seiner Amtstätigkeit alte hölzerne Pfarrei in eine größere aus Stein umgebaut. Nach dem Berichte Schwarzeckers soll diese alte Pfarrei zur Zeit der in Reichenau wirkenden evangelischen Pastoren erbaut worden sein, die auch den Bau einer neuen Kirche anstrebten, aber an der Ausführung dieses Planes durch ihre Vertreibung verhindert wurden. Der Kirchturm war im oberen Teile durch Eindringen des Regenwassers schadhaft geworden und mußte das Dach im Jahre 1794 vollständig abgetra¬ gen und erneuert werden. Die Kosten im Betrage von über 400 fl. wurden aus Kirchengeldern bezahlt. Die Kirchengemeinden Reichenau, Radl und Puletschnei ließen auf ihre Kosten den Turmknovf und das Kreuz neu vergolden In einem von Franz Preißler geschriebenen Buche, der zu dieser Zeit gelebt hat, und das sich im Besitze des alten Frl. Marie Radofsky befindet, ist aus dem Jahre 1798 folgende Aufzeichnung enthalten: „1798 den 10. März ist der Herr Pater Josef Peukert, gebürtig aus Reichenau, seyn Vater hiße Gottfried Peukert und seine Mutter Mata¬ lene Penkert, er war in Reichenau Cablan und er hat in Reichenau Primiz gehabt anno 1799, am Sankt Wenzesley Tag. er ist zu Reichenau Cablan ge¬ wesen 19 Jahr, nach diesen ist er Ao. 1798 den 10. März auf den Svijan vor Hofkaplan gekommen“ Weiter steht auf derselben Seite des Buches: „Ao. 1798 hat unser Herr Pfarrer Anton Erdmann die Kirchen mit steiner aus Pflastern lassen“ In den Jahren 1795 bis 1796 wurde auch der alte Hochaltar durch einen neuen schöneren ersetzt. Am 22. August 1798 übersiedelte Pfarrer Erdmann in seinen neuen Wirkungskreis nach Dux 12. Als Nachfolger kam Pfarrer Josef Wunner und starb hier nach vierjähriger Tätigkeit am 11. Mai 1802. Derselbe war um die Ausstattung der Kirche sehr bemüht und strebte die Anschaffung einer neuen Orgel an, deren Aufstellung er jedoch nicht mehr erlebte 13. Pfarrer Josef Blasius Stowasser kam am 5. September 1802 von Böhm.=Gablonz nach Reichenau und traf unterwegs auf seiner Herreise auf die Fuhrleute, die die neue Orgel von Dux nach Reichenau brachten. Dieselbe kostete 650 fl. Zu jener Zeit mochten die Bewohner des Reichenauer Kirchensprengels wohl von mehr Gottesfurcht und christlichem Glauben erfüllt gewesen sein als heute und die Zahl der Kirchenbesucher eine mehrfach größere als in dem jetzigen industriellen Aufschwunge, da die Kirche an Sonn= und Feier¬ tagen die Zahl der Gläubigen unter Pfarrer Stowasser nicht mehr zu fassen 53

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2