Chronik der Stadt Reichenau

4* „Anno 1706 ist der Grundstein zur Reichenauer Pfarrkirche des heil. Wencesley gelegt worden und 1712 ist Sie vollständig aus Gebaut worden“ Mancher Leser wird über die geringen Kosten des Kirchenbaues erstaunt ein, doch ist in dem Kostenausweise hauptsächlich nur der Betrag der Ar¬ beitslöhne sowie das verwendete Eisen, Blech und Nägel enthalten, während der Baugrund, Steine, Kalk, Holz nicht in Rechnung gestellt sind und jeden¬ falls von der herrschaftlichen Besitzung ohne Entgelt geliefert wurden, sodaß die Kirche bei den damals niedrigen Arbeitslöhnen zu dem geringen Betrage hergestellt werden konnte. Nach sechsjährigem Bau erstand auf dem Platze als Kirche der einem Dome ähnliche Bau von besonderer Schönheit, dessen hohes, das Kirchendach überragende Portal diesen Anblick verstärkt. Die Kirche gereicht dem Bau¬ meister zur Ehre, dem Orte Reichenau zur Zierde und dem Anreger des Baues, Pfarrer Schossig und dem seinerzeitigen Patronatsherrn Grafen Ernst Karl von Waldstein zum ewigen Gedächtnis. Leider sollte Pfarrer Schossig die Vollendung des Baues nicht mehr erleben, denn er starb am 29. Mai 1710 und wurde sein Leichnam in der Gruft der Franziskaner in Turnau beigesetzt 2. Johann Georg Hertelt konnte den von seinem Vorgänger Schossig begonnenen Bau zu Ende führen und die Kirche am 28. September 1711, dem Todestage des heil. Wenzel, in feierlicher Weise in Anwesenheit des Patro¬ natsherrn Grafen Ernst Karl von Waldstein weihen und auf den Namen der alten Kirche „Sankt Wencel“ taufen. Die alte Holzkirche wurde im selben Jahre abgetragen. Schwarzecker schreibt in seinem Buche, daß beim Niederreißen der Kirche an einem mit Brettern verschlagenen oberen Torbalken die eingemeißelte Inschrift „11 Der Reichen Aue zur Ehre, dem Gottes Wort zur Lehre 33“, vorgefunden wurde. Aus dieser Inschrift und den Ziffern vor und hinter derselben, die zu sammengezogen die Zahl 1133 ergeben, läßt sich wohl mit einiger Sicherheit das Erbauungsjahr feststellen und ebenso die Vermutung hegen, daß die Kirche als deutsche erbaut wurde. Der Verfasser hat sich schriftlich an Herrn Professor Jungbauer an der Prager Universität gewandt und ihm diese Inschrift mit den Ziffern zur Begutachtung mitgeteilt. In dem Antwortschreiben des Herrn Pro¬ essor wird die Jahreszahl 1133 aus dem Grunde bezweifelt, daß die ara¬ bischen Ziffern im 12. Jahrhunderte hierzulande noch nicht vorkommen und auch die Inschrift neuhochdeutsch sei Dieser Auslegung läßt sich entgegenhalten, daß die Ziffern möglicher¬ weise auf dem Torbalken mit römischen Zahlen angegeben waren und die Inschrift in altdeutscher Schreibweise ausgeführt war und des besseren Ver¬ ständnisses wegen vom damaligen Pfarrer oder einem anderen Gelehrten in die neuzeitige Schreibweise übersetzt wurde. Der Verfasser hält trotz fremden Zweifels die Jahreszahl 1133 für die Erbauung unserer ersten Kirche so lange für wahrscheinlich, als nicht von wissenschaftlicher Seite ein anderes Erbauungsjahr nachgewiesen wird Bei Wiedereinführung der geordneten katholischen Seelsorge leisteten Reichenau und die Gemeinden des Kirchsprengels Radl und Puletschnei dem Pfarrer jährlich 1. Jeder Bauer einen ½ Tag Robot mit Gespann auf der Pfarrwidmut. 2. Führt jeder Bauer ab dem Pfarrer abwechselnd das Faß Bier von Swi¬ an zu, jedesmal ein halbes Faß. (Die Bierbrauerei im Richterhause Nr. 34 war jedenfalls zu dieser Zeit schon aufgelassen. 51

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2