Chronik der Stadt Reichenau

Sonn= und Festtagen auf Schleichwegen über die Grenze nach Sachsen und zu dem evangelischen Gottesdienste. Eine nähere Schilderung der angewandten Gewaltmittel zum katho¬ lischmachen der Lutheraner durch wallensteinische Soldateska, besonders des berüchtigten Pappenheimers, bringt der Verfasser an späterer Stelle zur Niederschrift. P. A. Frind berichtet in seiner „Kirchengeschichte“ daß das ganze Nord¬ böhmen lutherisch geworden sei, und auch das Dorf Nabsel im Jahre 1566 vom katholischen Glauben abgefallen sei und evangelisch wurde. Doch behaup¬ tet das Reichenauer Gedenkbuch zu selbiger Zeit auf Seite 6, daß Nabsel über die ganze Zeit des Luthertums in Nordböhmen als einzige Kirche dem katho¬ lischen Glauben treu blieb und lautet diese Niederschrift wörtlich: „Von Nabsel ist dieses merkwürdig anzuführen, daß solches (bei der da¬ maligen großen Verwirrung und Eindringen der lutherischen Prädikanten) immer und alle Zeit bei der allein Seelig machenden Christ Katholischen Kirche standhaft verblieben seyn, und sich keineswegs von der verführerischen Lutherlehre habe anstecken lassen. Der Seelenhirt aber dieser oberwähnten Kirchen=Gemeinde, welcher nebst Beistand der göttlichen gnad mit seinem Eiffer die ihm anvertraute Seelenherde von dem Luthertum unbemäkelt und rein erhalten hat, war mit Nahmen Virello und lebte noch 1619, wie hierüber die uralte Matrikul in Reichenau fol. 176 und 178 gewießheit er¬ teilet. Und dieses mag wohl auch die Ursach gewesen seyn, warumb die von ihren Hirten Verlassenen damahligen lutherische Reichenauer Kirchenge¬ meinde sich nicht nachher Nabsel, sondern sich nur zu denen umliegenden Pastoren gewendet hat, um von selben die Sakramente zu empfangen, als nur zwey Eintzige, Nemlich: Einer von Dalleschitz, welcher unter dem Virello hat taufen lassen und der andere als Pulltzney von eben diesen Virello in Nabsel sich hat kopulieren, die übrigen haben alle diesen Ehrwürdigen Prie¬ ter mit hartnäckigen Abscheu geflohen“. Diese Niederschrift dürfte nur zum Teil richtig sein, da tatsächlich die Bevölkerung ebenfalls lutherisch geworden war und vielleicht nur eine ge¬ ringe Zahl dem katholischen Glauben treu blieb und der Pfarrer Virello neben dem lutherischen Pastoren seines Amtes waltete. Wie aus der Nie¬ derschrift im Reichenauer Pfarrgedenkbuche ersichtlich ist, hatte der katholische Geistliche in Nabsel über die Zeit des dortigen Luthertums nur sehr wenig Amtshandlungen zu verrichten, da die Hauptaufgabe jedenfalls der evan¬ gelische Pastor zu bewältigen hatte. Ebenfalls ist aus der Schrift ersichtlich, daß sich die Reichenauer Pfarr¬ kinder nicht nach Nabsel gewandt haben, da Reichenau nie in den Kirchen¬ prengel Nabsel gehört hat. Es wurde früher von unseren alten Leuten erzählt, daß ihre Vorfahren nach Nabsel in die Kirche gegangen seien. Dieser Umstand ist darauf zurückzuführen, daß Reichenau nach der Gegenreforma¬ tion durch 62 Jahre keinen Geistlichen hatte und die wieder katholisch Ge¬ wordenen vielleicht in die Kirche nach Nabsel gegangen sind, weil diese viel¬ leicht die nächstliegende mit katholischem Priester war A. Paudler berichtet im Dezemberheft 1887 der „Mitteilungen des nord¬ böhmischen Exkursionsklub“ einige Aufzeichnungen des Jesuiten Pater P Stephanides über die Gegenreformation in Nordböhmen, nach welcher der Jesuit allein 11.646 Personen bekehrte und wieder der katholischen Kirche zuführte, darunter im deutschen Teile der Herrschaft Swijan 2300, doch seien 231 Personen lieber ausgewandert, als vom Lutherglauben abzulassen. Un¬ ter diesen Ausgewanderten mögen sich wohl auch jene Reichenauer befunden haben, welche Schwarzecker in seinem Buche verzeichnet hat und lautet die 43

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