Chronik der Stadt Reichenau

vom Münchengrätzer Zisterzienserkloster eine Pfarrkolatur erhielt, und folg¬ lich zu dieser Zeit schon eine größere Ortschaft mit Kirche gewesen sein muß. Schwarzecker schreibt, daß Priester aus Münchengrätz und Gabel all¬ jährlich zu hohen Festtagen in Reichenau Gottesdienst abhielten und die Bewohner in Prozessionen den viele Stunden weiten Weg nach den dortigen Kirchen pilgerten, um dort das Wort Gottes zu hören. Auf solchen Kirchen¬ wanderungen mag es vorgekommen sein, daß die Pilger von Wegelagerern geplündert worden sind. über die damalige Unsicherheit auf den Straßen in Böhmen durch das Raubrittertum und Räuberunwesen berichten „Rohn's Chronik von Rei¬ chenberg und Friedland“. Seite 31 und 32, sowie „Pescheks Geschichte von Zzittau, Seite 309, daß König Premysl Ottokar der II. von Böhmen, welcher den Deutschen günstig gesinnt war, viele Deutsche aus dem volkreichen Ger¬ manenlande in Nordböhmen ansiedelte, zu ihrem Schutze gegen Raubüber¬ fälle Burgen anlegte, Städte befestigte, die Straßen vom Räuberunwesen säuberte, den Wohlstand und Glauben förderte, wodurch das deutsche Wesen in Nordböhmen gestärkt wurde. Dieser Umstand sowie das Anwachsen des Christentums führte zum Bau vieler deutscher Kirchen. Der Historiker Balbin zählt in seinen Miszelanen I lieb. 5P 28 im Jahre 1384 bereits 33 Kirchen in Nordböhmen auf und steht Reichenau an der siebenten Stelle. Da Balbin in seinem Verzeichnisse die Kirchen jeden¬ falls nach ihren Erbauungsjahren anführt, so wäre die Reichenauer Kirche mit eine der ersten in der weiteren Umgebung gewesen, was mit Sicherheit auf ihre frühzeitige Erbauung schließen läßt und die Errichtung durch den Kreuzfahrer wiederum bestätigt würde. Balbin schreibt in seinem Kirchenregister die meisten Namen der Ort¬ schaften und Städte mit lateinischer Bezeichnung und unter den wenigen deutsch geschriebenen Ortsnamen befindet sich Reichenau, weshalb anzuneh¬ men ist, daß unsere erste Kirche als deutsche erbaut wurde, sowie auch von Balbin im Jahre 1384 als deutsche bezeichnet wird und wohl auch bis auf den heutigen Tag hussitischer und anderer Anstürme getreulich ihren deut¬ chen Charakter bewahrt hat Leider kündet uns weder die Chronik der Kirche noch ein Historiker die genaue Zeit der Errichtung und den Namen des Erbauers unserer ersten Kirche. Ebenso fühlbar macht sich der Mangel über die Aufzeichnung der ersten Priester, da nach dem „Liber I konfirmationum ed Tingel“ Seite 145, erst um die Mitte des 14. Jahrhunderts der Pleban (Pfarrer) Johannes erwähnt wird, welcher im Jahre 1360 in Reichenau verstorben ist. Als seinen Nachfolger sandte der Münchengrätzer Abt Werner am 25. Jänner 1361 den Kleriker Johann Albert von Sebnitz als Pfarrer nach Reichenau und wurde derselbe vom Pleban aus Jentschowitz installiert Am 2. August 1369 erhielt Reichenau den Ciriaken Petrus aus Prag als Pfarrer. Balbin schreibt, daß vom Jahre 1383 an jede Kirche an den Prager Erz¬ bischof Johann von Grenzenstein einen der Größe des Kirchensprengels ent¬ prechenden Jahreszehent in böhm. Groschen zu leisten hatte. Reichenau und die im Jahre 1357 in Gablonz erbaute Kirche waren wegen der Armut von dieser Abgabe befreit. Die Kirchen in Reichenau und Umgebung unterstanden um diese Zeit dem Erzpriester (Vikar) in Turnau, dem Erzdechant in Jungbunzlau und dem Erzbischof in Prag Am 23. April 1395 kam, vom Abte Wenzel in Münchengrätz entsandt der Pater Martin aus Turnau als Pfarrer nach Reichenau. 44

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