Chronik der Stadt Reichenau

sechsjährigen Dienstzeit wurde in Reichenau die Fachschule für Zeichnen eröffnet und in den Jahren 1876—1877 die neue Volksschule an der Hoch¬ straße erbaut Der Kaufmann Josef Maschke Nr. 237 war Vorsteher vom Jahre 1880 bis 1885. Er erwarb die Gasthauskonzession für sein Haus und wurde in sei¬ ner Amtszeit am 6. Juli 1885 der Bau des Bahnhofes in Angriff genommen. Franz Pietsch Nr. 68, Gastwirt und Bilderhändler, waltete vom Jahre 1885 bis 1890 des Vorsteheramtes. Seine Tätigkeit begann er mit dem Baue eines Tanzsaales an seinem Hause. Unter seine Amtszeit fiel die Eröffnung des Bahnhofes am 19. Juli 1886 und der Bahnhofstraße (heutige Masaryk¬ Straße). Aus Anlaß der Bahnhoferöffnung veranstaltete die Gemeinde unter Mitwirkung aller Ortsvereine vom 25. zum 27. Juli im Planewalde ein großes Volksfest (Wiesefleckl). Dieses ergab einen Reinertrag von 475 fl., welcher zur Regulierung des Marktplatzes und der Mohelka verwendet wurde Obwohl der Besitzer des Gasthofes „Stadt Karlsbad“ in Gablonz schon eit Jahren einen geregelten Personenverkehr mit Omnibussen zwischen Gablonz und der alten Station Reichenau (Grundloch) im Betriebe hatte errichtete Franz Pietsch nach Eröffnung des Bahnhofes ein großes Unter¬ nehmen zur Personenbeförderung mit Omnibussen und Kutschen. Im Jahre 1887, und zwar im Winter, befiel die Pferde des Pietsch die Rotzkrankheit und von 16 Pferden mußten 14 Stück erschossen werden. Durch 2 Tage um die Mittagszeit wurde eine Herde von 6 bis 8 kranken Pferden auf den der Gemeinde gehörenden Fiebiggrund hinter den Schutzengel geführt und dort von dem Gablonzer Tierarzte erschossen. Aus den noch zuckenden Tierlei¬ bern wurde die Lunge herausgeschnitten und nach Prag zur Untersuchung eingeschickt. Die Kadaver wurden in tiefe Gruben geworfen und verscharrt. Stets war eine große Menge Neugieriger Zeuge dieses blutigen Schauspiels. Sollten auf dem Fiebige in späterer Zeit zu irgendeinem Zwecke Grabungen vorgenommen und dort Tierknochen gefunden werden, könnten diese Zeilen über diesen Fund Aufklärung geben Nach Franz Pietsch wurde im Jahre 1890 der Kaufmann Josef Peukert in Nr. 53 (Bargschneiders Jusef) als Vorsteher gewählt. Bei seinem Amts¬ antritte erklärte sein Vater, daß das Vorsteheramt seinem Sohne entweder sein Leben oder sein Vermögen kosten würde. Diese in unseliger Vorahnung gesprochenen Worte sollten leider zur bitteren Wahrheit werden. Schon am 24. Jänner 1892 wurde Josef Penkert, von einer unübersehbaren, tieftrauern¬ den Volksmenge begleitet, zur letzten Ruhestätte übergeführt. Die an seinem Grabe vom Pfarrer Bernard dem Verstorbenen gehaltene Grabrede erschien auf vielfaches Verlangen einige Tage später gedruckt und wurde in alle Häu¬ er verteilt. Der aufrichtige Wille Penkerts, sein selbstloses Streben, für das Wohl der Gemeinde das beste zu schaffen, überstieg seine Kräfte, sodaß er im jugendlichen Alter von 35 Jahren seine Opferwilligkeit nebst Pflichtgefühl mit dem Leben bezahlte. In ehrender Anerkennung wurde ihm nachgerühmt, daß er jedem Bewohner, selbst dem Geringsten, alles recht gemacht habe. Unter seiner Amtszeit wurde im Jahre 1891 der deutsche Kindergarten eröffnet und war Peukert ein eifriger Förderer desselben. Am 1. Oktober desselben Jahres wurde ihm als Vorsteher die hohe Ehre zuteil, Sr. Majestät den Kaiser Franz Josef l. auf seiner Durchreise von der Prager Jubiläumsausstellung nach Reichenberg am hiesigen Bahnhofe vor einer nach Tausenden zählenden Volksmenge begrüßen zu können. Die Folge dieses Kaiserbesuches war die einige Zeit später erfolgende Erhebung des Dorfes Reichenau zum Markte. 40

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