Chronik der Stadt Reichenau

blutigen Köpfen abziehen mußten und mit ihren Beulen und zerfetzten Klei¬ dern sogleich nach Swijan zogen und beim Amtmanne die Reichenauer auf Rückgabe ihres Eigentums verklagten Der Swijaner Amtmann, obwohl er den Friedsteinern als Untertanen einer anderen Herrschaft nicht wohlgesinnt war, mußte das Ansehen seines Amtes wahren. Er schickte den Fronbüttel nach Reichenau und ließ den Rich¬ ter Preißler und den Schenkwirt Ullrich als Geschworenen nach Swijan zu Gericht fordern. Der Richter mußte den Friedsteinern für die erhaltenen Hiebe als Entschädigung einen Eimer Bier geben und wurde mit dem Auf¬ trage entlassen, den Friedsteinern innerhalb dreier Tage ihr Eigentum zu¬ rückzuerstatten. Der Schenkwirt Ullrich, bei dem sich die ganze Angelegenheit abgespielt hatte und der zugleich Geschworener war, mußte vom Fronbüttel o lange eingesperrt werden, bis die schriftliche Bestätigung der Friedsteiner über den Empfang ihres Eigentums in Swijan eingelangt sei. Am Tage vor dem Reichenauer Kirchenfeste (27. September) kamen die Friedsteiner in der frohen Hoffnung, ihr von den Preußen geraubtes Getreide und ihre Ge¬ spanne wieder zurückzuerhalten. Der Richter Preißler lud sie in die Schenke, um die Bestätigung zu unterschreiben. Die Friedsteiner verlangten jedoch vorerst stürmisch den Eimer Bier, den sie auch erhielten. Auch hatten sich einige Reichenauer Bauern eingefunden und spendeten starken Branntwein, o daß bald ein Zechgelage im Gange war. Der Richter hatte zu seiner Sicher¬ heit und als Zeugen die Gemeindeältesten herbeigerufen, welche sich aber an dem Gelage nicht beteiligten und nüchtern blieben Als die Friedsteiner schon ziemlich betrunken waren, legte ihnen der Rich¬ ter ein Schriftstück vor, auf welchem sie den Empfang des Bieres bestätigen sollten. Ahnungslos unterschrieben die Friedsteiner das Papier und bemerk¬ ten nicht, daß sie mit dem Biere zugleich den Empfang des Getreides und der Gespanne mitbestätigten. Als das Bier zu Ende und der Friedsteiner Richter mit seinen Bauern voll betrunken war, wurden sie auf einen mit Stroh bedeckten Wagen gelegt, in der Nacht nach Friedstein gefahren und dort stehen gelassen. Der Jungrichter mußte noch in derselben Nacht mit der Quittung nach Swijan gehen und Nachmittags war der Schenkwirt aus seiner Haft entlassen und zurückgekehrt Als die Friedsteiner am nächsten Morgen auf ihrer Strohfuhre mit schweren Köpfen erwachten und sich der Sachlage bewußt wurden, gingen sie neuerdings zum Amtmann nach Swijan, um sich über den ihnen in Reichenau gespielten Streich zu beschweren. Der Amtmann fuhr sie jedoch grob an: Ihr besoffenen Schweine, einmal habe ich euch geholfen, aber ein zweites Mal tuc ich es nicht. Ihr wißt, was die Reichenauer für geriebene Füchse sind, warum besauft ihr euch so und laßt euch den Schabernack spielen. Zur Strafe werdet ihr dem Reichenauer Richter den gesoffenen Eimer Bier bezahlen, sonst sperre ich euch ein. Den Fried¬ teinern blieb nichts übrig, als zu ihrem Spott und Schaden auch noch das Bier zu bezahlen. Der Swijaner Amtmann muß ein sehr energischer und gerechter Mann gewesen sein, da er dem Reichenauer Richter den Streich nicht ruhig hin¬ gehen ließ, da er ihn seines Amtes enthob mit dem Bemerken, daß ein Rich¬ ter stets gewissenhaft handeln müsse und keine krummen Wege gehen dürfe. Er würde ihn sicher in den Turm stecken, wenn er das den Friedsteinern vor¬ enthaltene Gut nicht den armen Leuten gegeben hätte.“ Um das Jahr 1780 war der Bauer Maschke in Nr. 23 Richter in Rei¬ chenau und führt die Familie heute noch den Spitznamen „Rechters=Seffl“. 33

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2