Chronik der Stadt Reichenau

Als ältester bekannte Richter in Reichenau dürften die Inhaber des Hau¬ es Nr. 34 (alte Nr. 17) gewesen sein, die das Richteramt bereits in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts inne hatten. Dieses Richteramt war vom Gra¬ en Waldstein mit dem größten Bauerngute von über 200 Strich ausgestattet worden, welches den ganzen Kaschen zu beiden Seiten des alten Turnau¬ Gablonzer Landfahrweges einen breiten Streifen Grund bis an die Grenze des Großwaldes in Nieder=Gutbrunn umfaßte. Das große Wirtschafts¬ gebäude dürfte vom Grafen Waldstein als Lehngut oder Richteramt erbaut worden und außer dem großen Grundbesitz mit Brauerei und Schankrecht ausgestattet worden sein. Als Zeugen dieser vergangenen Herrlichkeit sind heute noch in dem wohl ältesten Hause von Reichenau im Keller die Ein¬ chnitte in den Lagerbalken für die Bierfässer enthalten. Unterhalb des Hauses auf dem Garten waren noch vor 50 Jahren die Grundmauern für die rüher dort gestandene Braupfanne zu erkennen, die aber dann vom Besitzer ausgegraben und der Platz geebnet wurde. In den Jugendjahren des Ver¬ fassers befand sich unter der Türschwelle des Hauses noch ein langer Granit¬ tein, in welchem in römischen Schriftzeichen die Jahreszahl 1433 eingehauen war und die wohl das Erbauungsjahr des Hauses bedeutete. Aus dieser Fa¬ milie dürften wohl alle Nachkömmlinge mit dem Namen Preißler in Rei¬ chenau und Umgebung hervorgegangen sein und das große Bauerngut durch den reichen Kindersegen in der Familie erbteilungshalber in den heutigen Zustand zerkleinert worden sein.. Noch vor einem halben Jahrhunderte waren in Kaschen und Hinterbusch 5 Wirtschaften im Besitze der Hanspoul¬ chen (Johann Paul) Brüder Preißler. Längs des alten Landfahrweges (Kaschener Weg oder Hansodlstrejbe) war der Grundbesitz durchwegs an direkte Nachkommen oder nähere Verwandte verteilt, darunter allein 5 mit dem Namen Anton Preißler. Das Richteramt dürfte in der Familie bis um das Jahr 1760 verblieben ein, da im siebenjährigen Kriege noch ein Richter Preißler geschichtlich erwähnt wird, der in dieser Kriegszeit eine witzige und verfängliche Rolle spielte, durch welche ihm das Richteramt entzogen wurde. über diese An¬ gelegenheit sei hier eine Niederschrift aus dem Buche Schwarzeckers wieder¬ gegeben, die wörtlich lautet: „Es war in der Zeit des schlesischen Krieges zwischen dem Preußenkönig Friedrich II. und der Kaiserin Maria Theresia. Von Turnau kam eine preu¬ ßische Truppenabteilung über Jenschowitz und Friedstein marschiert. Da es gerade in der Erntezeit war, führten die Bauern ihr Getreide ein. Die Preu¬ ßen, immer bereit Kriegsbeute zu machen, nahmen den Bauern 3 große Fuhren Getreide samt dem Gespann weg und brachten die Beute nach Rei¬ chenau. Hier sollten unsere Bauern das Getreide für die Preußen ausdre¬ schen, welche auf den Wiesen bei der Schenke lagern blieben und das Zugvieh in der Stallung untergebracht hatten. Gegen Abend desselben Tages kamen von Eisenbrod über Puletschnei österreichische Husaren und vertrieben die Preußen. Das Getreide und die Gespanne blieben in Reichenau. Am näch¬ ten Morgen kam der Friedsteiner Richter mit den beraubten Bauern und wollten ihr Eigentum zurück haben. Da aber in Reichenau infolge des Krieges und dem Requirieren durchziehender Truppen selbst Not an Getreide und Zugvieh herrschte, hatte der Richter Preißler das Getreide noch abends unter die arme Bevölkerung verteilt und die 6 Ochsen von den Gespannen über Nacht in der Schenke ebenfalls wegen Mangel an Zugvieh unter den Bauern verlost, sodaß von der Kriegsbeute nichts mehr da war. Die Fried¬ teiner waren darüber erbost, fingen gottsjämmerlich zu schimpfen an und bald war die größte Rauferei im Gange, aus welcher die Friedsteiner mit 37

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