Chronik der Stadt Reichenau

zosenkrieges zu seinem Regimente eingezogen wurde. Um keinen anderen Soldaten als Einleger zu erhalten, bezahlte Hofmann seine Schuld. Durch die wesentlich verbesserten Schulverhältnisse der Kaiserin Maria Theresia und Josefs II. erwachte auch das kleine Volk aus dem Jahrhun¬ derte dauernden Dämmerungszustande der Unwissenheit und wurde sich trotz der noch geringen Geistesbildung seiner bedrückten Lage erst voll bewußt. So kam es, daß sich alle Stände, vom Gelehrten bis zum Knecht, der Gewalt des herrschenden Regimes widersetzten und Befreiung von dem drückenden Joche forderten. Dem Drange des festen Volkswillens nach bes¬ serer Verteilung des fruchtbringenden Ackerbodens nachgebend, sah sich der böhmische Landtag genötigt, bereits im Jahre 1843 eine Grundvermessung der Herrschaften und Gemeinden vorzunehmen. Bei dieser Grundvermessung konnte sich die Gemeinde Reichenau bei besserem Verständnis des Richters Anton Schöffel (Schöffeltounl) in bedeu¬ tendem Maße bereichern. Doch widerstrebte es dem Ortsgewaltigen, sich die unnötige Last der Steuereinhebung aufzubürden. Die Vermessungskommission bestand aus zwei Herren aus Prag, einem Geometer aus Böhm.=Leipa, dem Reichenauer Richter, einem Gemeinde¬ ältesten und einigen Hilfskräften. Die Begehung der Grenzen wurdein Kaschen begonnen, über Pelkowitz, Heiligenkreuz, Radl fortgesetzt, und so¬ dann im Kellnerwirtshause das Mittagsmahl eingenommen. Bei der nach¬ mittägigen Grenzbegehung wollten die Prager Kommissäre die Kohlstätter, Gablonzer und Seidenschwanzer Grenze abschreiten und in wohlwollender Weise den Großwald dem Reichenauer Gemeindegebiete einverleiben. Nach dem Berichte von Augenzeugen, welche in der Nähe am Felde arbeiteten, sträubte sich der Richter wegen zu großer Arbeitsbelastung gegen die Zuteilung, rammte seinen Stock unterhalb des Forsthauses in den Boden und rief im Zorn die verhängnisvollen Worte: „Bis douhar gieh ich und kenn Schriet wetter, mier han Pusch genung, jeder Pauer hout san Pusch und mir brauchen dan grußen Pusch ne# Ein Prager Kommissär sprach, verwundert über den Unverstand und die Halsstarrigkeit zu ihm: „Mein lieber Mann, ihre Nachkommen werden hnen in späterer Zeit keinen Dank schuldig sein, daß sie für ihre Gemeinde ein Geschenk abschlagen, das ihrem Orte von unersetzlichem Nutzen sein würde“. Durch diese Unvernunft wurde der Großwald der Gemeinde Radl einverleibt. In der nächsten Gemeindesitzung kam die Sache zur Sprache und der weitblickende Geschworene Hofrichter (Katls Seffl) erzürnte sich über die grenzenlose Dummheit des Richters und rief ihm empört zu: „Du bist das größte Kalb in der Gemeinde, daß du dir die Gelegenheit zur Bereicherung der Gemeinde entgehen ließest. Wir hätten doch mit dem großen Busche onst nichts zu tun gehabt, als für Reichenau die Steuern einzuheben“. Heute bedauert Reichenau diesen Verlust. Die vom Landtage angeordnete Grundvermessung wurde von der Be¬ völkerung der Behörde gegenüber als Furcht und Nachgiebigkeit vor dem immer stärker werdenden Ansturme angerechnet und führte vielfach zu der enttäuschenden Hoffnung, daß die Herrschaftsgründe unter das Volk verteilt würden. Auch in Reichenau kam es nach der Vermessung zu stürmischen Auftrit¬ ten. In völliger Verkennung der Umstände scharte sich eine Menge Unzu¬ riedener unter der Anführung des Ignaz Hübner aus dem Niederdorfe (Joucklnaz) zusammen, zog vor das Haus des Richters und verlangte stür¬ 32

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