Chronik der Stadt Reichenau

im Jahre 1814 zu deren Vorteile. Graf von Waldstein verkaufte im ge¬ nannten Jahre die seit Jahrhunderten sich im Besitze seiner Familie befind¬ liche Herrschaft Swijan an den Fürsten Rohan Wenn auch die Untertanen der Grafen von Waldstein nicht so drang¬ saliert wurden und es zu keinen Aufständen und Revolten auf ihren Besitzungen kam wie bei anderen Grundherren ihrer Zeit, so war der hoch¬ sinnige Fürst für seine Untertanen in humanem Geiste bestrebt, ihre mmerhin drückende Lage zu verbessern, die Robot, welche früher wöchentlich mit 2—3 Tagen bemessen war, konnte von den Bauern durch geringe Geld¬ entschädigung abgelöst werden und den Häuslern nach dem Patente vom April 1821 ganz nachgelassen. Die arme Bevölkerung, welche bisher nur Abfälle und dürres Reisig im Walde sammeln durfte, konnte sich nun das nötige Brennholz für den Winter im Planewalde schlagen, ebenso erhielten ie das Bauholz für ihre Wohnhäuschen unentgeltlich geliefert. Jede gerechte Bitte oder Beschwerde fand bei dem Fürsten allzeit williges Gehör, wo er Not und Leid lindern konnte, tat er es im großherzigen Sinne Dieser kunst= und prachtliebende Fürst schuf aus der alten Burg Sicher¬ hof das heute noch bestehende Prachtschloß, aus den Garten= und Park¬ anlagen erstand unter französischen Gartenbaukünstlern eine der hervor¬ ragendsten und berühmten Sehenswürdigkeiten Österreichs, zu der jedermann freien Zutritt hatte In seiner Hochherzigkeit gegen die Reichenauer Bevölkerung trat nach dem Revolutionsjahre 1848 ein Umschwung ein, nachdem der Fürst durch älschliche Beschuldigung der in dieser Zeit aufgeregten Masse der Reiche¬ nauer Bevölkerung des Hochverrates beschuldigt wurde und von unserer berüchtigten Nationalgarde gefangen genommen werden sollte. Nachdem der Fürst von der ihm in Reichenau drohenden Gefahr Kennt¬ nis erhalten hatte, grollte er Reichenau und von dieser Zeit verschloß er seine stets mildtätige Hand zum Schaden der ärmeren Bevölkerung. Der Verfasser bringt diese denkwürdige Fürstengefangennahme an spä¬ terer Stelle ausführlich zur Niederschrift Im Jahre 1838 kaufte Fürst Rohan bei der Veräußerung in Prag die dem Niederösterreichischen Religionsfonde im Jahre 1648 zugefallenen Herr¬ schaften Friedstein und Böhm.=Aicha um den Betrag von 512.000 Gulden. Zu der feierlichen übernahme und Eidesleistung von Böhm.=Aicha waren auch der Reichenauer Richter (Schöffeltounel) und Pfarrer Neuber befohlen. Die Inbesitznahme gestaltete sich zu einer großen patriotischen Kundgebung ür den Fürsten. Der Reichenauer Maler und Geschichtsschreiber Anton Ullrich, welcher mit einigen Honoratioren der Feier in Böhm.=Aicha bei¬ wohnte, berichtet in seinem Buche, daß schon in Liebenau, wo der Fürst mit drei sechsspännige Galawagen durchfuhr, Triumphbogen errichtet waren und der neue Grundherr in allen Dörfern mit Begeisterung empfangen wurde. Die Herrschergewalt des besitzenden Adels ging jedoch schon ihrem Ende entgegen, da dieselbe im Jahre 1848 zum Segen des Volkes erlosch, die zum Teil selbst geschaffenen Rechte und Privilegien der Grundherrschaften ein Ende nahmen und Recht und Freiheit für alle Völker Österreichs eintrat. Um die durch Jahrhunderte in Drangsal und Knechtschaft ersehnte Frei¬ heit und Rechte, sowie die endliche Loslösung von dem drückenden Joche der Leibeigenschaft und Robot des Bauernstandes, des kleinen Volkes, sowie des Gelehrten= und Beamtenstandes in eingehender Weise zu schildern, sieht sich der Verfasser genötigt, um ungefähr 100 Jahre in der Zeitrechnung zu¬ rückzugehen. 25

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