Chronik der Stadt Reichenau

ihre frühere Heimat zurück, wo sie nun ungehindert ihrem Christentume leben konnten. Es ist wohl mit Sicherheit anzunehmen, daß diese Flücht linge aus dem nahen Flachlande bis in die Gebirge unserer Gegend vor¬ brangen und zu ihrem Glaubenskult eine Kapelle errichteten, welche bei ihrer Abwanderung zurückgelassen wurde. Wie wohl in jeder überlieferten Sage ein Körnchen Wahrheit enthalten ist, dürfte diese mit dem Berichte Schiffners zusammengefaßt den Tatsachen entsprechen und auf die Entstehung unseres Heimatsortes Reichenau Bezug aben. Der Zeitpunkt der Gründung könnte somit in das 12. Jahrhundert fallen, da die Kreuzzüge bekanntlich im Jahre 1096 ihren Anfang nahmen und der Ort Reichenau bereits mit der Gründung des Münchengrätzer Zi¬ terzienser=Klosters erwähnt erscheint. Auf Grund der Berichte Schiffners läßt sich mit Sicherheit annehmen, das Reichenau von deutschen Ansiedlern aus Schlesien gegründet wurde, umsomehr, als unsere Mundart mit der chlesischen durch all die Jahrhunderte fast gleichlautend geblieben ist. Als erste der Geschichte bekannte Bevölkerung des Landes war der germanische Volksstamm der Hermenduren. Als Nachfolger erschienen in der Jungsteinzeit die keltischen Boiern, welche dem Lande auch den Namen aufprägten. Nach dem Abzuge der Boiern kamen unter ihrem Herzoge Marbot die Markomannen, ein ebenfalls germanischer Volksstamm, ins Land und besiedelten das südliche Böhmen, und erst 600 Jahre später, in der Zeit der Völkerwanderung, kam der slawische Volksstamm der Tschechen ins Land. Wohl behaupten einige Geschichtsforscher die gänzliche Abwanderung der germanischen Stämme in der Völkerwanderung, doch beweist die neue Forschung den Verbleib deutscher Wohnstätten im Sudetenlande. Es strei¬ ten in diesem Punkte verschiedene Annahmen, die jedoch nur eine Folge der Zeiterscheinung darstellen Professor Erich Gierach schrieb im „Gablonzer Tagblatt“ vor einigen Jahren die bemerkenswerten Sätze: „So weit sich die Geschichte unserer Heimat zurückverfolgen läßt, tragen die Sudetenländer von altersher deutsche Namen, die ihren Ursprung aus jener Zeit haben, als die Tschechen noch nicht im Lande waren, sondern germanische oder altdeutsche Stämme auf unserem urdeutschen Boden siedelten. Die deutsche Landesbezeichnung „Böhmen“ darf sich rühmen, 1000 Jahre älter zu sein, als der slavische Name „Tschechi“ Aus der Darstellung des Abschnittes „Vorgeschichtliches“ möge der werte Leser entnehmen, daß der Name Reichenau mit den von den altdeutschen Volksstämmen gebräuchlichen Ortsbezeichnungen in enger Verbindung steht. Mit Gau wurde das Gebiet eines Anführers oder eine Sippe bezeichnet, „au“ ist die Endsilbe vieler alter deutschen Städte und Orte Obwohl Reichenau an der äußersten Sprachgrenze liegt, konnte es nicht wie andere von deutschen Ansiedlern gegründete Orte verslavt werden und hat trotz seines ehrwürdigen Alters von wohl fast 900 Jahren seinen deut¬ schen Charakter und Eigenart durch alle die wechselvolle Zeit von der Grün¬ dung bis auf den heutigen Tag treulich bewahrt, wie es auch in Zukunft ein deutsches Bollwerk heimattreuer Gesinnung bleiben möge Die Sudetendeutsche Heimatforschung erklärt den Abschnitt „Vorgeschicht¬ liches“ zum Teil für nicht stichhältig und gibt folgender Meinung Ausdruck: Während die Niederung Böhmens seit unvordenklichen Zeiten bewohnt war, fehlt es in unserer Gebirgsgegend an Funden, die auf vorgeschicht¬ liche Siedlungen schließen ließen. Alles, was bisher gefunden und fachmän¬ nisch untersucht wurde, gehört frühestens dem ausgehenden Mittelalter an. 24 19

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