Chronik der Stadt Reichenau

namenverfälschende Bevölkerung aus dem Johann einen Hanns, und aus dem Adam einen Odel gemacht. Der Name blieb auf der Wirtschaft haften, und obwohl der Besitzer neue Wirtschaftsgebäude an anderer Stelle erbaute (Nr. 478), haftet auch auf diesen noch der alte Name „bei Honsodeln“ An der Stelle, wo heute die „Vrbasschmiede“ steht (Nr. 37), befand sich bis zu seinem gänzlichen Abbrennen der beiderseits des Weges stehende Gasthof „Zur goldenen Sonne“. Seit Menschengedenken hieß das weitläu¬ fige Gebäude im Volksmunde „der ahle Sool“ Nach der vom unteren Vorhause in das erste Stockwerk führenden steilen Wendeltreppe und der im Hause betriebenen Fleischerei hieß das Haus in früherer Zeit „beim Treppflejscher“. An der Berglehne reichte das Dach bis auf den Erdboden und trocknete der Besitzer seine Rinds=, Kalbs= oder Schafleder auf dem niedrigen Dache. Die Folge dieses Ledertrocknens au dem Dache war neben dem Namen „Treppflejscher“, „ahler Sool“ auch noch der Name „Laderdörre“. Der Treppflejscher war über die enge und steile Wendeltreppe herabgestürzt, hatte sich das Genick gebrochen und war auf der Stelle tot. Der nachfolgende Eigentümer Hübner hieß der „ahle Soolwirt“ und nebenbei „die Kalbe“. Durch mehrere Brände wurde der einst größte Gasthof von Reichenau zerstört und verfällt allmählich der Vergessenheit. Einen hübschen Spitznamen führte auch der Gürtler Appelt Nr. 40. Das Haus hieß beim „Koukerle“. Zu diesem Namen gelangte Appelt durch eine Liebesgeschichte. Als junger Mann verfolgte er die „kleine Hanni“ Schwester des Dosenfabrikanten Franz Hofrichter mit Heiratsanträgen, von denen das Mädchen jedoch nichts wissen wollte. Appelt setzte sich mit der späteren Frau des Malers Max Löffler in Verbindung, um zu seinem Ziele zu gelangen. Gemäß einer Abmachung verbarg sich Appelt in der Küche des Hauses, um das Gespräch der zu dieser Stunde eingeladenen kleinen Hanni mit ihrer Freundin belauschen zu können. Geschickt brachte diese das Gespräch auf den verliebten Appelt. Die kleine Hanni erzürnte sich über das Zureden ihrer Freundin und rief ihr empört zu: „Loß mich ei Ruh mit dan schworzu Kon¬ kerle, ich kon ne ausstiehn“. Tief beschämt schlich der abgeblitzte Liebhaber fort und die erhoffte Heirat fiel ins Wasser. Aber die Geschichte blieb nicht ver¬ schwiegen und der Appeltgürtler blieb das „Konkerle“ bis an sein seeliges Ende. Das Haus Nr. 43 führt nach einem Berichte Schwarzeckers und auch der Schulchronik seit dem Jahre 1627 den Namen „Finkehaus“ und wurde von dem damaligen evangelischen Schulmeister Bartholomäus Fritsch bewohnt. Das Haus soll seinen Namen von den vielen Finken haben, die ein früherer Bewohner aus Liebhaberei im und in der Hausumgebung gezüchtet habe. Am ersten November 1899 fiel das alte Haus einem Brande zum Opfer und unsere heutige Jugend weiß nicht mehr die Stelle, wo das Finkehaus einst stand. An der Berglehne des Mühlweges steht das „Bargschneiderhaus“ (Nr. 54). In dem Tagebuche des Malers Anton Ullrich wird dieses Haus bereits im Jahre 1841 gelegentlich eines dort verübten Diebstahles erwähnt. Wie lange zuvor das Haus diesen Namen führte, ist leider unbekannt. Derselbe soll dadurch entstanden sein, daß das Haus in die Berglehne eingebaut und von einem Schneider namens Peukert erbaut wurde. Der Baugrund gehörte mit zu den Bauernwirtschaften der Familien Penkert Nr. 48, 49 und 50. Die¬ selben sind heute Eigentum anderer Besitzer. Der Garnhändler Wenzel Wenzel hatte in Reichenau mehrere Häuser im Besitze, darunter befanden sich die Häuser Nr. 55, 63 und 101. Die Familie Wenzel wurde im Volksmunde „Michelschneider“ genannt und die Häuser 190

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