Chronik der Stadt Reichenau

auch weite Umwege über Radl, Proschwitz oder Grünwald oder auch über Daleschitz und Marschowitz, um den Grünen nicht in die Hände zu fallen Wohl mag mancher schon in der Lotterie sein Glück gemacht haben, aber Hauptnutznießer blieb immer der Staatssäckel. Vor einiger Zeit war in einer Zeitung eine Statistik veröffentlicht, nach der durch Blitzschlag mehr Menschen getötet, als Haupttreffer durch Lose oder in der Lotterie gewonnen werden. Viele vermögende Leute opferten der Lotterie ihren gesamten Besitz, in der Hoffnung, durch einen großen Gewinn wieder reich zu werden. Selbst in Reichenau waren Leute aufzuzählen, die durch das Lotteriespiel um ihren großen Besitz kamen und in Armut starben. Nur ein einziger Fall sei aus der Zahl herausgegriffen, und dies war der Wirtschaftsbesitzer und Gastwirt Augustin Preißler Nr. 301 (Hannspouls Gustel) in Kaschen, später Erbauer des Gasthauses „Zur Stadt Wien“, der in wenig Jahren der Lotterie sein großes Vermögen in den Rachen warf, indem er in erwiesenen Fällen bis 500 Gulden auf eine Nummer setzte und auch verspielte. Trotz mehrmaliger hoher Beträge, die er bei den verschiedenen Haus¬ und Scheuerbränden als Versicherungssumme ausbezahlt erhielt, starb der¬ selbe gänzlich verarmt in Aussig. Die Blauen=Lotterie=Einschreiber hatten ihre Hauptkollekteure, die zu großen Vermögen gelangten und deren durch die Lotterie zusammengehäuf¬ ter Reichtum rasch wieder in alle Winde zerstieb Als Beispiel möge der gewiß noch vielen Reichenauern Bürgern bekannte Krenwürstelhändler Haderich gelten, der durch übernahme und Auszahlung des Blauen=Lotterie=Spieles zum Millionär wurde. Derselbe besaß bei Reichenberg eine herrschaftliche Villa und zwei Luxusautomobile und ist heute durch seine Verarmung wieder gezwungen, durch einen kleinen Fischhandel auf Jahr= und Wochenmärkten seinen Lebensunterhalt zu ver¬ dienen. in Klein=Seidenschwanz Auch der unter dem Namen „Puschtounel“ wohnhafte Glaswarenerzeuger, Hausbesitzer und Gastwirt Menzel, der auch eine Anzahl Straßenmauten vom Bezirke gepachtet hatte, betätigte sich lange Jahre als übernehmer der Blauen Lotterie. Menzel war weit und breit als schwerreicher Mann bekannt und hatte sich vom armen Kuhhüte¬ jungen durch seinen Unternehmungsgeist ein Vermögen erworben. Bei sei¬ nem Tode war von dem Reichtum vieles durch Spekulationen wieder nach allen Windrichtungen zerstoben. Viele leidenschaftliche Lotteriespieler opfer¬ ten dem Spiele ihre letzten Kreuzer und erkauften sich dafür einige Stunden enttäuschte Hoffnung. über Geld, dessen Wert, Fallen und Steigen, sowie auch dessen Fälschung gibt das von Augustin Weiß hinterlassene handgeschriebene Buch einige Aus¬ künfte, und sollen aus demselben bemerkenswerte Aufzeichnungen hier ver¬ merkt werden: „Im Jahre 1811 änderte sich die erste Gattung der Banko¬ zettel, die durch ein kaiserlich königliches Finanz=Patent vom 11. März von 00 Gulden auf 20 Gulden Einlösungsscheine herabgesetzt wurden, wodurch eine große Erregung und ein entsetzlicher großer Geldmangel entstand. Wie vohl ein Bankozettel von 100 Gulden auf 6 Gulden kurante oder Silber¬ Zwanziger gefallen war, so stieg doch noch im nähmlichen Jahre ein Zwan¬ zigguldiger Einlösungsschein bei solchem großen Geldmangel auf 15 bis 16 Gulden. Wonach hernach im Jahre 1812 große Teuerung entstanden, wodurch das Korn auf einen Preis von 100 fl. Bankozettel oder 20 fl. Einlösungs¬ cheine oder 15 fl. Silber gestiegen, bei welcher Gelegenheit eine erstaunliche Auswanderung von Bettlern und schon wohlhabenden Leuten geschehen 130

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