Chronik der Stadt Reichenau

und die Pläne für Diebstähle dort ausheckte. Der Schnapsjude betätigte sich als Hehler und vertrieb das gestohlene Diebsgut in den Städten der Umgebung. Durch volle 10 Jahre dauerte dieser Zustand, bis im Jahre 1841 sich die auf früherer Seite beschriebene „Geheime Wache“ am Herrschaftsamte in Swijan über die verderblichen Folgen dieser Branntweinschänke beschwerte und vom Amtmanne die Sperre der Kneipe verfügt wurde. Reichenau war von einer unliebsamen Last befreit, da die Diebstähle im Orte bedeutend nachließen, als der Jude fortzog. Der vorher beschriebene Kajetan Müller hatte wohl auch eine der ersten k. u. k. Tabaktrafiken in Reichenau. Im Jahre 1828 bewarb sich derselbe auch bei der Gefällskontrolle in Prag und dem Verschleiß der k. k. Stempelmarken, und erhielt laut unten angefügter wortgetreuer Abschrift der Original=Bescheinigung den Stempel=Verschleiß bewilligt. Das Original lautet: Administration: „Kajetan Müller, Tabak=Trafikant zu Reichenau Nr. 76 bittet um Ver¬ leihung einer Stempelpapier=Verschleiß=Lizenz“ Auf dieses Ansuchen erhielt Kajetan Müller von der Gefällskontrolle in Prag folgenden Bescheid: Nr. 4222. „Anliegend wird dem Kajetan Müller auf sein Ansuchen vom 18. v. M. die Lizenz zum Verschleiße der niederen Stempelpapier=Gattungen mit dem Beifügen erteilt, daß Bittsteller stets einen hinlänglichen Vorrat der Stem¬ pelpapiere am Lager zu halten habe. Von der k. u. k. Tabak= und Stempelgefällen=Administration Prag den 9. November 1828 Schesinger Der Sohn dieses Kajetan Müller, Johann Müller, übernahm nach dem Tode seines Vaters das Haus Nr. 76 und ist den werten Lesern wohl noch aus den jahrelangen Prozessen mit der Bahnverwaltung beim Eisenbahn¬ bau wegen der übernahme seines Hauses bekannt. Nach dem Neubaue sei¬ nes Hauses erwarb Johann Müller nebst der schon bestehenden Tabaktrafik, Stempelverschleiß und Bäckerei auch noch die Gasthauskonzession und taufte den Schankbetrieb „Gasthaus zum Eisenbahnviadukt“. Im Jahre 1858 er¬ baute Johann Müller aus dem ihm ebenfalls gehörenden hölzernen Wohn¬ hause Nr. 129 im Niederdorfe eine Mahlmühle mit vielen Wohnräumen und wurde der groß angelegte Steinbau von der wohlmeinenden Reichenauer Bevölkerung mit dem Namen „Beklang= oder Zolkermühle“ belegt. Wenn irgend eine anrüchige Mietpartei in Reichenau oder in der Umgebung nir¬ gends eine Wohnung erhielt oder gerichtlich delogiert wurde, fand sie beim Zolkermüller liebevolle Aufnahme. So kam es, daß in den vielen Wohn¬ räumen der Mühle meistens die niedrigsten Volksschichten einen Unterschlupf fanden. Daraus entstand auch der Name Zolkermühle, hinweislich der schlechten Verhältnisse in Kleidungs= und Wäschestücken (Zolkern) der Miets¬ parteien. Auch nach dem Tode des Besitzers dauerte dieser Zustand fort, bis der etzige Eigentümer, Herr Rudolf Wenzel, in der Mühle und ihren Miets¬ parteien einen Wandel schaffte. Der alte Zolkermüller stand durch lange Jahre bis zu seinem Tode mit seinen Nachbarn, Geschäftsleuten und allen Gerichten auf keinem guten Fuße und ein großer Stoß Prozeßakten befindet sich noch im Besitze des jetzigen Eigentümers und soll eine kleine Auslese hier Aufzeichnung finden Zum Beweise, daß der Zolkermüller weder vor Gott, noch vor den Men¬ schen Respekt hatte, und selbst an hohen Feiertagen nicht Ruhe hielt, soll ein Strafakt über Störung der Feiertagsruhe als erster verzeichnet werden. 163

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2