Chronik der Stadt Reichenau

Mütze auf. Wir nahmen rasch Reißaus, um, hinter dem Spritzenhause ver¬ steckt, den vermeintlichen Wassermann zu beobachten. Immer wieder kam die rote Kappe zum Vorscheine, bis sich endlich der ganze Körper zeigte. Es war Sensemüllers Karline, die dort Wäsche geschweift und ein rotes Kopf¬ tuch umgebunden hatte, dessen Zipfel in die Höhe standen und beim Schwei¬ fen von Zeit zu Zeit sichtbar wurden. Aber trotz dieser Erkenntnis blieb die Furcht vor dem Wassermanne noch lange in uns Jungen haften. Abschriften alter Dokumente und Urkunden. Viele alte Handwerksmeister werden sich gewiß noch mit Schaudern ihrer Lehrjahre erinnern, in denen sie alles andere, nur nicht Lehrlinge des Gewerbes waren, das sie erlernen sollten. Die Lehrmeister der alten Zeit hielten gewöhnlich mehrere Lehrjungen, von welchen die jüngsten als Sklaven der Meisterin zu gelten hatten. Sie wurden zu allerlei nicht zum Handwerk gehörenden Arbeiten, wie Beaufsich¬ tigung der Kinder, Kühe= oder Ziegenhüten, Botengängen oder anderer Beschäftigung herangezogen. Die Jungen kannten nach der Auslehre nicht viel vom Handwerk und mußten dann als Geselle für billigen Lohn arbeiten und das Versäumte als Gehilfe nachlernen. Daß dieser Zustand nicht nur in unserer Gegend, sondern auch in den anderen Kronländern der Monarchie herrschte, beweist ein vor 180 Jahren erlassenes Edikt der Kaiserin Maria Theresia an die Lehrmeister gegen den Mißbrauch der Lehrjungen. Die heutige Jugend wird ungläubig den Kopf schütteln über die vielen Titel der Monarchin der seeligen Kaiserzeit, die die Hofschranzen auswendig können mußten. Es waren derer nicht weniger als 44. Dieses vom 6. Okto¬ ber 1751 datierte Edikt soll hier wortgetreu wiedergegeben werden. Es lautet: „Patent de dato 6. Oktobris 1751, vermög welchem der üble Gebrauch deren Professionisten und Handwerks=Meisteren mit ihren aufgedungenen Lehrjungen abgestellet wird, und sich die Lehr=Meistere respektu dieser auf gedungenen Lehr=Jungen zu verhalten haben. Wir, Maria Theresia, von Gottes Gnaden römische Kaiserin in Germa¬ nien, zu Hungarn, Böheim, Dalmatien, Kroatien, Slavonien, Königin, Erzherzogin zu Österreich, Herzogin zu Burgund, zu Brabant, zu Meyland, zu Steyer, zu Kärnten, zu Krain, zu Mantua, zu Parma und Piazenza, zu Limburg, zu Luxemburg, zu Geldern, zu Würtemberg, Ober= und Nieder¬ schlesien, Fürstin zu Schwaben und Siebenbürgen, Markgräfin des heiligen römischen Reiches, zu Burgau, zu Mähren, Ober= und Niederlausitz, befür¬ tete Gräfin zu Habsburg, zu Flandern, zu Tirol, zu Pfierd, zu Kyburg, zu Görz, zu Gradiska und zu Arthois, Land=Gräfin im Elsaß, Gräfinzu Namur, Frau auf der Windischen March, zu Portenau, zu Salins, undzu Mechlen, Herzogin zu Lothringen und Baar, Großherzogin zu Toskana. Entbieten allen und jeden Unseren getreuen Vasallen, Landes=Innwoh¬ nern und Unterthanen in diesem Unserem Erb=Königreiche Böheim, Erb¬ Markgraftum Mähren und Schlesien Unsere Kaiserliche und Königliche Gnade und alles Gutes und geben denen selben und sonderlich denen Pro¬ fession= und Handwerks=Meisteren hiedurch zu vernehmen, was maßen uns beigebracht worden, daß bei denen Zunften und Handwerkern besonders in denen Privat=Stätten mit denen aufgedingten Lehr=Jungen ein übler 157

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