Chronik der Stadt Reichenau

der Glaube und gilt auch heute noch, daß ein In alter Zeit schon galt Freitag begonnenes Werk ohne Segen sei und unglücklich ende. am Der hl. Florian stand der Landbevölkerung als Schutzheiliger gegen bei Feuersgefahr in hohen Ehren. In manchem alten Bauernhause findet man noch heute über der Stubentür auf einem Balken in einer eingemeißelten Vertiefung unter Glas ein kleines Bild des hl. Florian und herrscht bei den Besitzern der Glaube, daß ihr Haus gegen Feuersgefahr gefeit sei, und weder durch Blitzschlag, noch anderen Ursachen abbrennen könne. Wie be¬ reits vorher erwähnt wurde, geraten die alten Volksbräuche und Sprüche die sich zum Teil noch aus der vorchristlichen Zeit auf uns vererbt haben, allmählich durch die höhere Geistesbildung in der Schule und der hastenden Industrialisierung in unserer Gegend in Vergessenheit. Zum Teil trägt eit neuerer Zeit die von gewissen Kreisen betriebene Gottlosenhetze die Schuld mit an dem stetigen Verfalle der alten ehrwürdigen Volksbräuche bei, so z. B. die Teilnahme der Schuljugend an den kirchlichen Bittprozessio¬ nen an den drei Bittagen. Noch sollen die in der guten, alten Zeit gepflogenen Rocken= und Lichten¬ gänge Erwähnung finden. Das „Rockengehen“ bestand darin, daß in jener Zeit, als bei uns noch Flachs gebaut und verarbeitet wurde, die Bauerntöch¬ ter an den langen Winterabenden mit Spinnrad, Rocken und bändergeschmück¬ ten Kunkeln abwechselnd in die Häuser bei Kienspanlicht oder einem trüben Ollämpchen spinnen gingen. In später Abendstunde kamen dann die Bur¬ schen und der Rockengang endete in der Regel mit einer von der Bäuerin spendeten Schüssel Sauerkraut oder anderen Gaffel (Schmaus). Manches¬ mal brachten die Burschen einen Leierkasten oder Ziehharmonika mit und es wurden noch einige Stückchen getanzt. In später Nachtstunde trugen dann die Burschen die Spiungeräte ihrer Herzallerliebsten und begleiteten ie in ihre Behausung. Zu den „Lichtengängen“ kamen Frauen und Mädchen abwechselnd in die Häuser mit einer Handarbeit, wie Nähzeng, Strickstrumpf oder Häkelarbeit, bei heiterer Unterhaltung und einer Tasse Kaffee ihre Arbeiten zu verrichten. Das „zum=Rocken=gehen“ findet wohl heute noch Nachahmung, aber an Stelle des Spinnrades mit Rocken und Kunkel nehmen die Mädchen ihr Polierkastel unter den Arm und gehen zu einer guten Freundin, um dort bei Tage unter heiterem Geplander ein paar Ecken zu polieren. Zum Schlusse dieses Abschnittes soll auch des Kummers unserer lieben Kleinen wegen des Wassermannes nicht vergessen werden. Es ist wohl eine alte Wahrheit, daß die Kinder am liebsten in der Nähe vorhandener Quellen oder Wassergraben ihren Tummelplatz aufschlagen. Ebenso groß ist wohl auch die Sorge der Eltern, ihre Kleinen aus der gefährlichen Wassernähe fernzuhalten. Diese Sorge mochte wohl auch die Ursache zur Erfindung vom Wassermanne sein. Wohl selten hat sich eine andere Furcht so in die Kinderherzen vertieft, als die vom Wassermanne. Dem Verfasser ist selbst ein Erlebnis mit dem Wassermanne aus seiner Kinderzeit noch in guter Erinnerung. Es war am Tage nach dem Brande bei Josef Schöffel Nr. 262 (am 22. August 1875), als wir Jungen aus der Nachbarschaft die Brandstelle besichtigen wollten. Auf dem Hinwege blieben wir plötzlich alle erschreckt bei der Schenke stehen, denn aus dem Ufer des Mohelkabaches tauchte der Wassermann mit seiner roten 156

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2