Chronik der Stadt Reichenau

In Reichenau hatte der Dosendreher Leopold Zappe Nr. 173 (Schmie¬ del Pold) eine Gehkrippe selbst gebaut und als Triebwerk eine alte Schwarz¬ wvälderuhr in Verwendung. Durch Jahrzehnte war diese Krippe in der Adventzeit eine Sehenswürdigkeit und war stets von einer Menge alter und junger Bewunderer umlagert. Am Silvester=Abende wurde das Bleigießen als Orakel gepflegt und aus den gegossenen, oft unerkennbaren Figuren wurden Phantasiegebilde erklärt, die die verschiedensten Deutungen zuließen. Auch das Hadertöpfchenspiel war am Silvesterabende eine beliebte Volks¬ itte. Einer Person wurden die Augen verbunden, unter 4 Töpfchen ver¬ steckte man Brot, ein Geldstück, ein Stückchen Hader und das 4. blieb leer. Hierauf wurde den Ratenden die Augenbinde abgenommen und er mußte ein Töpfchen wählen. Was darunter verborgen war, wurde ihm im näch¬ ten Jahre zuteil. Brot bedeutete Arbeit, Geld Reichtum und die Hadern verhießen Not und Elend. Den Träumen in den Zwölf=Nächten (vom hl. Abend bis zum Drei¬ königstage) wurde große Bedeutung beigelegt. Was dem Menschen in diesen Nächten träumte, sollte im nächsten Jahre in Erfüllung gehen. Vor dem Dreikönigstage (6. Jänner)gingen die verkleideten drei Kö¬ nige: Kaspar, Melchior und Balthasar von Haus zu Haus und brachten ihre Königslieder zum Vortrage, malten mit Kreide ihre Anfangsbuchstaben: K. M. B. an die Stubentüren oder einen Deckenbalken, wofür sie mit klin¬ gender Münze entlohnt wurden. Den Märzennebeln wurde besondere Beachtung geschenkt, sie wurden im Kalender verzeichnet und sollte nach den alten Bauernregeln in 100 Ta¬ gen ein Gewitter folgen. Der Verfasser hat selbst durch einige Jahre die Märzennebel sorgfältig registriert, kam aber zu der überzeugung, daß die Gewitter nur selten an den bestimmten Tagen eintrafen Eine alte Volkssitte wurde aucham Palmsonntage gepflogen. Das Volk schrieb den geweihten Palmen eineWunderwirkung zu. Am Vortage holten Kinder und Erwachsene von Weiden und anderen Sträuchern die mit Palmenkätzchen bewachsenen Zweige. Nach der Weihe am Palmsonntage wurden drei Blüten verschluckt, die das ganze Jahr vor Krankheit schützen sollten. Auch wurden die geweihtenPalmenbündel in den Stuben hinter die Heiligenbilder und auch über die Stalltür in die Balken gesteckt, um Mensch und Tier vor Unheil zu bewahren. Von den Bauern wurden und werden heute noch die drei Eisheiligen Pankraz, Servaz und Bonifaz (am 12., 13. und 14. Mai) sehr gefürchtet, weil an diesen eintretende Fröste Saaten und Baumblüten vernichten Regnete es am Namenstage der hl. Sophie, verdarb die Heu= und Ge treideernte. Am Tage der 7 Brüder fallender Regen dauerte durch 7 Wochen fort Das zeitliche Kartoffelsetzen wurde von den Bauern nach Möglichkeit ver¬ mieden, denn die Kartoffel spricht: „Steckst de mich im April, kumm ich wenn ich will; steckst de mich en Mai, dou kummch glei“ Nach einer alten Volks¬ meinung reißt der aus dem Winterschlafe erwachte Bär am Maria Lichtme߬ age (2. Feber) seine Winterbehausung ein. Nach einer anderen Bauern¬ regel über den 1. Herbstschnee hieß es im Volksmunde: Kommt er zu Kattern (Katharina) nicht geflattert, kommt er zu Andries ganz gewieß 155

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