Chronik der Stadt Reichenau

Flora. Es erübrigt sich wohl, die gesamte heimische Pflanzenwelt in eingehender Weise zu behandeln und aufzuzählen, da dies ja schon in der Schule in hin¬ reichendem Maße geschieht. Der Abschnitt soll hauptsächlich unsere wichtig¬ sten Baumarten und Feldfrüchte behandeln Da die Bodenbeschaffenheit der hügelig bis bergigen Lage gemäß ungün¬ tig und die Ackerkrume nur eine sehr seichte ist, gedeihen bei uns die in üdlicher Gegend mit sehr gutem Ackerboden gepflanzten Früchte nicht. Von den Ahrenfrüchten wird Winterkorn bei guter Stall= und Kunstdüngung noch mit bestem Erfolge angebaut, wohingegen Sommerkorn, Gerste und Hafer nur einen geringen Ertrag abwerfen und nur in guten Erntejahren zufriedenstellende Ergebnisse erzielen. Von Knollengewächsen werden meistens Kartoffeln zur hauptsächlichen Ernährung für Mensch und Vieh angebaut, welche auf unserem steinigen Ackerboden wohlschmeckender geraten, als auf Lehmboden und oft reiche Ernten liefern. Seit Einführung der Kartoffel in unserer Gegend sind zum Glück der ärmeren Volksschichten die früheren Hungersnöte ausgeblieben. Von den verschiedenen Rübensorten wird hauptsächlich die Runkelrübe als Viehfutter angebaut. Rotkraut bauen die Landwirte meist nur für den eige¬ nen Bedarf an und liefert dasselbe weit geringere Erträge als auf dem süd¬ lich gelegenen Flachlande Große Sorgfalt widmet unsere Bauernschaft dem Grün= und Trocken¬ futter, wie Heu und Klee zur Viehhaltung, da die durch ungünstige Boden¬ verhältnisse und Industrie beschränkte Landwirtschaft hauptsächlich mit Vieh¬ zucht zur Milchverwertung und Fleischverbrauch sich befaßt Wie schon erwähnt, liefert unser Boden im Berglande nicht den gleich¬ wertigen Ertrag im Pflanzenwuchs wie das Flachland. Wohl gedeihen au Feld und in Hausgärten verschiedene Gemüsesorten, wie Blumenkohl (Kar¬ iol), Möhren, Sellerie, Zwiebeln, Kohlrabi und andere, wie auch die Bee¬ renfrüchte: Ribis=, Himbeer=, Stachel= und Erdbeeren im Garten, Heidel¬ Preisel= und Brombeeren in Wald und Flur, aber sie erreichen nicht die Größe und den Wohlgeschmack der Früchte auf dem südlichen Flachlande. Von Baumarten stehen in unseren gelichteten Wäldern hauptsächlich Fichten, zum geringeren Teil auch Tannen und Kiefern, die Lärche ist jedoch nur selten vertreten und stehen nur hinter der Sensemühle zwei Bäume dieser Art. Laubbäume sind in Reichenau mehrere Sorten vertreten und nimmt unter diesen die Linde den Vorrang ein, da fast bei jedem Bauern¬ hause vor und hinter demselben eine mächtige alte Linde mit breiter Krone zum Schutze gegen Feuersgefahr steht. Die meisten im Orte stehenden heili¬ gen Standbilder und Kreuze sind ebenfalls mit einigen schattigen Linden umgeben. Die Blüten der Linden werden von den Bewohnern eifrig ge¬ sammelt und zu Tee gegen mancherlei Krankheiten verwendet. Buchen sind im Orte und in den Wäldern seltener geworden, da sie vor der Kohlenein¬ fuhr meist alle zu Heizzwecken gefällt wurden und ein gutes Feuerungs¬ material abgaben. Gegenwärtig stehen im Orte wohl nur noch die zwei Bu¬ chen bei der Sensemühle als Wahrzeichen ihrer alten Macht. Eichen standen früher mehrere in Reichenau, doch wurden dieselben vom Mühlbauer Preißler, Nr. 36, angekauft und zu Wellen für die Mahlmüh¬ len verarbeitet. Jetzt verwendet man jedoch meist Eisenwellen. Von Laubbäumen sind noch mehrere Arten aufzuzählen, wie Ahorn (Orle), Kastanien, Eberesche, Pappel, Birke, Erle und Weide, sowie verschie¬ dene Sträucher. 10

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